Weshalb das Marktumfeld 2022 kniffliger wird
Ausblick. Sowohl die globalen Börsen als auch die Private-BankingLandschaft stehen vor größeren Umbrüchen. ZKB-Österreich-Chef Hermann Wonnebauer sieht darin aber auch Chancen.
Wien. Das aktuelle Marktumfeld stellt vor allem vorsichtige Anleger auf die Probe, denn ausgerechnet ein Investment in Anleihen wird immer kniffliger. Der Grund für die unerfreuliche Entwicklung liegt in den steigenden Inflationsraten weltweit, ein Umstand, der die globalen Rentenmärkte zunehmend belastet. Allein im vergangenen November erreichte die Teuerung in der Eurozone 4,9 Prozent im Jahresvergleich, in den USA kletterte die Inflationsrate sogar auf 6,8 Prozent. Fix verzinste Papiere verlieren damit zunehmend an realem Wert, weil sie verglichen mit neuen höher verzinsten Papieren unattraktiver werden.
Für immer mehr Anleger ist solch eine Entwicklung deshalb auch Grund genug, sich von ihren Rentenpapieren zu trennen. Dies gilt insbesondere für sichere, besonders niedrig verzinste Anleihen. Aufgrund der zahlreichen Verkäufe in den vergangenen Monaten sind folglich die Kurse gesunken, ein Umstand, der sich wiederum in steigenden Renditen (aus Sicht der Käufer der Papiere) widerspiegelt.
Auf das Risiko achten
Der Abwärtstrend bei den Kursen wird im Zuge der Drosselung der umfangreichen Anleihekaufprogramme der Notenbanken dabei noch verstärkt. Denn damit fallen große Käufer vom Markt weg. Noch im November kaufte etwa die US-Notenbank Fed Papiere im Wert von 105 Milliarden Dollar. Im Frühjahr 2022 soll das Programm letztendlich auslaufen. Auch die EZB plant 2022 zumindest leichte Kürzungen.
Auf solide Anleihen sollten Anleger in einem Portfolio trotz des schwierigen Umfelds aber nicht gänzlich verzichten, mahnt Hermann Wonnebauer, Vorstandsvorsitzender der Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKB Oe), im Gespräch mit der „Presse“. Ein gewisser Anleiheanteil erhöhe die Liquidität und senke zugleich die Gesamtvolatilität. Wonnebauer sagt in diesem Zusammenhang auch, „dass in den meisten Fällen Anleger ihre Risikotoleranz überschätzen“. Wie rasch ein sicheres Polster wieder in den Fokus rücken kann, verdeutlichte Ende November etwa der Ausbruch der neuen
Corona-Mutante Omikron. Kurz davor notierten beispielsweise die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen bei minus 0,11 Prozent und waren damit – im Vergleich zum historischen Tief von minus 0,7 Prozent im August 2019 – bereits ein gutes Stück gestiegen.
Turbulenzen werden bleiben
Das Blatt wendete sich zuletzt aber wieder schlagartig, nachdem die ersten Omikron-Fälle auftauchten
– und die Nachfrage nach sicheren Häfen, zu denen auch deutsche Bundesanleihen zählen, schlagartig zunahm. Damit sanken deren Renditen wieder. Grundsätzlich setzt man bei der ZKB Oe derzeit aber verstärkt auf Aktien, vor allem aus den USA, verweist Wonnebauer auf die aktuelle Hausmeinung.
Das Wirtschaftswachstum jenseits des Atlantiks sei höher, die Infektionszahlen geringer. Börsenturbulenzen, wie sie jüngst von
den Omikron-Meldungen ausgelöst wurden, dürften allerdings auch im kommenden Jahr eine unerwünschte Begleiterscheinung bleiben. Wonnebauer meint, neue Corona-Mutationen können nicht ausgeschlossen werden. „Allerdings werden wir lernen, damit umzugehen.“
Langer Anlagehorizont
Der erfahrene Privatbanker will weitere Entwicklungen nicht überbewerten. Anleger sollten sich von einem Aktieninvestment jedenfalls nicht abschrecken lassen, mahnt Wonnebauer. Er rät in diesem Zusammenhang zu einem langfristigen Anlagehorizont. „Den richtigen Einstiegszeitpunkt an der Börse zu finden, gelingt den wenigsten Anlegern.“
Allein, Schwankungen an den Börsen sind nicht die einzigen Herausforderungen für die heimischen Privatbanker, sondern auch die Entwicklungen in der Bankenlandschaft selbst. Wonnebauer verweist etwa auf die steigenden regulatorischen Anforderungen als zunehmende Herausforderung. Deren Erfüllung erfordert unter anderem eine Menge Investitionen in Personal und eine entsprechende Software. Wonnebauer kann der wachsenden Regulierung aber auch Positives abgewinnen. „Sie führt zu mehr Schutz für Konsumenten, und das macht Bankgeschäfte für alle Seiten sicherer.“
Konsolidierung bei Banken
Auch die Konsolidierungswelle dürfte innerhalb der Private-Banking-Branche weiter rollen. Für großes Aufsehen sorgte etwa zu Jahresende 2020 die Übernahme des Private-Banking-Geschäftes der UBS Österreich durch die LGT Bank Österreich sowie kurz darauf die Übernahme der Credit-SuisseKunden in Österreich durch die Liechtensteinische Landesbank Österreich.
„Weitere Konsolidierungen sind möglich, das Spielfeld wird allerdings kleiner. Für Anleger bringt es eher Nachteile, da die Auswahl geringer wird“, konstatiert Wonnebauer. Alles in allem wird es voraussichtlich noch weitere Umbrüche – sowohl auf den globalen Märkten als auch in der PrivateBanking-Branche – geben. Anleger sollten die Entwicklungen jedenfalls gut im Auge behalten.
ZUR PERSON
Hermann Wonnebauer arbeitet seit dem Jahr 2011 für die Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKB Oe) und ist ebendort seit 2019 Vorstandsvorsitzender. Zuvor war der langjährige Privatbanker unter anderem für die ehemalige Bank Sal. Oppenheim jr. & Cie. (Österreich) sowie die Bank Vontobel (Österreich) tätig.