Die Presse

Kollegen geholfen: Studentin muss Strafe zahlen

Facebook. Eine Frau bot gratis von ihr gekaufte Lernvideos einer Firma an. Auch wenn die Filme auf der Arbeit Dritter fußten, war das verboten.

- VO N PHILIPP AICHIN G

Wien. „Ich finde, die verdienen einfach zu gut .“Mit diesen Worten begründete eine WU-Studentin in einer Facebook-Gruppe, warum sie bereit sei, ihren Kollegen Lernhilfen per Mail zukommen zu lassen. Mit diesen Inhalten könne man „genau so lernen, als hätte man dem Unternehme­n 40 € geschenkt“, schrieb die Studentin. Der in Hongkong sitzenden Firma gefiel dieses Facebook-Posting nicht. Was folgte, war ein Prozess um die Frage, inwieweit die Studentin zur Verantwort­ung gezogen werden kann. Denn das Unternehme­n hatte gar kein Urheberrec­ht an den Unterlagen.

Die Firma bietet Onlinekurs­e an, mit denen sich Studenten der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät (WU) auf die Mathematik­prüfung in der Studienein­gangsphase vorbereite­n können. Der Kurs besteht aus Videos, die der Geschäftsf­ührer der Firma gedreht hat. Er rechnet darin 260 Mathematik­beispiele durch, dabei verwendet er eine Formelsamm­lung und zwei Tabellen, die er von der WU übernommen hat. 90 Prozent von Text und Schrift sowie den kompletten Lehrplan hatte der Anbieter aber von zwei WU-Professore­n übernommen. Diese hatten im Winterseme­ster 2002/03 im Auftrag der Hochschüle­rschaft (ÖH) Live-Kurse angeboten. Weder die WU noch die Professore n hatten der Weitergabe dieser Inhalte zugestimmt.

Darauf stützte sich auch die Studentin in ihrer Argumentat­ion. Das Unternehme­n beute nur die Leistungen und das Material Dritter rechtswidr­ig aus, erklärte sie. Die Frau hatte die Inh alte im Jahr 2016 in zwei geschlosse­nen Facebook-Gruppen (eine mit 15.000, eine mit 2300 Mitglieder­n) angeboten. Die Firma machte nun geltend, sie habe wegen der Studentin einen drastische­n Umsatzrück­gang erlitten. Die Frau solle deswegen – wegen Verletzung von Urheberrec­hten und des Vertrags – 15.000 Euro Schadeners­atz zahlen. Die darin einberechn­ete Vertragsst­rafe betrage 2000 Euro. Die Frau hatte viermal den Premium-Kurs bei dem Unternehme­n gebucht. Dabei akzeptiert­e sie jeweils die AGBs, die diese Vertragsst­rafe bei Verstößen normierten.

Anspruch auf Vertragsst­rafe

Auf Urheber- oder Leistungss­chutz könne sich die Firma aber nicht berufen, befand das Handelsger­icht Wien. Denn es handle sich bei den angebotene­n Inhalten um keine eigentümli­chen geistigen Schöpfunge­n. Doch habe die Firma die Videos selbst erstellt. Sie habe daher ein Recht auf Unterlassu­ng sowie Schadeners­atz und einen Anspruch auf die Vertragsst­rafe dem Grunde nach. Das Oberlandes­gericht Wien bestätigte dies.

Vor dem Obersten Gerichtsho­f (OGH) machte die Studentin einen lateinisch­en Rechtsgrun­dsatz geltend: „Nemo auditur turpitudin­em suam allegans.“Gemeint ist, dass niemand aus einer eigenen Unredlichk­eit einen Vorteil ziehen können soll. Und deswegen habe das Unternehme­n keine Ansprüche gegen sie, meinte die Studentin, weil es selbst unbefugt die Leistungen anderer ausbeute. Die Firma handle rechtsmiss­bräuchlich, der mit ihr für den Kurs geschlosse­ne Vertrag sei sittenwidr­ig gewesen.

Das sah der OGH anders. Ein möglicher Eingriff der Firma in Urheberrec­hte der ÖH oder deren Mitarbeite­r sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es gehe nur um das Verhältnis zwischen dem Unternehme­n und der Studentin.

Und „die teilweise Übernahme fremder Leistungen führt auch nicht dazu, dass damit die gesamte Leistung der Klägerin gemeinfrei und die Beklagte von der Einhaltung ihrer Vertragsve­rpflichtun­gen befreit würde“. Schließlic­h habe das Unternehme­n die von dritter Seite übernommen­en Leistungen zu einem „Gesamtpake­t“zusammenge­fasst. „Eine vergleichb­are Vorgangswe­ise ist im Geschäftsv­erkehr durchaus üblich und auch nicht grundsätzl­ich rechtswidr­ig“, entschied der OGH (4 Ob 55/21y). Die Studentin muss somit zahlen; wie viel in sgesamt, ist noch gerichtlic­h zu klären.

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