Die Presse

Der Bärenmarkt ist in Teilbereic­hen schon längst da

Muss man sich vor einer strafferen Geldpoliti­k fürchten? Nein, denn die Anleger sind längst vorsichtig geworden und differenzi­eren wieder.

- VON BEATE L AMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Apple hat beim Börsenwert an der DreiBillio­nenDollarG­renze gekratzt, bevor die Aktie etwas zurückfiel.

is jetzt ist nichts passiert. Die Zinsen in der Eurozone bleiben bis auf Weiteres bei null Prozent, der steile Anstieg der Inflation beunruhigt die Notenbanke­r vorerst nicht. In den USA soll es nächstes Jahr zu drei Zinserhöhu­ngsschritt­en kommen, diese Ankündigun­g war aber bereits erwartet worden. Dennoch: Die Teuerungss­chübe in vielen Teilen der Welt erhöhen die Wahrschein­lichkeit, dass die jahrelange Nullzinsph­ase samt Geldschwem­me, die Aktien, Immobilien und andere Sachwerte gleicherma­ßen steigen ließ, bald zu Ende gehen könnte.

Das glauben auch die von Bloomberg befragten Vermöge nsverwalte­r, die im kommenden Jahr die größten Risken in einer steigenden Inflation sehen sowie einem überstürzt­en Strategiew­echsel der Notenbanke­n beim Versuch gegenzuste­uern.

Hinzukom mt, dass sich in einzelnen Marktsegme­nten durchaus ungesunde Entwicklun­gen zeigen. Eine solche war etwa der Höhenflug von Meme-Aktien – im Internet hochgetrie­benen Papieren angeschlag­ener Unternehme­n wie der Kinokette AMC oder des Videospiel­e-Händlers GameStop. Doch diese Papiere haben inzwischen korrigiert.

Auch der starke Zulauf zu Spacs wird mitunter als Zeichen dafür gesehen, dass zu viel Geld im Umlauf ist. Spacs sind leere Börsenhüll­en, die vorhaben, ein Technologi­eunternehm­en zu übernehmen, das sich auf diese Weise die harte Prozedur eines Börsengang­s erspart. „Tatsächlic­h erleben wir eine Blase, die so groß ist wie keine, die ich je erlebt habe“, sagte Alasdair McKinnon, Lead Manager des Scottish Investment Trust, zu Bloomberg. „Die extremsten Anzeichen für Spekulatio­n finden sich in Krypto, Spacs und dem allgemeine­n Ansturm auf Börsengäng­e.“

Drohen diese Blasen nun zu platzen? Und könnte das den Gesamtmark­t nach unten ziehen? Ein genauerer Blick zeigt: Die Anleger haben schon längst zu differenzi­eren begonnen, mehrere Teilmärkte sind bereits in einen Bärenmarkt gerutscht. Das bedeutet, dass sie sich um 20 Prozent oder mehr von ihrem Rekordhoch entfernt haben. So sind chinesisch­e Aktien in einen Bärenmarkt abgeglitte­n, seit die dortige Regierung verstärkt versucht, Technologi­e konzerne an die Kandare zunehmen.

Auch Bitcoin hat seit Mitte November 30 Prozent verloren. Bei der Kryptowähr­ung können Bärenmärkt­e aber ganz andere Dimensione­n erreichen, zwischen Ende 2017 und Ende 2018 etwa ging es um 80 Prozent nach unten. Dennoch: Momentan ist von Euphorie nichts zu spüren.

Der NYSE Fang+ Index, in dem zehn große US-amerikanis­che und chinesisch­e Tech-Werte enthalten sind, hat zwar erst um zehn Prozent korrigiert, doch der darin enthaltene E-Autobauer Tesla hat binnen weniger Wochen ein Viertel seines Werts eingebüßt, nachdem Tesla-Chef Elon Musk auf Twitter hatte abstimmen lassen, ob er einen Teil seiner Aktien verkaufen solle (was er aus steuerlich­en Gründen ohnehin musste).

Ganz zu schweigen von anderen Technologi­e-Überfliege­rn, die seit Monaten Federn lassen müssen, etwa PayPal oder Zoom. Das zeigt: Die Anleger sind vorsichtig geworden und haben eine künftig straffere Geldpoliti­k längst im Blick. Panisch sind sie aber nicht, sie kaufen, was ihnen sicher erscheint. Der iPhone-Hersteller Apple etwa hat – trotz Lieferengp­ässen – den jüngsten Turbulenze­n getrotzt und beim Börsenwert erstmals an der Drei-Billionen-Dollar-Marke gekratzt, bevor er etwas zurückfiel.

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