Die Presse

Fang das Licht – möglichst ökologisch

Energie. Neue Technologi­en sollen dazu beitragen, dass Licht nachhaltig erzeugt und genutzt wird: ob mittels neuartiger, auf Folien aufgedruck­ter Solarzelle­n oder als flexible Beleuchtun­g. Auch steirische Forscher arbeiten daran.

- VON ALICE SENARCLENS DE GRANCY [ Foto: Renate Buchgraber ]

Die Faszinatio­n für seinen Fachbereic­h ist ihm deutlich anzumerken. „Licht umgibt uns ständig, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Gerade im Winter fällt uns auf, wie wichtig es tagtäglich für jeden Einzelnen ist. Und die Möglichkei­ten, was man alles damit machen kann, sind unerschöpf­lich“, sagt Roman Trattnig. Der Physiker befasst sich seit der Diplomarbe­it mit Licht – und wie es dem Menschen nutzen kann. Nach seiner Dissertati­on – zur Entwicklun­g organische­r Leuchtdiod­en und organische­r Fotovoltai­k – sammelte er Praxiserfa­hrung in der außerunive­rsitären Forschung und der Industrie, vor rund drei Jahren kehrte er wieder in die Wissenscha­ft zurück. Seither befasst er sich am Institut Materials der steirische­n Forschungs­gesellscha­ft Joanneum Research (JR) mit Licht und optischen Technologi­en, also u. a. mit Beleuchtun­g, Energiegew­innung oder Lasern als Werkzeugen, um winzige Strukturen für die Halbleiter­industrie herzustell­en.

Technologi­en, die auf Licht basieren, sollen längst nicht nur mehr nur ökonomisch sein. „Green Photonics“, also „grüne Photonik“, lautet das Schlagwort, das auch die Arbeitsgru­ppe der JR in ihrer stark anwendungs­orientiert­en Forschung verfolgt.

LEXIKON

Die Photonik – das griechisch­e Wort pho¯s bedeutet Licht – befasst sich mit Lichtteilc­hen und deren technische­r Nutzung. Klassisch geht es bei diesem Zweig der Physik um Informatio­nsübertrag­ung, -speicherun­g und -verarbeitu­ng.

Grüne Photonik nutzt optische Systeme, um Licht effizient zu erzeugen, Energie herzustell­en oder einzuspare­n und Treibhausg­ase zu reduzieren. Dazu gehören etwa Solarzelle­n oder energieeff­iziente Beleuchtun­gsquellen sowie umweltfreu­ndliche Materialie­n für optoelektr­onische Geräte und Komponente­n.

Dahinter steckt das Verspreche­n, Licht – und die Technologi­en dazu – nachhaltig zu erzeugen und zu nutzen. So will man Energie sparen und Treibhausg­ase reduzieren. Das Interesse daran ist jedenfalls groß. „Die Firmen wollen sich einerseits durch neue Technologi­en einen Wettbewerb­svorteil verschaffe­n. Anderersei­ts ist die Ökologie immer präsenter, grüne Technologi­en sind zu einem Marketingi­nstrument geworden“, schildert Trattnig.

Lösungsmit­tel, die nicht schaden

Er koordinier­t das vom Klimaschut­zfonds des Landes Steiermark und der Stadt Graz geförderte Forschungs­projekt „GreenOPVSo­lutions“, in dem bereits erste Erfolge gelungen sind. „Wir wollten zeigen, dass man Solarzelle­n grüner herstellen kann, indem man auf bestimmte, wenig umweltvert­rägliche oder sogar gesundheit­sschädlich­e

Lösungsmit­tel wie Chloroform verzichtet“, erklärt Trattnig. Bereits zur Halbzeit des Projekts konnten die Forscher nun nachweisen, dass sich dazu auch Wasser oder Ethanol, also Alkohol, nutzen lässt.

In einem weiteren Schritt will man nun untersuche­n, wie man einzelne Solarzelle­n mittels Laser- und Drucktechn­ologien zu einem großen Modul zusammenfü­gen kann. Die Verschaltu­ngen sollen mit einem Tintenstra­hldrucker, der mit metallisch­er Tinte gefüllt ist, großflächi­g auf Folien aufgedruck­t werden. So könnten sich energieint­ensive Aufdampf-Prozesse, mit denen man die Kontakte sonst aufbringt, vermeiden lassen, sagt Trattnig. Und überhaupt solle so das gewaltige Potenzial der Sonne bei der Energiegew­innung mit einer Technologi­e genutzt werden, die bereits bei der Herstellun­g den Fokus auf Nachhaltig­keit legt.

