Kollegen geholfen: Studentin muss Strafe zahlen
Facebook. Eine Frau bot gratis von ihr gekaufte Lernvideos einer Firma an. Auch wenn die Filme auf der Arbeit Dritter fußten, war das verboten.
Wien. „Ich finde, die verdienen einfach zu gut .“Mit diesen Worten begründete eine WU-Studentin in einer Facebook-Gruppe, warum sie bereit sei, ihren Kollegen Lernhilfen per Mail zukommen zu lassen. Mit diesen Inhalten könne man „genau so lernen, als hätte man dem Unternehmen 40 € geschenkt“, schrieb die Studentin. Der in Hongkong sitzenden Firma gefiel dieses Facebook-Posting nicht. Was folgte, war ein Prozess um die Frage, inwieweit die Studentin zur Verantwortung gezogen werden kann. Denn das Unternehmen hatte gar kein Urheberrecht an den Unterlagen.
Die Firma bietet Onlinekurse an, mit denen sich Studenten der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) auf die Mathematikprüfung in der Studieneingangsphase vorbereiten können. Der Kurs besteht aus Videos, die der Geschäftsführer der Firma gedreht hat. Er rechnet darin 260 Mathematikbeispiele durch, dabei verwendet er eine Formelsammlung und zwei Tabellen, die er von der WU übernommen hat. 90 Prozent von Text und Schrift sowie den kompletten Lehrplan hatte der Anbieter aber von zwei WU-Professoren übernommen. Diese hatten im Wintersemester 2002/03 im Auftrag der Hochschülerschaft (ÖH) Live-Kurse angeboten. Weder die WU noch die Professore n hatten der Weitergabe dieser Inhalte zugestimmt.
Darauf stützte sich auch die Studentin in ihrer Argumentation. Das Unternehmen beute nur die Leistungen und das Material Dritter rechtswidrig aus, erklärte sie. Die Frau hatte die Inh alte im Jahr 2016 in zwei geschlossenen Facebook-Gruppen (eine mit 15.000, eine mit 2300 Mitgliedern) angeboten. Die Firma machte nun geltend, sie habe wegen der Studentin einen drastischen Umsatzrückgang erlitten. Die Frau solle deswegen – wegen Verletzung von Urheberrechten und des Vertrags – 15.000 Euro Schadenersatz zahlen. Die darin einberechnete Vertragsstrafe betrage 2000 Euro. Die Frau hatte viermal den Premium-Kurs bei dem Unternehmen gebucht. Dabei akzeptierte sie jeweils die AGBs, die diese Vertragsstrafe bei Verstößen normierten.
Anspruch auf Vertragsstrafe
Auf Urheber- oder Leistungsschutz könne sich die Firma aber nicht berufen, befand das Handelsgericht Wien. Denn es handle sich bei den angebotenen Inhalten um keine eigentümlichen geistigen Schöpfungen. Doch habe die Firma die Videos selbst erstellt. Sie habe daher ein Recht auf Unterlassung sowie Schadenersatz und einen Anspruch auf die Vertragsstrafe dem Grunde nach. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte dies.
Vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) machte die Studentin einen lateinischen Rechtsgrundsatz geltend: „Nemo auditur turpitudinem suam allegans.“Gemeint ist, dass niemand aus einer eigenen Unredlichkeit einen Vorteil ziehen können soll. Und deswegen habe das Unternehmen keine Ansprüche gegen sie, meinte die Studentin, weil es selbst unbefugt die Leistungen anderer ausbeute. Die Firma handle rechtsmissbräuchlich, der mit ihr für den Kurs geschlossene Vertrag sei sittenwidrig gewesen.
Das sah der OGH anders. Ein möglicher Eingriff der Firma in Urheberrechte der ÖH oder deren Mitarbeiter sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es gehe nur um das Verhältnis zwischen dem Unternehmen und der Studentin.
Und „die teilweise Übernahme fremder Leistungen führt auch nicht dazu, dass damit die gesamte Leistung der Klägerin gemeinfrei und die Beklagte von der Einhaltung ihrer Vertragsverpflichtungen befreit würde“. Schließlich habe das Unternehmen die von dritter Seite übernommenen Leistungen zu einem „Gesamtpaket“zusammengefasst. „Eine vergleichbare Vorgangsweise ist im Geschäftsverkehr durchaus üblich und auch nicht grundsätzlich rechtswidrig“, entschied der OGH (4 Ob 55/21y). Die Studentin muss somit zahlen; wie viel in sgesamt, ist noch gerichtlich zu klären.