Stolpersteine für die Impfpflicht
Anfang Februar soll die Impfpflicht in Kraft treten. Doch es gibt erhebliche Einwände – politisch wie fachlich.
Wien. Am Montag endete die Begutachtungsfrist für die Impfpflicht. Zehntausende Stellungnahmen sind eingegangen.
1 Hält die politische Einigung auf die Verpflichtung zur Impfung?
Regierung und SPÖ haben sich bei der Landeshauptleutekonferenz am 19. November auf die Impfpflicht verständigt. Doch die Zustimmung der Sozialdemokraten bröckelt jetzt. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist zwar immer noch dafür, ihr wichtigster Gegenspieler, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, ist aber schon umgeschwenkt: Er führt den enormen Verwaltungsaufwand als Gegenargument ins Treffen und plädiert für eine indirekte Impfpflicht, indem PCR-Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig werden. Weitere SPÖ-Landespolitiker haben sich dem angeschlossen: Der Tiroler Parteichef Georg Dornauer spricht sich für eine Verschiebung aus, man solle sich nach der Omikron-Welle mit Sozialpartnern und Experten erneut an einen Tisch setzen. Der Salzburger SPÖChef David Egger spricht von „handwerklichem Pfusch“, dem er im Bundesrat seine Zustimmung verweigern werde.
Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne bleiben aber auf Kurs: Man wolle am Fahrplan festhalten, sagte ÖVP-Klubchef August Wöginger am Montag. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) beharren auf der Impfung. Für die Einführung benötigt die Koalition die SPÖ nicht: Seit der Oberösterreich-Wahl kann die Opposition auch im Bundesrat keine Gesetze verzögern.
2 Ist die Verwaltung in der Lage, die Impfpflicht umzusetzen?
Zumindest eine Verzögerung erscheint wahrscheinlich: Die Elga GmbH, die für die technische Umsetzung über das Impfregister sorgen soll, hat bereits angekündigt, dass dies frühestens mit 1. April möglich sein wird. Das Gesundheitsministerium will trotzdem am Zeitplan festhalten. Wie dann die Kontrolle der Impfpflicht funktionieren soll? „Details zu etwaigen Kontrollen sind aktuell noch in Abstimmung und werden zeitnah kommuniziert“, heißt es dazu in einer Stellungnahme des Ministeriums.
Problematisch könnte die Umsetzung aber auch in Bezug auf die Verwaltungsverfahren werden. Der Dachverband der Verwaltungsrichter schätzt, dass der Personalstand an den Verwaltungsgerichten verdoppelt werden müsste, um Verfahren in dem Ausmaß abwickeln zu können, wie in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf prognostiziert wird. Wobei die Richter diese Prognose infrage stellen: Sie glauben, dass es deutlich mehr Verfahren geben wird und dass diese aufwendiger sind als angenommen.
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Sorgt die Omikron-Variante dafür, dass die Impfpflicht unzulässig wird?
An sich sind Impfpflichten laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zulässig. Doch nur, wenn damit auch wichtige öffentliche Ziele erreicht werden. Und ein solches ist es, die Überlastung der Spitäler zu verhindern. Je milder die Omikron-Variante verläuft und je mehr Leute die Krankheit wegen der hohen Übertragungsrate bereits durchlebt haben und immun sind, desto weniger lässt sich aber eine Impfpflicht rechtfertigen. Überdies muss die Impfung auch wirksam sein, damit ihr Einsatz gerechtfertigt ist. Gegen Omikron nutzen die aktuellen Impfstoffe aber weniger als gegen Delta.
Unterm Strich gehen Verfassungsjuristen jedoch davon aus, dass eine Impfpflicht aus heutiger Sicht weiter gerechtfertigt wäre. Denn Dreifachgeimpfte seien auch jetzt gegen die Omikron-Variante gut geschützt. Zudem wollen die Pharmafirmen ihre Impfung Bezug nehmend auf die neue Variante adaptieren, um neu Geimpfte besser zu schützen. Und auch Omikron ist bezüglich des Krankheitsverlaufs und damit der Spitalsbelegung nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn viele Menschen gleichzeitig infiziert werden. Die Zulässigkeit der Impfpflicht können am Ende aber nur der Verfassungsgerichtshof und darauf folgend der EGMR beurteilen.