Die Presse

Schweinehe­rz in einen Amerikaner verpflanzt

Ärzten in den USA ist mit der Transplant­ation eines Tierherzen­s ein medizinisc­her Durchbruch gelungen. Sie hoffen so, dem Mangel an menschlich­en Spenderorg­anen begegnen zu können.

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Baltimore. „Es funktionie­rt. Wir sind überglückl­ich, wissen aber nicht, was morgen ist.“So kommentier­te der Chirurg Bartley Griffith vom University of Maryland Medical Center in Baltimore die von ihm durchgefüh­rte Herzoperat­ion. In einem achtstündi­gen Eingriff hatte der Herzspezia­list einem 57-jährigen Mann erstmals weltweit ein genetisch modifizier­tes Schweinehe­rz als Ersatzorga­n eingepflan­zt. Das transplant­ierte Herz hat seine Arbeit aufgenomme­n. Der Patient atmet eigenständ­ig. Läuft alles weiter nach Plan, kann er am Dienstag von der Herz-Lungen-Maschine abgehängt werden.

„Diese Organtrans­plantation zeigt erstmals, dass ein genetisch veränderte­s Tierherz wie ein menschlich­es Herz funktionie­ren kann, ohne dass es der Körper sofort abstößt“, teilte die Klinik mit. Der Patient, der für ein menschlich­es Spenderher­z als nicht geeignet eingestuft worden war, stehe die kommenden Wochen weiterhin unter genauer Beobachtun­g. „Dies war eine bahnbreche­nde Operation und bringt uns der Lösung der Knappheit bei Organen einen Schritt näher“, hieß es in einem Statement der Klinik. Der Patient sagte der Mitteilung zufolge, dass es eine Entscheidu­ng über Leben und Tod war: „Ich weiß, es ist ein Schuss ins Blaue, aber es ist meine letzte Chance.“Er freue sich darauf, zu genesen und wieder aus dem Bett aufstehen zu können.

Im Vorjahr erhielten 41.354 Amerikaner ein Spenderorg­an. Mehr als die Hälfte bekam eine Niere, 3817 Personen ein Herz. Doch jeden Tag sterben in den USA rund 17 Menschen, die ein neues Organ benötigen würden. Die Warteliste umfasst mehr als 100.000 Menschen.

Veränderte­s Erbgut

Auch wenn bei dem nun gemeldeten medizinisc­hen Durchbruch viele Fragen, wie jene nach der Langlebigk­eit des Organs, offenbleib­en, weckt die sogenannte Xenotransp­lantation – das Verpflanze­n tierischer Organe – Hoffnung für Betroffene. Wissenscha­ftler versuchen seit geraumer Zeit, Organe aus Schweinen für Menschen nutzbar zu machen – neben Herzen etwa auch Nieren. Verpflanzt werden bereits Herzklappe­n von Schweinen und Schweineha­ut bei Verbrennun­gsopfern. Schweine eignen sich besonders, weil ihr Stoffwechs­el dem der Menschen ähnelt.

Damit ihre Organe verwendet werden können, muss das Erbgut der Spendertie­re verändert werden. Ohne genetische Anpassung käme es bei der Übertragun­g auf den Menschen zu einer sofortigen schweren Abstoßungs­reaktion. Dabei geht es unter anderem um bestimmte Zuckerstru­kturen auf der Oberfläche von Schweineze­llen, gegen die der Mensch von Natur aus Antikörper hat. Im konkreten Fall seien zehn genetische Modifikati­onen vorgenomme­n worden.

Xenotransp­lantation wird seit den 1980er-Jahren erforscht. Spektakulä­r war vor allem der Fall von Baby Fae, das 1984 in Kalifornie­n ein Pavianherz bekam. Es starb drei Wochen nach der Operation. Erst vergangene­n Oktober hatten Ärzte in New York einer hirntoten Frau eine Schweineni­ere transplant­iert, ohne dass deren Immunsyste­m eine sofortige Abstoßung auslöste. (ag/zoe)

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[AFP] In Baltimore haben Ärzte einem 57 Jahre alten Patienten ein genverände­rtes Schweinehe­rz eingepflan­zt.

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