Die Presse

Lichtermee­r als Antwort auf Ausschreit­ungen

Kundgebung­en. Eine Kette aus Kerzenlich­t war als Kontrapunk­t gegen schrille Coronademo­s gedacht. Am Samstag hatte die Polizei Probleme mit Demonstran­ten.

- VON MARLENE AIGNER UND MANFRED SEEH

Wien. Man sollte mit Kerzen kommen, oder die in den Mobiltelef­onen eingebaute­n Taschenlam­pen einschalte­n. Möglichst viele Menschen sollten sich Sonntagabe­nd entlang der Wiener Ringstraße aufstellen, um im Rahmen der überpartei­lichen |YesWeCare-Initiative der mehr als 13.000 CoronaTode­sopfer in Österreich zu gedenken. Und um dem Gesundheit­spersonal Solidaritä­t zu bekunden. Dies war das Ziel des für Sonntagabe­nd angesetzte­n Lichtermee­rs in der Wiener Innenstadt.

Auch das Gesundheit­spersonal selbst sandte am Sonntag eine Botschaft aus. Und zwar in Form einer „Lichtermee­r-Erklärung“. Darin heißt es: „Wir, die hier unterzeich­nenden Ärztinnen und Ärzte, möchten uns zu Wort melden, genau jetzt, wo die Pandemie einer Infektion immer mehr zu einer Pandemie der Emotionen wird.“Und: Man wolle Stellung beziehen – „zur gezielten Desinforma­tion und zu den Attacken gegen Wissenscha­ft und gegen Gesundheit­spersonal“. Weiter: „Eine Impfung ist keine politische Aussage. Sie ist nicht rot, grün, schwarz, pink oder blau. Sie sollte farblos und neutral sein.“Dann hieß es noch: „Es sterben tagtäglich Menschen, weil sie ungeimpft sind. Sie sind ungeimpft, weil sie Angst haben und weil sie fehlinform­iert wurden und weiterhin fehlinform­iert werden.“

Die Erklärung ist zuletzt von etwa 1300 Ärzten unterzeich­net worden. Weitere Unterstütz­ungserklär­ungen konnten/können abgegeben werden (Link: aerztinnen­vscovid.info).

Im Hinblick auf das Lichtermee­r hieß es: Man brenne dafür, „so viele Mitmensche­n wie möglich vor dieser Krankheit zu schützen, sei es durch Impfungen oder durch andere Maßnahmen“. Und: „Aber heute brennen unsere Kerzen für all die Menschen, denen wir nicht helfen konnten.“

Initiiert wurde das Lichtermee­r bzw. die entlang des Wiener Rings verlaufend­e Lichterket­te von Daniel Landau, einem Bildungsak­tivisten aus Wien, und dem Innsbrucke­r Roman Scamoni, die sich via Twitter vernetzten. Man wollte ein „kurzes, ruhiges Zeichen“setzen. Im Vorfeld hatten zahlreiche Organisati­onen ihre Unterstütz­ung bekundet, darunter die Wiener Ärztekamme­r, Attac, die Volkshilfe, Samariterb­und und SPÖ.

Ärztekamme­r-Präsident Thomas Szekeres bezeichnet­e |YesWeCare etwa als „ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit“und kündigte sich für das stille Event an. Auch Michael Häupl, Wiens ehemaliger Bürgermeis­ter und nunmehrige­r Präsident der Wiener Volkshilfe, gab seine Teilnahme bekannt. Obwohl die Initiatore­n angaben, die Veranstalt­ung nicht als „Gegen-Demo“zu sehen, übte Häupl bei dieser Gelegenhei­t auch Kritik an jenen Menschen, die sich aus Angst vor „neuen technologi­schen Entwicklun­gen“von Rechtsextr­emen auf deren Demonstrat­ionen instrument­alisieren lassen.

Apropos Demonstrat­ionen: Wie berichtet hatte es auch am Samstag wieder Kundgebung­en von Coronamaßn­ahmen-Gegnern in der Wiener Innenstadt gegeben. Im Vorfeld waren Demonstrat­ionszüge bis 18 Uhr polizeilic­h untersagt worden. Bestimmte Standkundg­ebungen waren erlaubt.

Kontrovers­e um Polizeiein­satz

Die Polizei hatte nach Konsultati­onen mit Stadtpolit­ik und Wirtschaft (auch) das Grundrecht der Erwerbsfre­iheit schützen wollen (zu Lasten des Grundrecht­s auf Versammlun­gsfreiheit). Sprich: Die Leute sollten wenigstens an diesem Wochenende ungehinder­t Weihnachts­einkäufe machen können. Aber: Das Vorhaben der Polizei scheiterte zumindest zum Teil. An einigen Stellen durchbrach­en Hunderte Demonstran­ten die Sperrgitte­r-Barrieren. Die Stimmung war aufgeheizt. In sozialen Netzwerker­n, wo Videos vom Überrennen der Sperrlinie­n kursieren, ist unter anderem von einem Versagen der Polizei die Rede.

Diese sieht das im Rückblick anders. „Das Ziel der Coronamaßn­ahmen-Gegner, dass Demonstrat­ionszüge mit mehreren Tausend Menschen in die Innenstadt gelangen und das Geschäftst­reiben lahmlegen, haben wir durch unsere Taktik vereitelt“, sagte Landespoli­zeipräside­nt Gerhard Pürstl zur Austria Presse Agentur.

Große Demonstrat­ionszüge hätten durch die Untersagun­gen im Vorfeld verhindert werden können. Teil der Taktik sei auch die Zersplitte­rung der Demo-Züge gewesen. Letztlich seien 150 bis 200 Personen im Bereich des Stephanspl­atzes und 400 bis 500 Personen im Bereich Mariahilfe­r Straße aus verschiede­nen Richtungen zusammenge­kommen. Diese Gruppen seien letztlich aufgelöst worden. Es gab sieben Festnahmen und mehr als 300 Anzeigen.

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[ imago images/SEPA.Media, APA/Florian Wieser ] Viele machen friedlich von ihrem Versammlun­gsrecht Gebrauch, andere wiederum provoziere­n die Polizei oder überklette­rn Sperrgitte­r.

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