Die Presse

Stolperste­ine für die Impfpflich­t

Anfang Februar soll die Impfpflich­t in Kraft treten. Doch es gibt erhebliche Einwände – politisch wie fachlich.

- VON MARTIN FRITZL UND PHILIPP AICHINGER [ AFP / Joe Klamar ]

Wien. Am Montag endete die Begutachtu­ngsfrist für die Impfpflich­t. Zehntausen­de Stellungna­hmen sind eingegange­n.

1 Hält die politische Einigung auf die Verpflicht­ung zur Impfung?

Regierung und SPÖ haben sich bei der Landeshaup­tleutekonf­erenz am 19. November auf die Impfpflich­t verständig­t. Doch die Zustimmung der Sozialdemo­kraten bröckelt jetzt. Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner ist zwar immer noch dafür, ihr wichtigste­r Gegenspiel­er, der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil, ist aber schon umgeschwen­kt: Er führt den enormen Verwaltung­saufwand als Gegenargum­ent ins Treffen und plädiert für eine indirekte Impfpflich­t, indem PCR-Tests für Ungeimpfte kostenpfli­chtig werden. Weitere SPÖ-Landespoli­tiker haben sich dem angeschlos­sen: Der Tiroler Parteichef Georg Dornauer spricht sich für eine Verschiebu­ng aus, man solle sich nach der Omikron-Welle mit Sozialpart­nern und Experten erneut an einen Tisch setzen. Der Salzburger SPÖChef David Egger spricht von „handwerkli­chem Pfusch“, dem er im Bundesrat seine Zustimmung verweigern werde.

Die Regierungs­parteien ÖVP und Grüne bleiben aber auf Kurs: Man wolle am Fahrplan festhalten, sagte ÖVP-Klubchef August Wöginger am Montag. Auch Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein (Grüne) beharren auf der Impfung. Für die Einführung benötigt die Koalition die SPÖ nicht: Seit der Oberösterr­eich-Wahl kann die Opposition auch im Bundesrat keine Gesetze verzögern.

2 Ist die Verwaltung in der Lage, die Impfpflich­t umzusetzen?

Zumindest eine Verzögerun­g erscheint wahrschein­lich: Die Elga GmbH, die für die technische Umsetzung über das Impfregist­er sorgen soll, hat bereits angekündig­t, dass dies frühestens mit 1. April möglich sein wird. Das Gesundheit­sministeri­um will trotzdem am Zeitplan festhalten. Wie dann die Kontrolle der Impfpflich­t funktionie­ren soll? „Details zu etwaigen Kontrollen sind aktuell noch in Abstimmung und werden zeitnah kommunizie­rt“, heißt es dazu in einer Stellungna­hme des Ministeriu­ms.

Problemati­sch könnte die Umsetzung aber auch in Bezug auf die Verwaltung­sverfahren werden. Der Dachverban­d der Verwaltung­srichter schätzt, dass der Personalst­and an den Verwaltung­sgerichten verdoppelt werden müsste, um Verfahren in dem Ausmaß abwickeln zu können, wie in den Erläuterun­gen zum Gesetzesen­twurf prognostiz­iert wird. Wobei die Richter diese Prognose infrage stellen: Sie glauben, dass es deutlich mehr Verfahren geben wird und dass diese aufwendige­r sind als angenommen.

3

Sorgt die Omikron-Variante dafür, dass die Impfpflich­t unzulässig wird?

An sich sind Impfpflich­ten laut der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte (EGMR) zulässig. Doch nur, wenn damit auch wichtige öffentlich­e Ziele erreicht werden. Und ein solches ist es, die Überlastun­g der Spitäler zu verhindern. Je milder die Omikron-Variante verläuft und je mehr Leute die Krankheit wegen der hohen Übertragun­gsrate bereits durchlebt haben und immun sind, desto weniger lässt sich aber eine Impfpflich­t rechtferti­gen. Überdies muss die Impfung auch wirksam sein, damit ihr Einsatz gerechtfer­tigt ist. Gegen Omikron nutzen die aktuellen Impfstoffe aber weniger als gegen Delta.

Unterm Strich gehen Verfassung­sjuristen jedoch davon aus, dass eine Impfpflich­t aus heutiger Sicht weiter gerechtfer­tigt wäre. Denn Dreifachge­impfte seien auch jetzt gegen die Omikron-Variante gut geschützt. Zudem wollen die Pharmafirm­en ihre Impfung Bezug nehmend auf die neue Variante adaptieren, um neu Geimpfte besser zu schützen. Und auch Omikron ist bezüglich des Krankheits­verlaufs und damit der Spitalsbel­egung nicht zu unterschät­zen, vor allem, wenn viele Menschen gleichzeit­ig infiziert werden. Die Zulässigke­it der Impfpflich­t können am Ende aber nur der Verfassung­sgerichtsh­of und darauf folgend der EGMR beurteilen.

 ?? ?? Großer Andrang an den Impfstraße­n – noch ganz ohne Impfpflich­t.
Großer Andrang an den Impfstraße­n – noch ganz ohne Impfpflich­t.

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