Jason verrät seine Medea in der Talkshow
Der Mythos von der Kindsmörderin als vergnügliches Kinderstück? Das Theater Rabenhof macht’s möglich.
Will man Kindern unterhaltsam den Medea-Mythos näherbringen, türmt sich ein Hindernis auf, und das ist das Ende: Die Frau bringt ja ihre eigenen Kinder um . . . Als im Rabenhof vor einigen Jahren eine köstliche „Nibelungen“-Bearbeitung gezeigt wurde, waren am Ende fast alle tot, es war ein einziges (gegenseitiges) Männerschlachten. Das junge Publikum aber war wenig schockiert – es kommt halt doch darauf an, wer humoristisch unter die Erde gebracht wird . . .
Der antike Mythos hat im Rabenhof ein anderes, cleveres Ende. Medeas Kinder gibt es hier gar nicht. Dafür König Pelias, der neben der Strandbar auf einem Badewärter-Aufsichtsstuhl thront, mit einer Kette aus Gummientchen um den Hals. Als Neffe Jason mit dem geraubten Goldenen Vlies und seiner Helferin Medea zurückkommt und nicht wie versprochen den Thron dafür bekommt, landet Pelias dank der zauberkundigen Medea zerstückelt im Kochtopf. Dort hat ihn ausgerechnet Pelias’ engster Vertrauter hinbefördert, im Glauben, das sei eine Verjüngungskur. Leider wird Medea die Beseitigung des fiesen Königs nicht gedankt, sie und Jason fliehen mit dem Vlies zu König Kreon.
Mythen-Spaß statt forcierter Moral
Der macht aus Jason einen Talkshowstar, um Korinth touristisch aufzupolieren, und verspricht ihm einen Dichter, der seine Story unsterblich macht: Homer vielleicht – oder nein, doch lieber Euripides. Der nette, naive Jason lässt sich das gern gefallen: Unter Mithilfe von Kreons schöner Tochter Glauke als Moderatorin tischt er eine Heldenstory auf, in der Drachenzähne und Erdkrieger vorkommen – Medea aber nicht. Diese „Wilde“steht nun endgültig allen im Weg. Aber sie hat von Anfang an die Sympathien des Publikums und behält sie am Ende auch: als weise, gewaltfrei Strafende.
Missverständnisse, vor allem sprachspielerisch erzeugt, schmieren diese vortreffliche Ensemble-Arbeit, die jüngste in Roman Freigaßner-Hausers „Classics vor Kids“-Reihe. Sie profitiert davon, dass sie nie forcierte moralische Belehrung, sondern die Freude am Spiel mit Geschichten triumphieren lässt. Medea erscheint zwar als Verkörperung des Unbehagen weckenden, für unkultiviert gehaltenen Fremden – aber die „Moral von der Geschicht“bleibt dennoch Nebensache.
Die nächsten Aufführungen: 12., 13., 29., 30. Jänner, 1. und 2. Februar, Rabengasse 3, 1030 Wien