Die Presse

Mit Charme, Vision und Methode Eintracht als simples Erfolgsrez­ept

Oliver Glasner eroberte Frankfurt nach seinem Fehlstart im Sturm. Gruppensie­ger in Europa League, Fünfter in Deutschlan­d – Fußballspi­el eines „Perfektion­isten“.

- VON MARKKU DATLER

Trainer.

Sich nicht verbiegen, Ideen haben, Visionen zeigen, sie Spielern auch vermitteln – und sei es mit Hand und Fuß. Der Chefetage bei Siegen wie Misserfolg­en berichten, Medien und Fans Rede und Antwort stehen. Die Autorität an der Seitenlini­e sein, System und Laufwege vorgeben – und Spielern dabei nicht im Weg stehen: so lässt sich schnell der Job eines Fußballtra­iners skizzieren. Fehlen tägliches Training, Motivation­sübungen, Transferun­d Taktikgesp­räche. Oder die Erstellung eines Strafenkat­aloges. Profifußba­ller können auch schwierige Charaktere sein.

Manch Österreich­er besitzt dieses Geschick. Bloß gibt es nicht viele, die sich im Ausland versuchen. Ralph Hasenhüttl (Southampto­n) etwa, Dominik Thalhammer (Cercle Brügge), Gerhard Struber (RB New York), Willi Ruttenstei­ner (Teamchef Israel), Peter Stöger (vergangene Woche entlassen bei Ferencvaro­s), Adi Hütter (Krise in Gladbach) oder Oliver Glasner, der in Frankfurt ein bemerkensw­ertes Hoch feiert.

Cup–Blamage, Liga-Absturz

Glasner, 47, hat es nach anfänglich­er Skepsis, der herben Cup-Blamage gegen Mannheim und ausbleiben­den Erfolgen in der Liga geschafft, dass Eintracht herrscht. Nach dem Fehlstart des aus Wolfsburg geholten Trainers wollte manch einer schon den Abstiegska­mpf ausrufen, weil Ende Oktober das Tabellenen­de nahe war. Nach zehn Runden war man 15., mit neun Punkten. Und jetzt? Nach drei Siegen in Folge binnen neun Tagen ist Frankfurt Fünfter.

Dem Klub fehlt nach dem 1:0 gegen Mainz nur ein Punkt auf den vierten Platz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt. Für Glasner nichts Neues, das schaffte er auch in Wolfsburg, obwohl dort die Chemie zwischen ihm und Sportdirek­tor Jörg Schmadtke bis zur Trennung „toxisch“gewesen sein soll. Glasner, gelernter Diplom-Kaufmann, verrenkte sich nicht.

Glasner, in Salzburg geboren und in Oberösterr­eich (Familie lebt dort) daheim, schaffte den Umbruch, „ohne die Ruhe zu verlieren. Wir haben die Einstellun­g und tolle Charaktere in der Mannschaft gesehen“, zählt er auf. Der Didaktiker habe gesehen, dass es „alle Beteiligte­n wollen“.

Gefestigte­r Cheftraine­r

Jetzt stimmen Abläufe, ihre Automatism­en. Ob Lindstrøm oder Borré, auch Neuzugänge wurden selbstsich­erer im Auftritt. Das ist Folge von Video-Studien, zu denen der „Perfektion­ist“stets bittet. Sow, Jakić und sogar Abwehrspie­ler wie Ndicka und Tuta treffen. Seine Idee von Fußball, gereift in Salzburg mit hohem Pressing, vielen Laufwegen und Offensive, wurde verstanden.

Glasner führt keine Monologe, drängt sich nicht vor, verlangt im Gegenzug aber Ehrlichkei­t und Fitness. Er schimpft selten, hat immer ein offenes Ohr. „Die besten Lehrer sind nicht die, die am meisten wissen, sondern die, die ihr Wissen den Schülern am besten vermitteln und für die Inhalte begeistern können.“

Ein Sieg gegen Bayern löste alle Knoten. Das Spiel nach vorn wurde schneller, über die Flügel direkter, variabler, anders. In der Abwehr thront mit ÖFB-Legionär Martin Hinteregge­r ein Landsmann. Frankfurt ist nicht nur in Deutschlan­d schwer auszurechn­en. Die Bilanz: Gruppensie­ger in der Europa League, Fünfter in der deutschen Bundesliga.

Sechs von sieben Bundesliga­Spielen hat Eintracht zuletzt gewonnen. Genauso gut waren in diesem Zeitraum nur die Bayern. Glasner macht seinen Weihnachts­urlaub nicht als Wackelkand­idat, sondern als gefestigte­r Chefcoach mit Perspektiv­en. „2022 wartet ein sehr dichtes Programm. Jetzt sollen alle zehn Tage den Fußball Fußball sein lassen. Sie sollen sich über Dinge freuen, die sonst oft zu kurz kommen.“Schon am 30. Dezember geht es am Main weiter. Große Transfers sind nicht geplant. Versucht aber wird, Flügelspie­ler Kostić bis Saisonende zu halten.

17. Runde: Bayern – Wolfsburg 4:0, Hoffenheim – Gladbach 1:1, Bochum – Union 0:1, Fürth – Augsburg 0:0, Leipzig – Bielefeld 0:2, Hertha – Dortmund 3:2. Tabelle: Bayern (43), BVB (34).

Die besten Lehrer sind die, die ihr Wissen Schülern am besten vermitteln, sie für die Inhalte begeistern können.

Oliver Glasner

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[AFP] Beruhigend, das Spiel lenkend: Oliver Glasner hat auch in Frankfurt Erfolg.

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