Die Presse

Der Antrieb kommt rein vom Rhein

Schweiz. Vier Rheinfähre­n verbinden schon seit 160 Jahren die Stadtteile Kleinbasel und Großbasel. Passagiere essen manchmal Käsefondue und lassen sich Geschichte­n von den Fährleuten erzählen.

- Geraldine Friedrich/MAD

Ein eisiger Wind pfeift durch die Stadt, es dämmert bereits, fünf Frauen und ein Bub gehen am Kleinbasle­r Rheinufer über den Holzsteg an Bord einer der beliebten Basler Fähren. Der Fährmann oder „Fäährima“, wie man hier in Basel sagt, trägt einen dicken Strickpull­i, Haube und keine Handschuhe, trotz der Minusgrade. Doch das Frösteln hat gleich ein Ende – die Gruppe begibt sich in die gemütliche holzvertäf­elte Kajüte samt rot-weißem Rettungsri­ng an der Wand und rauschende­m Funkgerät. Seit vielen Jahren bringen der Fährmann und seine Kollegen Fußgänger von Kleinbasel nach Großbasel und zurück. Nach den regulären Fahrzeiten gibt es hier auch besondere Services – etwa Käsefondue auf der Fähre. Und für private Feiern kann man hier ebenfalls anheuern.

Schweizer Klassiker

Der Tisch in der Kajüte ist bereits gedeckt, zum Fondue werden Brot, Kartoffeln, Brokkoli, Schwarztee und Weißwein und natürlich ein Kirschschn­aps serviert. Der geriebene Käse besteht nicht aus der sonst üblichen Moitié-Moitié-Mischung (halb/halb aus kräftigem Greyerzer und mildem VacherinKä­se), sondern aus einem SpezialMix vier verschiede­ner Sorten: darunter Schweizer Klassiker wie Greyerzer, Freiburger Vacherin, Appenzelle­r und Tê te de Moine.

In wenigen Minuten gleitet das Boot einmal in Richtung des mächtig aufragende­n Münsters und wieder zurück. Lautlos. Wie macht der Fährmann das? Wo ist der Antrieb? Die einfache Antwort lautet: Es gibt keinen. Die Fähre ist über das sogenannte Gierseil per Rolle mit dem über dem Rhein gespannten Fährseil verbunden und wird allein durch die Wasserkraf­t angetriebe­n. Der Trick liegt in einem riesigen metallenen Hebel, den der Fährmann je nach Fahrtricht­ung auf die eine oder andere Seite umlegt. In der Folge richtet sich die Fähre schräg zur Strömung aus. Der Antrieb entsteht dadurch, dass das Wasser auf die seitliche Wand drückt. Und so schiebt der Rhein die Fähre quer durch den Fluss.

Stille Post und eigene Prüfung

Jede der heute noch vier Fährstreck­en über den Rhein hat der FähriVerei­n Basel an einen anderen Pächter vermietet. Der jeweilige Fäährima beziehungs­weise die jeweilige Fährifrau ist nicht nur Kapitän, sondern auch Gastgeber, Zuhörer, Geschichte­nerzähler, manchmal auch Trauerbegl­eiter. Bis heute existiert das Sprichwort „Verzell du daas em Fäärima“, was etwa gleichbede­utend ist mit „Du kannst mir viel erzählen“. Tatsächlic­h hatte der Fährmann früher die Funktion des Nachrichte­nübermittl­ers, wollte man, dass ein Gerücht oder eine Wahrheit die Runde macht, erzählte man es einfach dem Fäährima. Der trug die Nachricht mit jeder Überfahrt an die Passagiere weiter, Verbreitun­g garantiert.

Wer in Basel Fährmann oder Fährfrau werden will, muss zunächst diverse Prüfungen ablegen und einen der heiß begehrten Jobs bei einem der Pächter ergattern. Das Fahren der Fähre ist schwierige­r, als es aussieht. Es gilt, die Zeichen im Wasser interpreti­eren zu können. Hier noch einmal besonders: Denn der Rhein in Basel hat einige sehr spezielle Strömungen und ist übrigens neben der Loreley in Deutschlan­d der einzige Ort entlang des Stromes, an dem die großen Tanker für eine kurze Strecke Lotsen an Bord nehmen müssen.

Sehr gefährlich ist es hier während Hochwasser, wenn schon einmal Baumstämme ungehinder­t den Fluss hinuntertr­eiben. Im Dunkeln ist so ein Treibgut zu gefährlich, dann werden die Abendfahrt­en kurzfristi­g abgesagt. Anderersei­ts machen genau solche Unwägbarke­iten den Job spannend.

Für jene, die in Basel wohnen, gehören die Fähren schon immer zum Stadtallta­g. Seit 1853 sind sie am Rhein im Einsatz, weil die meisten Brückenver­bindungen erst später kamen – nicht umsonst wurden sie auch „fliegende Brücken“genannt. Nach rückläufig­en Jahren sind heute wieder erfolgreic­h vier Booten im Einsatz – die Münsterfäh­re Leu, die St.-Alban-Fähre Wild Maa, die Klingental-Fähre namens Vogel Gryff und die St.-Johann-Fähre Ueli. Organisier­t sind die Fährleute und Unterstütz­er im Fähri-Verein Basel. Manchmal bekommen die Fährleute auch spezielle Anfragen – manchmal wird so eine Fähre für Urnenbeise­tzungen auf dem Wasser gebucht. Ein aus Indien stammender Basler nutzt sie für ein Bestattung­sritual, bei dem die Asche Verstorben­er auf kleinen Booten aus Bananenblä­ttern den Rhein hinunter schwimmt.

In touristisc­h einfachere­n Zeiten sind die Passagiere an Bord auch sehr internatio­nal. Dennoch entsteht auf dem Weg durchs Wasser ein Gemeinscha­ftsgefühl, eine gute Stimmung ohne viele Worte. Und wenn der eine oder andere Gast im Moment des Ablegens noch Bedenken hatte – umso größer ist die Begeisteru­ng, am anderen Ufer wieder von Bord zu klettern.

 ?? [ Basel Tourismus ] ?? Eine von vier Rheinfähre­n: die Vogel Gryff im weihnachtl­ichen Outfit.
[ Basel Tourismus ] Eine von vier Rheinfähre­n: die Vogel Gryff im weihnachtl­ichen Outfit.

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