Einkaufen mit viel Gefühl
Ein Forschungsteam eruiert, wie sehr Produktdesign unsere Emotionen – und damit die Kauflust – beeinflusst. Erste Ergebnisse zeigen: Freude ist wichtig, Langeweile ein Killer.
Wenn Nicola StokburgerSauer ein Geschäft betritt, kann sie ihre wissenschaftliche Arbeit kaum ausblenden. Denn ständig begleiten sie Fragen wie: „Wie geht es mir selbst, wenn ich mich mit schönen Dingen, etwa einem schönen Glas, Computer oder Stift umgebe? Fühle ich mich damit tatsächlich wohler? Und: Wie lang bleibt das so?“
Die Konsumverhaltensforscherin beginnt gern bei sich, wenn sie darüber nachdenkt, was andere Menschen beim Einkauf lenkt: vom ersten Blick auf ein Produkt online oder im Geschäft über die erste Berührung bis hin zur ersten Anwendung und darüber hinaus. Das alles ist Gegenstand ihrer wissenschaftlichen Betrachtung. „Wir untersuchen, wie sich Emotionen, Zufriedenheit und auch Loyalität mit der Zeit verändern: Würde ich ein Produkt weiterempfehlen oder wieder kaufen?“, schildert sie.
Ihr aktuelles, vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt läuft seit knapp zwei Jahren, erste Ergebnisse gibt es bereits. Dazu lud sie mit ihrem Team Probanden in das von ihr geleitete Consumer Lab an die Uni Innsbruck. Für eine Studie mit trendigen Mehrweg-Kaffeebechern kamen 70 Studierende in das Forschungslabor am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus; für eine weitere mit besonders hochwertigen Haushaltsmessern wählte man 100 Leute aus, die einen repräsentativen Querschnitt der österreichischen Bevölkerung bilden.
Messertests im Labor
In beiden Studien betrachteten die Probanden die Produkte zunächst nur online und durften sie erst in einem zweiten Raum angreifen. Dann führte man sie zu einer am Institut aufgebauten Getränkebar bzw. einem Gemüsekorb, wo sie sich bedienen – und die Becher oder Messer ausprobieren konnten. Dann konnten sie diese für eine vierwöchige Testphase mit nach Hause nehmen und schließlich
behalten. Die Wissenschaftler befragten die Versuchspersonen in all diesen Stufen zu ihren Gefühlen und zu möglichen Kaufabsichten. Stokburger-Sauer und ihr Team betrachten dabei aber nicht nur bewusste Emotionen, sondern auch unbewusste: Diese lassen
sich mittels „Emotion Facial Action Coding Systems“über Muskelaktivitäten im Gesicht erfassen.
„Mit mehreren Methoden über einen längeren Zeitraum zu arbeiten war sehr aufwendig“, erzählt sie. Doch die ersten Auswertungen vor sich zu haben motiviert. In der Messer-Studie sehe man bereits, wie wichtig die Freude beim Einkauf ist, um die Zufriedenheit –
und damit letztlich auch die Zahlungsbereitschaft – zu erhöhen. Andere bewusste positive Emotionen wie Bewunderung, Stolz oder Verlangen brachten keine so deutlichen Effekte. Der Killer für die Einkaufslust, also das negative Gefühl, das sich am stärksten auf die Zufriedenheit und auch auf die Weiterempfehlungsabsicht auswirkte, dürfte hingegen die Langeweile sein. „Hier haben wir sehr deutliche Ergebnisse bekommen.“
Zauber des Neuen verblasst
Außerdem zeigte sich in der Studie, dass die Bewertung der Funktionalität, also die Frage, ob man findet, dass ein Produkt seinen Zweck erfüllt, bei den ersten Kontakten zunimmt, in der Testphase aber deutlich abfällt. „Es scheint ein Saturierungseffekt einzutreten, der Zufriedenheit und Zahlungsbereitschaft nach unten fallen lässt“, sagt Stokburger-Sauer.
Verblasst der Zauber des Neuen – und damit die Kauflust – vielleicht, weil die Probanden zu diesem Zeitpunkt bereits wussten, dass sie die Produkte behalten durften? „Möglich“, sagt die Betriebswirtin. Klarheit sollen nun qualitative Forschungsmethoden bringen, die Probanden also noch einmal offen befragt werden.
Die Resultate schließen jedenfalls eine Lücke zwischen Erkenntnissen aus dem industriellen Design („Dort fragt man, wie sich die Gefühlslage verändert, wenn ich einen Stuhl oder Toaster nutze“) und jenen aus der BWL („Da interessiert, welche Auswirkung der Anblick auf die Kaufabsicht hat“). Und auch wenn es sich um Grundlagenforschung handelt, sollen sich aus den Resultaten Hinweise für das Unternehmensmanagement ableiten lassen. „Wir sehen schon jetzt, wie wichtig Kundenbindungsmaßnahmen sind, damit die Leute dabeibleiben und wiederkommen“, sagt Stokburger-Sauer. Es mache eben einen Unterschied, wenn der Optiker bei ihr als Brillenträgerin nach dem Kauf noch
einmal nachfrage, ob alles passt, und ein Extra-Service anbietet.
Geht sie also stets mit den Augen der Forscherin einkaufen? Oder vergisst sie mitunter ihr Wissen und lässt die Emotionen auf sich wirken? Sie versuche es, sagt Stokburger-Sauer lachend. „Aber es gelingt nicht immer.“
Ich frage mich: Wie geht es mir selbst, wenn ich mich mit schönen Dingen umgebe?
Nicola Stokburger-Sauer, Universität Innsbruck