Die Presse

Corona-Maßnahmen könnten Grippewell­e erneut verhindern

Bisher wurden nur vereinzelt Fälle registrier­t. Ein starker Anstieg ist aber noch möglich, wie ein Blick ins europäisch­e Ausland zeigt.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wien. Nachdem die Grippesais­on vergangene­s Jahr wegen der im Winter fast durchgängi­g gültigen Corona-Maßnahmen ausgeblieb­en war, wurden auch in dieser Saison bisher nur sporadisch Infektione­n mit dem Influenzav­irus registrier­t. Zunächst Ende Dezember und fast nur bei Rückkehrer­n aus dem Urlaub. Mittlerwei­le treten aber auch vermehrt Fälle auf, die nicht reiseassoz­iiert sind. Das Virus zirkuliert also schon in der Bevölkerun­g.

Ist das nun der Beginn einer Grippewell­e, die wie üblich im Laufe des Jänners entsteht und bis in den April andauert? „Normalerwe­ise wäre von genau so einer Entwicklun­g auszugehen, aber wegen der strengen FFP2-Maskenpfli­cht, die ja auch in der Schule während des Unterricht­s gilt, kann es in diesem Jahr auch anders kommen“, sagt Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie der Med-Uni Wien. „Ein erneutes Ausbleiben der Grippewell­e ist ebenso möglich wie eine starke epidemisch­e Aktivität, die in anderen europäisch­en Ländern wie beispielsw­eise Russland, Norwegen, Schweden, Frankreich, Albanien und dem Kosovo schon zu beobachten ist.“

Abhängen werde das vor allem von der Einhaltung der aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronaviru­s-Pandemie. Dass sie die Ausbreitun­g des Influenzav­irus und anderer Erkältungs­viren verhindern können, habe nicht nur die vergangene Saison gezeigt, sondern auch der dreiwöchig­e Lockdown im November und Dezember. Die Aktivität des bis dahin grassieren­den Respirator­ischen Synzytial-Virus (RSV), das bei Erwachsene­n oft nur harmlose Atemwegser­krankungen verursacht, bei Säuglingen und Kleinkinde­rn aber schwere Bronchitis und Lungenentz­ündungen auslösen kann, wurde nachhaltig gebremst. Mittlerwei­le werden fast keine Ansteckung­en mehr mit diesem Erreger verzeichne­t.

Ein Virusstamm dominiert

Sollte die sich in weiten Teilen Europas aufbauende Grippewell­e demnächst auch auf Österreich überschwap­pen, steht mit A(H3N2) der dominieren­de Stamm jedenfalls schon fest. Rund 99 Prozent der bisher dokumentie­rten Infektione­n sind darauf zurückzufü­hren. „Das würde bedeuten, dass insbesonde­re die ältere Bevölkerun­g, etwa in den Altersund Pflegeheim­en, geschützt werden muss, weil dieser Stamm vor allem bei ihnen schwere Verläufe auslöst“, sagt Redlberger-Fritz.

Wie hoch die Impfquote in dieser und anderen Altersgrup­pen ist, teilten die Behörden noch nicht mit. In den vergangene­n Jahren betrug sie stets acht bis zehn Prozent, in der Saison 2020/2021 stieg sie auf 21 Prozent, weil die Bevölkerun­g mit Nachdruck aufgeforde­rt wurde, sich impfen zu lassen, damit es in den Spitälern zu keiner Doppelbela­stung mit dem Influenzau­nd Coronaviru­s kommt. Irgendwo zwischen den beiden Werten dürfte die Quote derzeit liegen.

Quarantäne­regeln „notwendig“

In der Debatte um die Sinnhaftig­keit der neuen Quarantäne­regeln für Corona-Infizierte sowie deren Kontaktper­sonen spricht sich Redlberger-Fritz für, wie sie sagt, Pragmatism­us aus. Die Lockerunge­n – positiv Getestete dürfen sich nach fünf Tagen freitesten, dreifach Geimpfte werden nicht mehr als Kontaktper­sonen eingestuft – hält sie für alternativ­los, weil sich sonst zu viele Menschen gleichzeit­ig in Quarantäne befinden und es spätestens Ende Jänner zu einem „indirekten Lockdown“kommen würde. Dann nämlich, wenn beispielsw­eise keine Supermärkt­e offengehal­ten werden können.

„Als Virologin versuche ich, über den virologisc­hen Tellerrand hinauszubl­icken, und bin für machbare Lösungen“, sagt sie. „Die Änderung der Quarantäne­regeln bedeutet für einige natürlich, dass sie sich leichter anstecken können, aber die aktuelle Situation macht sie notwendig. Zudem gibt es mit der FFP2-Maske eine einfache, billige und wirksame Maßnahme, um sich zu schützen.“

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