Lichtermeer als Antwort auf Ausschreitungen
Kundgebungen. Eine Kette aus Kerzenlicht war als Kontrapunkt gegen schrille Coronademos gedacht. Am Samstag hatte die Polizei Probleme mit Demonstranten.
Wien. Man sollte mit Kerzen kommen, oder die in den Mobiltelefonen eingebauten Taschenlampen einschalten. Möglichst viele Menschen sollten sich Sonntagabend entlang der Wiener Ringstraße aufstellen, um im Rahmen der überparteilichen |YesWeCare-Initiative der mehr als 13.000 CoronaTodesopfer in Österreich zu gedenken. Und um dem Gesundheitspersonal Solidarität zu bekunden. Dies war das Ziel des für Sonntagabend angesetzten Lichtermeers in der Wiener Innenstadt.
Auch das Gesundheitspersonal selbst sandte am Sonntag eine Botschaft aus. Und zwar in Form einer „Lichtermeer-Erklärung“. Darin heißt es: „Wir, die hier unterzeichnenden Ärztinnen und Ärzte, möchten uns zu Wort melden, genau jetzt, wo die Pandemie einer Infektion immer mehr zu einer Pandemie der Emotionen wird.“Und: Man wolle Stellung beziehen – „zur gezielten Desinformation und zu den Attacken gegen Wissenschaft und gegen Gesundheitspersonal“. Weiter: „Eine Impfung ist keine politische Aussage. Sie ist nicht rot, grün, schwarz, pink oder blau. Sie sollte farblos und neutral sein.“Dann hieß es noch: „Es sterben tagtäglich Menschen, weil sie ungeimpft sind. Sie sind ungeimpft, weil sie Angst haben und weil sie fehlinformiert wurden und weiterhin fehlinformiert werden.“
Die Erklärung ist zuletzt von etwa 1300 Ärzten unterzeichnet worden. Weitere Unterstützungserklärungen konnten/können abgegeben werden (Link: aerztinnenvscovid.info).
Im Hinblick auf das Lichtermeer hieß es: Man brenne dafür, „so viele Mitmenschen wie möglich vor dieser Krankheit zu schützen, sei es durch Impfungen oder durch andere Maßnahmen“. Und: „Aber heute brennen unsere Kerzen für all die Menschen, denen wir nicht helfen konnten.“
Initiiert wurde das Lichtermeer bzw. die entlang des Wiener Rings verlaufende Lichterkette von Daniel Landau, einem Bildungsaktivisten aus Wien, und dem Innsbrucker Roman Scamoni, die sich via Twitter vernetzten. Man wollte ein „kurzes, ruhiges Zeichen“setzen. Im Vorfeld hatten zahlreiche Organisationen ihre Unterstützung bekundet, darunter die Wiener Ärztekammer, Attac, die Volkshilfe, Samariterbund und SPÖ.
Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bezeichnete |YesWeCare etwa als „ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit“und kündigte sich für das stille Event an. Auch Michael Häupl, Wiens ehemaliger Bürgermeister und nunmehriger Präsident der Wiener Volkshilfe, gab seine Teilnahme bekannt. Obwohl die Initiatoren angaben, die Veranstaltung nicht als „Gegen-Demo“zu sehen, übte Häupl bei dieser Gelegenheit auch Kritik an jenen Menschen, die sich aus Angst vor „neuen technologischen Entwicklungen“von Rechtsextremen auf deren Demonstrationen instrumentalisieren lassen.
Apropos Demonstrationen: Wie berichtet hatte es auch am Samstag wieder Kundgebungen von Coronamaßnahmen-Gegnern in der Wiener Innenstadt gegeben. Im Vorfeld waren Demonstrationszüge bis 18 Uhr polizeilich untersagt worden. Bestimmte Standkundgebungen waren erlaubt.
Kontroverse um Polizeieinsatz
Die Polizei hatte nach Konsultationen mit Stadtpolitik und Wirtschaft (auch) das Grundrecht der Erwerbsfreiheit schützen wollen (zu Lasten des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit). Sprich: Die Leute sollten wenigstens an diesem Wochenende ungehindert Weihnachtseinkäufe machen können. Aber: Das Vorhaben der Polizei scheiterte zumindest zum Teil. An einigen Stellen durchbrachen Hunderte Demonstranten die Sperrgitter-Barrieren. Die Stimmung war aufgeheizt. In sozialen Netzwerkern, wo Videos vom Überrennen der Sperrlinien kursieren, ist unter anderem von einem Versagen der Polizei die Rede.
Diese sieht das im Rückblick anders. „Das Ziel der Coronamaßnahmen-Gegner, dass Demonstrationszüge mit mehreren Tausend Menschen in die Innenstadt gelangen und das Geschäftstreiben lahmlegen, haben wir durch unsere Taktik vereitelt“, sagte Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl zur Austria Presse Agentur.
Große Demonstrationszüge hätten durch die Untersagungen im Vorfeld verhindert werden können. Teil der Taktik sei auch die Zersplitterung der Demo-Züge gewesen. Letztlich seien 150 bis 200 Personen im Bereich des Stephansplatzes und 400 bis 500 Personen im Bereich Mariahilfer Straße aus verschiedenen Richtungen zusammengekommen. Diese Gruppen seien letztlich aufgelöst worden. Es gab sieben Festnahmen und mehr als 300 Anzeigen.