Die ideale Komödie für interessante Zeiten
Theater. Alexandra Liedtke hat voller Elan Oscar Wildes Lustspiel „Der ideale Mann“in Elfriede Jelineks bissiger Übertragung inszeniert. Das Ensemble tobte sich aus.
Halten Sie, geneigte Liebhaber der gepflegten britischen Gesellschaftskomödie, Lady Chiltern, diese durch und durch edle, der reinen Fantasie des irischen Spötters Oscar Wilde entsprungene Figur, für eine ideale Ehefrau? Ist es glaubwürdig, dass sie ihren Gatten, den Politiker Sir Robert Chiltern, für makellos hält? Selbst dann noch, als längst verdrängte Manipulationen des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt offenbar werden, die diesen Aufsteiger einst reich und mächtig gemacht haben? Dann sollten Sie sehen, wie Silvia Meisterle zum Höhepunkt des Dramas James Browns Hit „It’s a Man’s Man’s Man’s World“singt – inbrünstig, geradezu gefährlich enthemmt. Danach weiß man garantiert: Es gibt kein richtiges Leben in dieser falschen Society. Und hinter jedem idealen Mann, mag er noch so vielversprechend scheinen, steht eine entsprechende Frau. Oder ein Mann.
So gestelzt wie bei einer Modenschau
Diese Umstände sind offenbar zeitlos, denn nur so kann es sein, dass „An Ideal Husband“, 1895 im Haymarket Theatre uraufgeführt, selbst heute noch so wirkt, als ob es zu aktuellen politischen Zuständen geschrieben wurde. Dazu bedarf es allerdings einer intelligenten Regie und eines gut abgestimmten Ensembles. Beides ist im Theater in der Josefstadt der Fall, wie sich bei der Premiere am Samstag erwies. Alexandra Liedtke hat behutsam inszeniert. Sie ist mit Anspielungen auf die Gegenwart sparsam umgegangen und hat sich vor allem darauf verlassen, dass ein Dutzend Schauspielerinnen und Schauspieler des Hauses das tun, was sie am besten können – souverän bewährte Gesellschaftskomödien zelebrieren. Dazu tanzen sie auch, bieten artistische Einlagen und treten zuweilen so gestelzt auf wie bei einer Modenschau, in den eleganten bis schrillen Kostümen von Johanna Lakner.
Das Kraftfeld des symmetrischen Vierakters wurde fein angelegt, der scharfe Ton von Elfriede Jelineks Nachdichtung genau getroffen. Michael Dangl als smarter Sir Robert Chiltern liefert sich im Verlauf des zweieinhalbstündigen Abends mit den anderen Protagonisten herrliche Wortgefechte. Das erste ihn schwer belastende hat er bald mit Mrs. Cheveley (Martina Stilp). Diese Außenseiterin will ihn erpressen, für eine weitere politische Übeltat gewinnen – die Empfehlung des von ihm bisher abgelehnten HyperAlpen-Kanals. Als Druckmittel hat sie einen inkriminierenden alten Brief. Hier treffen sich zur Korruption bereite Manager der Macht auf Augenhöhe. Stilp ist beim Framing der Machenschaften höchst authentisch – ein Schelm, wer da an den einen oder anderen neueren Volksvertreter denkt.
Mindestens so intensiv sind die ausführlichen Dialoge mit Lady Chiltern. Meisterle und Dangl turnen sich geradezu durch diese Szenen. Abenteuerlich akrobatisch sind dabei auch manche Satzkonstruktionen. Als Sir Roberts Schuld bereits ganz offensichtlich ist, als er bereits so viele Whiskys gekippt hat, dass man dies als ein Schuldeingeständnis betrachten könnte, sagt er zu ihr: „In meiner Vergangenheit gibt es nichts, was du wissen solltest.“Wer würde damit nicht sofort die Chats von gestern in den Sozialen Medien von heute assoziieren? Ja, ganz kurz blitzt auch ein Bezug zum Bundeskanzleramt in Wien auf, dessen Jünger gelegentlich Festplatten vernichten ließen: Als an anderer Stelle vom verfänglichen Brief geredet wird, heißt es, ob er nicht „geschredd . . .“– pardon, wohl eher verbrannt – worden sei.
It-Girls, Lords und stumme Diener
Aber derartige Aktualitätsbezüge sind hier rar. Zeitgeistig ist nur der Rahmen, zu dem auch ein Erzähler gehört, der immer wieder einzelne Charaktere und Situationen wie bei einer Charade erklärt. Philip Rubner hat die Drehbühne großzügig und geradlinig ausgestattet, ideal für rasche Szenenwechsel. Eingangs wird in der geräumigen Wohnung der Chilterns zu modernen Beats Party gemacht. Da können sich Anna Laimanee und Lisa Weidenmüller als It-Girls, Tobias Reinthaller als Vicomte, Elfriede Schüsseleder als reifere Lady und Michael Schönborn als tattriger Lord Caversham produzieren. Da gibt es keinen Schwachpunkt, selbst die Rollen der merkwürdigen, meist stummen, immer etwas unheimlichen Diener (Markus Kofler und Paul Matić) sind prima besetzt.
Eine der auffälligsten Figuren fast von Beginn an ist ein weiterer Protagonist, der nach dem Muster von Wilde geschneidert sein könnte: Matthias Franz Stein spielt den Dandy Lord Goring – mehr an Slimfit als bei dessen Anzug geht nicht. Kein Wunder, dass sich dieser junge Mann bald entkleidet, belastende Briefe in seiner blütenweißen Unterhose versteckt, einmal sogar zum hörbaren Erstaunen des Publikums nackt über die Bühne geht. Passt doch zur Figur! Goring ist der Clown, der die nackte Wahrheit sagt. Er ist offen für Zärtlichkeiten, die er mit Männern und Frauen austauscht. Dass er Sir Roberts Schwester (Katharina Klar spielt hinreißend mit ihm) heiraten wird, scheint Zufall zu sein. Es könnte jede(n) treffen.
Das Ende von Komödien kann man gar nicht spoilern. Alles bleibt besser. Aber wie geht sie wirklich aus? Wie gehabt und immer wieder neu. Praktisch jeder kann eine rotweißrote Schärpe verpasst bekommen, die ihn oder sie zum Minister macht. Es findet sich immer wieder ein passender Kanal. Um bei diesem Reigen ideal mittanzen zu dürfen, muss man nur beweglich sein.
Die nächsten Termine im Theater in der Josefstadt:
25., 26. und 31. Dezember, 1., 2., 5., 6., 19. und 21. Jänner.