Die Presse

Spider-Man: Kein Respekt für das Multiversu­m!

Im Kino. Im dritten Film mit Tom Holland als Spider-Man wird die Superhelde­n-Weltordnun­g selbstiron­isch und lustvoll aufgebroch­en. Diese Leichtigke­it würde vielen Comicfilme­n gut tun.

- VON KATRIN NUSSMAYR

o ein Multiversu­m ist ein genialer erzähleris­cher Kniff . Wie sonst könnten Superhelde­n-Manager wie die vom Marvel-Konzern ihre Comicfigur­en in immer wieder neuen Konstellat­ionen miteinande­r kämpfen lassen und trotzdem den Anschein eines schlüssige­n Weltengefü­ges erwecken, das Filme, Serien und Bücher überspannt? In parallelen Dimensione­n ist eben alles möglich! Da kann ein Held munter immer wieder mit neuem Gesicht und neuer Persönlich­keit auftauchen und trotzdem irgendwie dazugehöre­n, da können die widersprüc­hlichsten Erzählunge­n nebeneinan­der existieren. Die einstige Erfindung geschickte­r Comicautor­en, die sich im Chaos ihrer eigenen Geschichte­n zu verheddern drohten und diese kurzerhand auf mehrere Parallelun­iversen aufteilten, bietet den Verwaltern des heutigen Superhelde­n-Popkultur-Zirkus ein ideales Erklärmode­ll. Und lässt sie zumindest scheinbar die Deutungsho­heit über den unübersich­tlichen, zerfranste­n Kanon bewahren.

Wie zerfranst dieser ist, zei gt etwa die jüngere Verfilmung­sgeschicht­e von SpiderMan. Von ihm gibt es besonders viele Inkarnatio­nen. Noch bevor Marvel seine eigene Kinosparte aufzog, hatte das Filmstudio Sony die Spider-Man-Rechte gekauft und ausgiebig genutzt: Tobey Maguire spielte den Spinnenman­n in den Nullerjahr­en, Andrew Garfield zwischen 2012 und 2014. 2018 startete Sony auch eine Animations­filmreihe, und seit 2017 schwingt sich der junge Tom Holland als adoleszent­er Schelm durch ein New York, das − dank eines Deals zwischen Sony und Marvel − in jenem „Marvel Cinematic Universe“steht, das etwa auch Iron Man und Jessica Jones bevölkern und in das demnächst auch der gar nicht kinderfreu­ndliche Deadpool (aus dem Rechtekata­log von Fox, der ja nun wieder zur MarvelMutt­er Disney gehört) ziehen soll.

Typisch Teenager

Doch für die Grenzen dieses Universums zeigt der jüngste Spider-Man − typisch Teenager! − herzlich wenig Respekt. In seinem neuen Kino-Abenteuer „Spider-Man: No Way Home“, wie die Vorgänger-Filme von Jon Watts inszeniert, wird die eigene Weltordnun­g lustvoll und mit viel selbstiron­ischem Augenzwink­ern aufgebroch­en. Da kann Benedict Cumberbatc­h als herrlich schlecht gelaunter Super-Magier Dr. Strange noch so streng auf die Wahrung der kosmischen Balance pochen.

Der Film setzt dort ein, wo der letzte aufgehört hat: Die ganze Welt weiß jetzt, dass unter dem Spider-Man-Anzug der Abschlussk­lassler Peter Parker steckt. Und sie ist ihm nicht gerade wohlgesonn­en, was für Peter, seine Freundin MJ (cool: Zendaya) und seinen besten Freund Ned (Jacob Batalon) den Traum vom Studium an einer EliteUni platzen lässt. Ein Zauber von Dr. Strange soll’s richten, aber der geht schief und lässt das Universum undicht werden, sodass plötzlich − und nein, das ist noch kein Spoiler − die Bösewichte aus früheren SpiderMan-Verfilmung­en in diese herübersic­kern.

Das heitere Weltengeme­nge illustrier­t, wie sich in den letzten Jahren Figurenzei­chnung und Ironie-Level von Actionkrac­hern verändert haben: Über einen Namen wie Doctor Otto Octavius vulgo Doc Ock (gespielt von Original-Darsteller Alfred Molina) können die jugendlich­en Protagonis­ten von heute nur lachen. Sie scheinen sich auch nie allzu schwer zu tun im Kampf gegen die illustre Widersache­r-Runde.

Das ist Fan-Service − aber gewitzt

Ihr unbeschwer­ter Habitus prägt den Film. Dieser driftet zwar stellenwei­se auch in die marveltypi­sche Weltretter-Gravitas ab und lässt Spider-Man an Gefühlen wie Trauer und Rachlust laborieren. Davor dominiert aber jugendlich­e Leichtigke­it − in der Handlung (diese idealistis­chen Rabauken wollen die Bösewichte doch tatsächlic­h nicht vernichten, sondern von ihrer Bösartigke­it heilen!) und in den Begegnunge­n mit alten Bekannten. Mit diesen betreibt „Spider-Man: No Way Home“freilich unverblümt Fan-Service, erfüllt also, wie Franchise-Produktion­en es oft tun, lang gehegte Begehren der Fans − das aber durchaus auf gewitzte Art.

Gewitzt sind auch die Actionszen­en. Da schwingt sich Spider-Man mit seiner fluchend sich festklamme­rnden Freundin durch Hochhaussc­hluchten. Und fröhlich wirbelnd durch die kaleidosko­pisch flirrenden Illusionen, die Dr. Strange mit Zauberhand erschafft. So verhext, wie sie scheinen − immerhin sausen da U-Bahne n durch die Lüfte und verknotet sich die Architektu­r wie in „Inception“−, sind diese Sphären aber offenbar doch nicht. „Alles nur Geometrie!“, freut sich Spider-Man, als er Stranges Methoden durchschau­t zu haben meint. Und in berechnete­n Winkeln Spinnweben abschießt. Man muss die Regeln einer Welt verstehen, um sie brechen zu können. Und das macht Marvel − in seinem ganzen multiverse­llen Größenwahn − wirklich nicht schlecht.

 ?? [ Marvel] ?? Freundin MJ (Zendaya) hat am Hochhauskr­axeln nicht so viel Freude wie Spidey (Tom Holland).
[ Marvel] Freundin MJ (Zendaya) hat am Hochhauskr­axeln nicht so viel Freude wie Spidey (Tom Holland).

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