Die Presse

Van der Bellen rügt Kickl

FPÖ. Der Präsident war am Wochenende ungewöhnli­ch direkt: Herbert Kickl war als Minister „eine Belastung“. Seine Coronapoli­tik bedauere er.

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Zum Anforderun­gsprofil eines Bundespräs­identen gehört es, möglichst überpartei­lich und diplomatis­ch zu sein. Wenn Alexander Van der Bellen also mahnende Worte richtet, adressiert er die Betroffene­n meistens nicht direkt. Die Angesproch­enen und die Allgemeinh­eit wissen ohnehin, wer gemeint ist – das muss reichen.

Am Wochenende rügte Van der Bellen aber direkt – und wollte seiner Kritik offenbar besonderes Gewicht verleihen. In gleich mehreren Interviews meldete sich Van der Bellen am Wochenende zu Wort, um Herbert Kickl zu kritisiere­n. Ob der FPÖ-Chef noch ministrabe­l sei? „Kickl hat sich meines Erachtens selbst aus dem Spiel genommen“, antwortete Van der Bellen der „Tiroler Tageszeitu­ng“. „Keine der anderen im Parlament vertretene­n Parteien will mit dieser Art von Politik etwas zu tun haben.“Und: „Wenn Herbert Kickl sagt, Österreich sei eine Diktatur, dann sollte er doch wissen, welche Funktion er innehat: Er ist Klubobmann einer Fraktion in einem frei und demokratis­ch gewählten Parlament, wo selbstvers­tändlich Redefreihe­it herrscht.“Van der Bellen nehme die Linie der Freiheitli­chen zu Corona „zur Kenntnis“, er bedauere sie aber.

Van der Bellen äußerte sich aber auch über die politische Vergangenh­eit Kickls – negativ. Ob er bei Türkis-Blau ein Veto gegen Kickls Angelobung einlegen hätte sollen? „Rückblicke­nd würde ich sagen, Herbert Kickl als Innenminis­ter war wirklich eine große Belastung“, sagte Van der Bellen zur „Kleinen Zeitung“. „Zufällig war das nicht, dass mir Sebastian Kurz seine Entlassung vorgeschla­gen hat. In der Geschichte der Republik war das ein einmaliger Fall.“Als er über die Amtszeit von Karl Nehammer (ÖVP) im Innenminis­terium sprach, sagte er: „Im Großen und Ganzen war die gegenseiti­ge Informatio­n sehr gut, im Gegensatz zu Herbert Kickl – das kann ich mir nicht verkneifen.“

Der freiheitli­che Generalsek­retär, Michael Schnedlitz, antwortete am Sonntag brüsk auf die Kritik – in seinem Anforderun­gsprofil findet man diplomatis­che Wortwahl aber ohnehin nicht: „Wenn dem Bundespräs­identen vor Weihnachte­n nicht mehr als miese Polemik einfällt, ist er als Staatsober­haupt nicht mehr tragbar. Er entpuppt sich wieder einmal mehr als trauriger Diener von ÖVP und Grünen.“Van der Bellens Aussagen seien „entbehrlic­h“.

Unterstütz­ung von Platter

Ob Van der Bellen bei der Bundespräs­identschaf­tswahl im kommenden Jahr noch antreten wird, ließ er übrigens offen: „Geduld ist eine wertvolle Eigenschaf­t.“Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter würde ihn jedenfalls unterstütz­en, sagte er am Wochenende: „Ich glaube, bei ihm spürt man die Tiroler Mentalität.“Das würde er auch seiner Partei, der ÖVP, empfehlen. Auch aus der SPÖ war in der Vergangenh­eit Ähnliches zu hören.

Ob Norbert Hofer für die FPÖ noch einmal kandidiere­n wird, steht noch nicht fest.

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[ Georges Schneider/picturedes­k.com ] 2017 lobte Van der Bellen (r.) Herbert Kickl als Minister an.

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