Eine Bohrmaschine auf Zeit
Bibliothek der Dinge. Um Ressourcen zu sparen, wird im Leihladen Wien seit 2014 verliehen statt verkauft. Nun suchen die Gründer jedoch Nachfolger.
Die Bohrmaschine ist unser Dauerbrenner“, erzählt Mae Schwinghammer. „Aber auch Küchengeräte, wie etwa der Entsafter, funktionieren sehr gut.“Das kleine Lager im Geschäft in Wien Ottakring ist voll mit allerhand Gegenständen. Sie stehen bereit, um von einem neuen Benutzer abgeholt zu werden. Denn es handelt sich hier nicht um einen Baumarkt oder ein Geschäft für Küchenzubehör, sondern um den Leihladen Wien, kurz Leila, auch „Bibliothek der Dinge“genannt.
Ähnlich einer Bücherei werden etwa 250 Gegenstände, von Mopskostüm bis Zuckerwattemaschine, gegen eine geringe Tagesgebühr (die Bohrmaschine gibt es etwa um 1,50 Euro pro Tag) zum Verleih angeboten. Der Grundgedanke ist, dadurch Geld, Platz und Ressourcen zu sparen.
Ein junges Team, zu dem auch Mae zählt, betreibt den Verein ehrenamtlich. Die Vision: Ein Leihladen in jedem Grätzel – und ein neues Team zu finden. Denn den Gründern fehlen inzwischen die zeitlichen Ressourcen, um das Projekt weiterzuführen.
Berliner Vorbild
„Viele haben einen Vollzeitjob, manche gehen weg, machen einen Doktor. Leider ist keine Zeit mehr da, den Leila so zu betreiben, wie wir das gern möchten“, erzählt Mae. Für die neuen Betreiber gebe es dabei bereits einen entscheidenden Vorteil: „Wir haben schon ein eingespieltes System für die Gegenstände im Lager, mit Regal- und Fachnummern. Man muss also nicht bei null anfangen.“
Etwas, das das damalige Gründerteam nur zu gut kennt. Vor sieben Jahren, im Jahre 2014, eröffneten sie den Leihladen Wien – zu dieser Zeit erst der zweite Europas. Vorbild war der Berliner Leihladen. „Die Idee wurde dann für Wien kopiert“, erzählt Mae. Gestartet haben sie schließlich mit einem Laden in der Herbststraße. „Da hatten wir noch über 700 Leihgegenstände. Einige davon haben aber gar keinen Sinn ergeben, wie beispielsweise ein Meerschweinchenkäfig.“
Inzwischen befindet sich der Verein in einer neuen Räumlichkeit in der Grundsteingasse – die Gegenstände haben sie aber deutlich, auf etwa 250, reduziert. Drei Viertel von diesen wurden gespendet oder geliehen, durch Crowdfunding-Kampagnen konnten aber auch eigens Dinge angeschafft werden. Zwischen 20 und 30 davon werden „in starken Wochen“verliehen. Welche, ist saisonal unterschiedlich. „Im Sommer ist es vor allem Campingzubehör, im Frühling sind Werkzeuge für Do-it-yourself-Projekte beliebt“, so Mae. Und: Besonders in Pandemiezeiten erfuhr der Laden ein Hoch. Obwohl von fünf Öffnungstagen auf zwei reduziert wurde, haben sich die Einnahmen um 20 bis 30 Prozent erhöht. „Im Lockdown waren die Baumärkte zu, die Leute hatten weniger Geld und teilweise mehr Zeit“, vermutet Mae.
Über die Jahre stellte das Team auch unterschiedliche Arten von Nutzern – es gibt rund 700 aktive Mitglieder – fest. So gebe es jene, die eine bestimmte Sache zu speziellen Anlässen brauchen, dann seien da noch die „Heavy User“. „Die borgen viel aus, haben häufig Projekte und kommen alle paar Monate vorbei“, so Mae.
Der Wunsch der Leila-Betreiber ist, dass es in jeder Nachbarschaft einen Leihladen gibt. Dafür sei man auch in Gesprächen mit Bauträgern, um diese in neue Wohnprojekte zu integrieren – ein schwieriges Unterfangen. Denn die Gesellschaft sei mit dem Gedanken sozialisiert worden, etwas selber besitzen zu wollen. „Es geht ein bisschen gegen das, was wir gelernt haben. Aber es wird immer wertvoller, möglichst wenig zu besitzen. Denn Wohnraum wird immer knapper und teurer“, sagt Mae.
Wehmut vor dem Abschied
Wenn Mae von dem Leihladen spricht, schwingt auch ein Hauch von Wehmut mit. Denn die Gruppe muss den Laden im April nächsten Jahres schließen, wenn sie keine Nachfolger findet, darauf hat man sich intern geeinigt.
Das wäre sehr schade, findet Mae. „Es ist einfach so eine nette Sache. Und es entstehen schöne Geschichten dabei.“So habe etwa ein Mädchen ihrem Partner für einen Monat einen E-Bass geschenkt, um das Instrument ausprobieren zu können. „So ist aus dem Leila-Artikel ein Geburtstagsgeschenk geworden“, erzählt Mae. Wenn es nach dem Team geht, dann sind sowohl diese Geschichten, als auch die Geschichte des Leihladens noch nicht zu Ende – neue Betreiber könnten sie weiterschreiben.