Vermeintlicher Killer war Polizist
Wegen versuchter Anstiftung zum Mord stand der Tschetschene Musa C. (52) vor den Geschworenen. C. soll versucht haben, einen Killer zu finden. Und geriet an einen Ermittler.
Wien. Ging es um Blutrache – oder war alles nur ein Spiel? Der Tschetschenien-Flüchtling Musa C. stand am Dienstag in Wien vor Gericht. Wegen versuchter Anstiftung zum Mord. Der 52-Jährige soll im Mai 2021 versucht haben, einen Auftragskiller anzuheuern.
Dieser sollte ein enLandsmann eliminieren, der per YouTube-Videokanal das tschetschenische Regime, aber auch die Familie von Musa C. beleidigt haben soll. Was C. nicht wusste: Bei dem vermeintlichen Killer handelte es sich um einen verdeckten Ermittler der slowakischen Polizei.
Der Angeklagte kam, wie er sagt, „als Kriegsflüchtling“2004 mit seiner Familie nach Österreich. Richterin Sonja Weis fragte, ob Musa C. inzwischen wieder in seinem Heimatland gewesen sei. Dieser bejahte: „Ich habe 2016 meine Mutter besucht.“Mit der aktuellen tschetschenischen Führung, also mit Ramsan Kadyrow, habe er „kein Problem“. Auf die Frage, was er beruflich mache, gab C. an, er lebe, so wie auch seine Frau, „von der Mindestsicherung“.
Verteidiger Peter Philipp erklärte, sein Mandant bekenne sich nicht schuldig. C. bestreite die Gespräche mit dem verdeckten Ermittler nicht. Dies hätte auch keinen Sinn, da die Dialoge aufgezeichnet wurden. Aber C. habe nicht ernst gemeint, was er sagte.
Der Angeklagte selbst – er wurde von nicht weniger als neun Justizwachebeamten in den Saal geführt – erklärte den Geschworenen, er habe Lunte gerochen; er habe angenommen, dass der Mann, der sich als Polizist entpuppte, „ein Spiel mit mir spielt“. Jedenfalls hatte es zwei Treffen auf einem Parkplatz in Simmering gegeben. Die vom Verfassungsschutz vorgelegten Protokolle lesen sich allerdings nicht so, als ob C. nur „spielen“wollte. Er zeigte dem vermeintlichen Auftragskiller ein Foto des Opfers und bot für dessen Tod erst 500.000, dann 50.000 Euro. Außerdem bestellte er auch eine bestimmte Todesart: Der ExilTschetschene sollte in einem Auto sitzend in die Luft gejagt werden.
Dies bestätigte der Ermittler, der mit einer weit hochgezogenen FFP2-Maske und einer schwarzen Kappe (und damit unkenntlich) per Video als Zeu ge in den Gerichtssaal zugeschaltet wurde. C. habe ihm damals gesagt: „Ich will, dass ihm der Kopf abgerissen wird. Er ist der Teufel. Ich will, dass nichts von ihm übrig bleibt.“
Welche Beleidigung dieser Exil-Tschetschene denn ausgestoßen habe, wollte der Drei-RichterSenat wissen. Darauf meinte der Angeklagte: „Er h atm eine Mutter, meine Frau und meine Tochter beleidigt.“Richterin Weis erklärte, der Wortlaut sei wichtig, damit sich die Geschworenen ein Bild machen könnten. Was tat C.? Er wies seinen im Publikum sitzenden erwachsenen Sohn aus dem Gerichtssaal. Erst dann gab er preis, dass der Blogger obszöne Bemerkungen gemacht habe. Was denn die angemessene Reaktion auf solche Beleidigungen in der tschetschenischen Community sei, wollte der Richter-Senat wissen. Und erfuhr von dem 52-Jährigen, dass die Familie des Bloggers geächtet werden sollte. Und: „Vielleicht würde jemand den Beleidiger töten. Aber ich bin in Österreich. Ich will jetzt nichts sagen.“
Der Video-Blogger selbst gab an, er habe angenommen, dass C. mit dem Mord an Mamichan U. (siehe Artikel unten) zu tun gehabt habe. Das Video habe er lanciert, weil er von C. gekränkt worden sei.
Letztlich fiel das (nicht rechtskräftige) Urteil überraschend aus: Die Geschworenen sprachen C. einstimmig frei. Sie glaubten dem Mann, dass er die Gespräche mit dem Ermittler nicht ernst gemeint habe.
Er hat meine Mutter beleidigt. Das ist nach unserer Mentalität schlimmer als Mord.
Der Angeklagte Musa C.