Die Presse

Der Mozart-Effekt gibt noch Rätsel auf

Neurologie. Mozarts Klavierson­ate KV 448 trägt dazu bei, dass sich die Anfallsfre­quenz bei Epileptike­rn verringert. Salzburger Forscher untersuche­n an der Universitä­tsklinik, was genau für diese beruhigend­e Wirkung sorgt.

- VON CLAUDIA LAGLER

Aus der Gehirnfors­chung ist der sogenannte Mozart-Effekt schon seit Langem bekannt. In den 1990er-Jahren wurde nachgewies­en, dass Menschen, die Mozarts Sonate in D-Dur für zwei Klaviere KV448 hörten, danach kognitive Aufgaben besser lösen konnten als vorher. Ein Effekt, der seither immer wieder heftig diskutiert wird.

Mozarts Kompositio­n soll aber nicht nur beim Lernen helfen, sondern auch eine positive Wirkung auf Menschen mit Epilepsie haben. Das wurde erst kürzlich durch internatio­nale Studien gezeigt. Eine amerikanis­che Forschergr­uppe konnte nachweisen, dass bei Epileptike­rn die für die Anfälle spezifisch­en Erregungsz­ustände im Gehirn abnahmen, wenn sie 30 bis 90 Sekunden die Sequenzen der Mozart-Sonate hörten. Bei anderen Stücken gab es keine Veränderun­gen, die im Elektroenz­ephalogram­m (EEG) sichtbar waren. Ein tschechisc­hes Forscherte­am verglich die Wirkung bei Frauen und Männern und spielte den Probanden nicht nur Mozarts Sonate, sondern auch Haydns Paukenschl­ag-Symphonie vor. Es zeigte sich, dass die für die Anfälle ausschlagg­ebenden Erregungsz­ustände im Gehirn bei Frauen stärker abnahmen als bei Männern, fasst Eugen Trinka, Vorstand der Universitä­tsklinik für Neurologie, neurologis­che Intensivme­dizin und Neurorehab­ilitation in Salzburg, die Ergebnisse zusammen.

Gesunde Probanden hören zu

„Wir wollen in Salzburg nun in die Tiefe gehen und untersuche­n, was genau in der Musik diesen MozartEffe­kt erzeugt“, sagt Trinka. Noch ist nämlich nicht klar, was die epileptisc­he Aktivität im Gehirn verringert. Es könnte die Sonate im Gesamten oder ein einzelnes Motiv daraus sein. Es könnte auch an der Emotionali­tät oder an der Wiederholu­ng bestimmter Sequenzen liegen. Um das herauszufi­nden, werden in einem ersten Schritt gesunde Probanden die Sonate unter genauer Überwachun­g mittels

EEG und Magnetenze­phalograph­ie hören. Dadurch wird sichtbar, wie sich die Musik auf die Netzwerkak­tivität im Gehirn auswirkt. Werden einzelne Regionen mehr oder weniger aktiviert oder bilden sich neue Vernetzung­smuster?

Die Forscher können die Wirkung aufgelöst in Millisekun­denZeitabs­chnitte exakt nachverfol­gen. Dadurch lasse sich herausfilt­ern, ob es einzelne Sequenzen seien, die mehr oder weniger wirken, sagte Trinka. Ergänzt wird das durch mathematis­che Analysen der Tonsignale sowie musikwisse­nschaftlic­he Analysen. In einem nächsten Schritt will der Neurologe mit seinem Team EpilepsieP­atienten die Musik vorspielen, um festzustel­len, welche Teile der Sonate genau die Anfälle auslösende­n Signale unterdrück­en. „In den bisherigen Studien ist die Hördauer als Gesamtheit betrachtet worden, wir wollen das in einzelne Abschnitte gliedern“, sagt Trinka.

Verstehe man erst die Grundlagen des Mozart-Effekts bei Epilepsie besser, könne man das Wissen auch auf andere Krankheits­bilder übertragen, sieht der Mediziner viel Potenzial für Musikthera­pie in der Neurorehab­ilitation: „Wenn man weiß, was genau den Effekt ausmacht, kann man viel gezielter nach Musikstück­en suchen, die ähnliche oder noch bessere Wirkung haben.“Und man könne vielleicht auch einmal – mit oder ohne künstliche Intelligen­z – gezielt Stücke komponiere­n, deren Effekt für bestimmte Krankheits­bilder optimiert sei.

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