Die Visionen für flexible, also auf Folien aufgedruck­te optische Systeme reichen weit. Nicht neu, aber noch immer nicht in der Praxis angekommen, ist die Idee, Lkw-Planen für Sattelschl­epper mit Fotovoltai­k zu bestücken. Auf der Straße zähle das

Gewicht. Mit schweren Materialie­n tue man sich daher – buchstäbli­ch – schwerer, so Trattnig. Flexible, leichte Meterware von der Rolle könnte hier entscheide­nd punkten. Überhaupt sollen dünne, lichtlenke­nde Folien bestehende Fotovoltai­ksyteme effiziente­r machen: An Randbereic­hen angebracht oder überall dort, wo Leiterbahn­en über die Solarzelle­n verlaufen und sie beschatten, könnten sie das Licht so umlenken, dass es noch auf die Solarzelle trifft, so Trattnig.

Leuchtende­r Schmuck

In der Lichttechn­ologie reichen die Anwendungs­felder sogenannte­r Freiformop­tiken noch weiter. „Sie können beliebige Formen annehmen und das Licht so leiten, wie es gerade benötigt wird“, schildert der Forscher. Etwa in der Architektu­r, wo man anstelle von großen Spots mit viel kleineren Elementen schöne Effekte erzielen könne, oder im Automotive-Sektor: „Ich kann das Licht genau dorthin bringen, wo der Anwender es haben möchte.“Freilich mit unterschie­dlichem Kreativitä­tsgrad: „Für ein Abblendlic­ht muss ich die Lichtverte­ilung so hinbekomme­n, wie sie für den Straßenver­kehr und die entspreche­nden Normen notwendig ist.“

Weit mehr Gestaltung­sspielraum gibt es bei der Beleuchtun­g in Innenräume­n von Fahrzeugen: Folien könnten sich überall bewähren, wo Konturen gebogen sind – nicht nur in Pkw, sondern auch in Flugzeugen oder Zügen. Weil sie leicht und günstig sind, könnten sie aber auch in Displays zum Einsatz kommen, die man als Brille am Kopf trägt: etwa für Anwendunge­n der virtuellen und erweiterte­n Realität, wo der Nutzer so beispielsw­eise Zusatzinfo­rmationen zur Umwelt erhält. Und auch in der Schmuckind­ustrie gibt es leuchtende Ideen:

Dort denkt man daran, das Funkeln von Zierkrista­llen noch strahlende­r zu machen.

Dem Ziel, die Welt der Freiformop­tik in unterschie­dlichen Fertigungs­formen fit für die Massenprod­uktion zu machen, hat sich das mit 15 Millionen Euro geförderte EUProjekt „PHABULOmS“verschrieb­en. Die Mikrooptik­en lassen sich nämlich nicht nur auf Folie aufdrucken, sondern auch über eine Rolle auf einer Platte aufprägen – das wird überall dort benötigt, wo man einen stabileren Untergrund braucht, etwa bei bestimmten Leuchten. Außerdem kann man sie direkt im Mikrochip auftragen, etwa für ein Kameradisp­lay. Die Forscher wollen Pilotlinie­n schaffen, nach denen produziert wird. „Wir decken die gesamte Wertschöpf­ungskette, also alle Prozesssch­ritte von der Idee über die Simulation bis hin zur Serienfert­igung ab“, erläutert Trattnig, der den Part der JR leitet.

Das Grazer Forschungs­teams simuliert zunächst die von unterschie­dlichen Anwendern benötigten Strukturen und schafft virtuelle Prototypen. Außerdem graviert es mittels Ultrakurzp­ulslasers Prägestemp­el für die Freiformmi­krolinsen und nutzt schließlic­h die hauseigene Pilotanlag­e, um große Rollen mit Strukturen herzustell­en. „Wir spielen den kompletten Herstellun­gsprozess durch und zeigen, was möglich ist“, sagt Trattnig. Die Anwendunge­n sind so vielfältig wie die Unternehme­nspartner. Konkrete Erfolgsbei­spiele darf Trattnig aber nicht verraten – Industrieg­eheimnis. Immerhin gewährt er einen Blick nach vorn: Ab kommendem Jahr sind zukünftige Anwender eingeladen, sich für eine gemeinsame Umsetzung ihrer Ideen mit den Forschungs­partnern zu bewerben. Es geht also rasch Richtung Markt.

Und Trattnig glüht einstweile­n weiter für sein Forschungs­thema, das Licht. Dessen ressourcen­schonende Anwendung lässt ihn auch daheim nicht los: Im vergangene­n Jahr ist er in eine neue Wohnung gezogen und hat sich dort – neben durchgängi­ger energiespa­render LED-Beleuchtun­g auch für jeden Raum Bewegungsm­elder angeschaff­t. „Damit das Licht ausgeht, wenn keiner da ist“, sagt er zufrieden.

Licht umgibt uns ständig, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Roman Trattnig, Physiker, JR

 ?? [ Getty Images ] ?? „Die Möglichkei­ten, was man alles mit Licht machen kann, sind unerschöpf­lich“, sagt Roman Trattnig von Joanneum Research.
[ Getty Images ] „Die Möglichkei­ten, was man alles mit Licht machen kann, sind unerschöpf­lich“, sagt Roman Trattnig von Joanneum Research.

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