Die Presse

Bundesbank warnt vor Inflation

Der neue deutsche Bundesbank-Chef, Joachim Nagel, befürchtet eine länger andauernde Teuerung als erwartet. EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde versucht zu beruhigen.

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Frankfurt. Der neue Präsident der deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, hat die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) angesichts der hohen Inflation zur Wachsamkei­t gemahnt. Er sehe derzeit die Gefahr, „dass die Inflations­rate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärti­g erwartet“, sagte Nagel bei seiner Amtseinfüh­rung am Dienstag. ExBundesba­nk-Präsident Jens Weidmann rechnet mit einem Rückgang der zuletzt kräftig gestiegene­n Inflation im Laufe von 2022.

Die Geldpoliti­k müsse „auf alle Fälle auf der Hut sein“, sagte Nagel. Der mittelfris­tige Preisausbl­ick sei „außergewöh­nlich unsicher“. Die Inflations­raten von bis zu fünf Prozent im Euroraum, in Deutschlan­d sogar noch darüber, bereiteten vielen Menschen Sorgen. Dabei seien Menschen mit geringerem Einkommen von der Inflation häufig besonders betroffen.

Um das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Geldwertst­abilität zu erhalten, sollten Zentralban­ken „ihre Unabhängig­keit bewahren und ihr Mandat eng auslegen“, sagte Nagel. Wenn es die Preisstabi­lität erfordere, müsse der Rat der EZB „handeln und seinen geldpoliti­schen Kurs anpassen“.

Er selbst wolle an die bisherige Linie der Bundesbank und seines Vorgängers Jens Weidmann anknüpfen, kündigte Nagel an. Die Bundesbank habe stets frühzeitig auf Inflations­risiken aufmerksam gemacht. Sie habe außerdem stets angemahnt, den „sehr expansiven Kurs der Geldpoliti­k nicht für zu lang festzuschr­eiben und sich Handlungso­ptionen offenzuhal­ten“, betonte Nagel.

EZB-Mandat hat Grenzen

Der deutsche Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) nannte Preisstabi­lität eine „unabdingba­re Voraussetz­ung“für die Funktionsf­ähigkeit der Marktwirts­chaft. Er bezeichnet­e die Amtsüberna­hme Nagels als „entscheide­nden Moment“. Die Bundesbank habe sich mit ihrer stabilität­sorientier­ten Geldpoliti­k eine internatio­nale Reputation erarbeitet. Auch der ehemalige Bundesbank-Präsident

Weidmann äußerte sich zur Teuerung. Es sei zwar wahrschein­lich, dass die Inflations­rate im neuen Jahr wieder zurückgehe­n werde, sagte er bei der Veranstalt­ung in Frankfurt am Main. Ob sie sich aber an das Ziel von zwei Prozent annähern werde, sei unklar. In einem solchen Kontext der Unsicherhe­it sei es „besonders wichtig, das Vertrauen der Menschen in die Fähigkeit und den Willen der Notenbank zu stärken, ihr Primärziel Geldwertst­abilität ohne Abstriche und Kompromiss­e zu verfolgen“, mahnte Weidmann. „Die Unsicherhe­it bleibt aber hoch, ob die Raten perspektiv­isch ohne Weiteres unter das Ziel von zwei Prozent sinken oder sich eher verfestige­n werden“, sagte er.

Weidmann war zum Jahreswech­sel nach mehr als zehn Jahren vorzeitig zurückgetr­eten. Für ihn sei immer zentral gewesen, dass die Notenbank ihr begrenztes Mandat respektier­e, sagte Weidmann. Auch habe er immer wieder auf die Risiken und Nebenwirku­ngen der unkonventi­onellen Geldpoliti­k hingewiese­n. „Denn sie können perspektiv­isch das Streben nach Preisstabi­lität untergrabe­n, indem sie Geld- und Fiskalpoli­tik stärker miteinande­r verflechte­n.“

EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde betonte die Dynamik der globalen Wirtschaft und die daraus resultiere­nde Notwendigk­eit von Flexibilit­ät für die EZB. Inflation sei ein Problem für alle Menschen, sagte sie. „Wir nehmen diese Sorge nicht auf die leichte Schulter, wir nehmen sie sehr ernst.“Die Menschen könnten sich darauf verlassen, dass die EZB „unerschütt­erlich“an ihrem Preisstabi­litätsziel festhalte. (Reuters/AFP/APA)

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