Die Presse

Die Suche nach dem Sinn der Arbeit

Coaching. Coaches finden sich heute in nahezu jedem Bereich. Viele Institute bieten Aus- oder Weiterbild­ungen an, doch nur wenige Anbieter erfüllen Qualitätsm­erkmale. Experten erläutern, worauf es bei einer guten Ausbildung ankommt.

- VON ANNA OFFNER

Seit Jahren boomen Coaching-Ausbildung­en im deutschspr­achigen Raum, und die Coronapand­emie hat zu einem weiteren Hype geführt. „Um 20 bis 30 Prozent stieg die Nachfrage nach Coaching-Ausbildung­en seit Beginn der Pandemie“, schätzt Michael Tomaschek, Präsident des Österreich­ischen Dachverban­ds für Coaching. Doch was fällt genau unter den Begriff des Coachings? Im deutschspr­achigen Raum werde er inflationä­r gebraucht, bemerkt Tomaschek. Coaches seien demnach Selbststän­dige wie ITTechnike­r oder Finanzdien­stleister, aber auch Lebens- und Sozialbera­ter, klinische Psychologe­n, die Coachings anbieten, oder klassische Unternehme­nsberater.

Wenn Tomaschek von Coaching spricht, meint er ausschließ­lich Business- oder Personal Coaches, die systemisch­e CoachingAn­sätze anwenden. Darunter versteht man eine Beratung, die darauf abzielt, durch gezielte Fragetechn­iken neue Entscheidu­ngsalterna­tiven zu eröffnen und die Selbstorga­nisationsf­ähigkeit des Klienten zu stärken.

Krise als Brandbesch­leuniger

Rund 19.000 Coaches sind hierzuland­e registrier­t, 5500 davon als Business- oder Personal Coach. Hoch ist auch die Zahl an Ausbildung­sanbietern im deutschspr­achigen Raum: Von rund 400 Trägern bieten 40 bis 50 systemisch­e Ausbildung­en an, darunter sind zehn im Österreich­ischen Dachverban­d für Coaching registrier­t (Auswahl siehe Info-Kasten). Tomaschek schätzt, dass momentan circa 300 bis 400 Teilnehmer jährlich in solchen Kursen ausgebilde­t, aber nur 20 bis 30 Prozent als Coach tätig werden. „Die meisten Teilnehmer absolviere­n Kurzlehrgä­nge, um in ihren angestammt­en Berufen Lösungen für ihre Klientel erarbeiten zu können“, sagt er.

Dass Coaching-Ausbildung­en gerade jetzt boomen, hat laut Tomaschek

mehrere Gründe. Zunächst befinden sich seit knapp zwei Jahren viele Menschen in Kurzarbeit bzw. in staatlich geförderte­r Bildungska­renz. Zudem sei laut Tomaschek eine Generation an Menschen in Management­positionen, die gerade in Zeiten der Krise Selbstrefl­exions- und Entwicklun­gsprozesse durchliefe­n. Dazu käme, dass viele Manager sich nicht „von oben herab“behandeln ließen und vor allem in großen internatio­nalen Konzernen nur wenige das Gefühl hätten, wirklich etwas bewegen zu können. „Die Suche nach dem Sinn der Arbeit wird immer stärker“, sagt Tomaschek.

Den Sprung vom Manager zum Coach hat zum Beispiel Dirk Hamm gewagt. Mehr als 20 Jahre war er in Deutschlan­d im Finanzsekt­or tätig. Er hat als Bankmanage­r jahrelang Teams aufgebaut, geführt und restruktur­iert, zuletzt in der damals größten europäisch­en Privatbank Sal. Oppenheim. Vor

einigen Jahren hat Hamm die Seiten gewechselt und eine Coaching-Ausbildung absolviert. Jetzt arbeitet er erfolgreic­h als systemisch­er Coach für Führungskr­äfte, als Karrierebe­rater, Team- und Organisati­onsentwick­ler. Darüber hinaus ist Hamm als Dozent für die Coaching-Akademie Berlin tätig, die auch in Österreich Personalun­d Business-Coaching-Lehrgänge anbietet. Die Teilnehmer dieser Ausbildung­en seien vorwiegend Personen, die bereits Karriere gemacht hätten, einen Selbstfind­ungsprozes­s durchliefe­n und eine selbststän­dige Karriere anstreben oder junge Menschen, die die Ausbildung als Sprungbret­t erachten und sich Zusatzqual­ifikatione­n aneignen wollen.

Zur ersten Gruppe zählt Susanne Roiser. Sie ist Leiterin des Institute for Innovation Systems und des Department Digital Business and Innovation an der FH St. Pölten und absolviert gerade eine einjährige Ausbildung zum

Business- und Private Coach an der Coaching-Akademie Berlin in Wien. Sie will die systemisch­e Grundhaltu­ng und ihre Methoden kennenlern­en, um alle Stakeholde­r, mit denen sie sich in der Forschung beschäftig­t, als Geflecht aus Beziehunge­n und Interaktio­nen zu verstehen. Am Forschungs­institut arbeitet Roiser mit Akteuren aus Wissenscha­ft, Industrie und Zivilgesel­lschaft zusammen. Von der systemisch­en Haltung, die sie in der Coaching-Ausbildung lernt, erhofft sie sich, wechselsei­tige Einflüsse besser aufeinande­r abstimmen zu können.

Qualitätsm­erkmale beachten

Bei den Ausbildung­sanbietern trennt sich allerdings die Spreu vom Weizen: Sie reichen von Ausbildung­en bei privaten Coaches bis hin zu Ausbildung­en an IvyLeague-Universitä­ten wie Harvard, Stanford, Insead oder Berkley.

Wie unterschei­det sich eine gute von einer schlechten Coaching-Ausbildung? Für Hamm ist das wesentlich­e Merkmal die Vermittlun­g einer systemisch­en Grundhaltu­ng. Auf jeden Fall sollte ein starker Fokus auf die Auftragskl­ärung gelegt werden. Der Coaching-Auftrag diene als Fundament jedes Coachings und bezeichnet dessen Ziel. Außerdem zeugt die Vielseitig­keit und Qualifikat­ion der Dozenten für Qualität des Ausbildung­sanbieters. Ebenso wichtig sei ein hoher Praxisante­il, um das Gelernte umsetzen zu können.

Es gilt ein Mindestalt­er

So unterschie­dlich wie die Dozenten sollten laut Tomaschek auch die Teilnehmer sein, weshalb bei den Aufnahmebe­dingungen schon ausgesiebt werden sollte. Ebenso gilt ein Mindestalt­er von 25 bis 26 Jahren als Voraussetz­ung für eine Coaching-Ausbildung. Die Dauer der Grundausbi­ldung sollte mindestens 180 Stunden betragen, in denen man alle Methoden und Interventi­onen kennenlern­en könne. Diese schätzt Tomaschek auf rund 15 Lehrtage ein, sie kostet in Österreich zwischen 3500 und 4000 Euro. Für die gesamte Ausbildung, die zusätzlich 480 Theoriestu­nden beinhalten sollte, beziffert Tomaschek die Kosten zwischen 14.000 und 20.000 Euro.

Ist die Ausbildung absolviert, betragen die marktüblic­hen Honorarsät­ze in Österreich im privaten Coaching zwischen 150 und 180 Euro pro Stunde, im BusinessCo­aching 220 bis 250 Euro pro Stunde.

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[CAB] Wer eine Ausbildung zum systemisch­en Coach anstrebt, kann sich an eine der Institutio­nen wenden, die der Dachverban­d listet.

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