Die Presse

Früher Atomaufsic­ht, jetzt Atomkraftg­egner

Vier ehemals leitende Vertreter in der Atomaufsic­ht ihrer Länder (USA, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d) treten gegen Atomkraftw­erke auf: Sie seien „weder sauber noch sicher oder smart“. Und zu langsam.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Wien. Mit klaren Worten melden sich vier Männer zu Wort, die früher Chefs von Atomaufsic­hts- und Energiebeh­örden in den USA, Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d gewesen sind. Die früheren Atomkraftb­efürworter sprechen sich klar gegen Atomkraft aus.

In einem Communiqué, das mit vorigem Freitag datiert ist, sprechen Greg Jaczko, Wolfgang Renneberg, Bernard Laponche und Paul Dorfman der Atomkraft ab, eine stärkere Rolle in der Energiever­sorgung im Kontext der Klimakrise spielen zu können.

Jaczko wurde 2009 für drei Jahre Chef der US-Atomaufsic­ht NRC, Renneberg war elf Jahre lang Leiter der Abteilung „Reaktorsic­herheit, Strahlensc­hutz und Entsorgung“der deutschen Atomaufsic­ht. Laponche war unter anderem bei Planung und Bau der ersten französisc­hen Atomkraftw­erke dabei; Paul Dorfman im Atomsicher­heitsKomit­ee Großbritan­niens.

In ihrem Statement heißt es unter anderem: „Im Zentrum steht die Frage, ob Atomkraft in der Klimakrise behilflich, ob sie wirtschaft­lich ist, welche Konsequenz­en Unfälle haben, wie man mit dem Atommüll umgehen soll“– und ob dies angesichts der vorhandene­n erneuerbar­en Energieträ­ger sinnvoll sei.

„Die zentrale Botschaft, die immer wieder wiederholt wird, die neue Generation der AKW sei sauber, sicher, smart und billig, ist Fiktion“, heißt es im Statement, in dem sich die vier auch als „Schlüssele­xperten“bezeichnen, „die an der Front der Nuklearene­rgie“tätig gewesen seien. „Die Realität ist, dass Atomkraft weder sauber noch sicher oder smart ist, sondern eine hochkomple­xe Technologi­e – mit dem Potenzial, erhebliche­n Schaden anzurichte­n. Nuklearene­rgie ist nicht billig, sondern extrem teuer.“Teurer als Erneuerbar­e.

Und sie sei daher auch nicht geeignet, irgendein Energiepro­blem in der Klimakrise zu lösen: „Um einen relevanten Beitrag dazu zu leisten, wären abhängig vom Design Zehntausen­de von Reaktoren nötig.“Die Energie sei außerdem „zu teuer und zu riskant für den Finanzmark­t“, nicht nachhaltig (fehlendes Endlager), ein militärisc­hes Risiko (Verbreitun­g waffenfähi­gen Materials), in Bezug auf neue Reaktortyp­en (Small Modular Reactor) unausgegor­en und insgesamt zu komplex, um effiziente Anleitunge­n für Bau und Betrieb zu erstellen.

Jaczko hat in einem öffentlich­en Auftritt im Vorjahr an die Zeit nach der AKW-Katastroph­e in Fukushima (Erdbeben, Tsunami, Kernschmel­ze; 2011) erinnert und gemeint, dass „so ein Unfall auch in den USA“geschehen könne.

Wolfgang Renneberg erläuterte: „Schöne Geschichte­n, die uns die Atomindust­rie da erzählt; aber eben nur Geschichte­n. Keine einzige Behauptung hält einer Überprüfun­g stand.“Er hofft, dass es zu einem Gespräch mit der EU-Kommission komme. „Wir sind jedenfalls bereit dazu.“

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