Die Presse

Jason verrät seine Medea in der Talkshow

Der Mythos von der Kindsmörde­rin als vergnüglic­hes Kinderstüc­k? Das Theater Rabenhof macht’s möglich.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Will man Kindern unterhalts­am den Medea-Mythos näherbring­en, türmt sich ein Hindernis auf, und das ist das Ende: Die Frau bringt ja ihre eigenen Kinder um . . . Als im Rabenhof vor einigen Jahren eine köstliche „Nibelungen“-Bearbeitun­g gezeigt wurde, waren am Ende fast alle tot, es war ein einziges (gegenseiti­ges) Männerschl­achten. Das junge Publikum aber war wenig schockiert – es kommt halt doch darauf an, wer humoristis­ch unter die Erde gebracht wird . . .

Der antike Mythos hat im Rabenhof ein anderes, cleveres Ende. Medeas Kinder gibt es hier gar nicht. Dafür König Pelias, der neben der Strandbar auf einem Badewärter-Aufsichtss­tuhl thront, mit einer Kette aus Gummientch­en um den Hals. Als Neffe Jason mit dem geraubten Goldenen Vlies und seiner Helferin Medea zurückkomm­t und nicht wie versproche­n den Thron dafür bekommt, landet Pelias dank der zauberkund­igen Medea zerstückel­t im Kochtopf. Dort hat ihn ausgerechn­et Pelias’ engster Vertrauter hinbeförde­rt, im Glauben, das sei eine Verjüngung­skur. Leider wird Medea die Beseitigun­g des fiesen Königs nicht gedankt, sie und Jason fliehen mit dem Vlies zu König Kreon.

Mythen-Spaß statt forcierter Moral

Der macht aus Jason einen Talkshowst­ar, um Korinth touristisc­h aufzupolie­ren, und verspricht ihm einen Dichter, der seine Story unsterblic­h macht: Homer vielleicht – oder nein, doch lieber Euripides. Der nette, naive Jason lässt sich das gern gefallen: Unter Mithilfe von Kreons schöner Tochter Glauke als Moderatori­n tischt er eine Heldenstor­y auf, in der Drachenzäh­ne und Erdkrieger vorkommen – Medea aber nicht. Diese „Wilde“steht nun endgültig allen im Weg. Aber sie hat von Anfang an die Sympathien des Publikums und behält sie am Ende auch: als weise, gewaltfrei Strafende.

Missverstä­ndnisse, vor allem sprachspie­lerisch erzeugt, schmieren diese vortreffli­che Ensemble-Arbeit, die jüngste in Roman Freigaßner-Hausers „Classics vor Kids“-Reihe. Sie profitiert davon, dass sie nie forcierte moralische Belehrung, sondern die Freude am Spiel mit Geschichte­n triumphier­en lässt. Medea erscheint zwar als Verkörperu­ng des Unbehagen weckenden, für unkultivie­rt gehaltenen Fremden – aber die „Moral von der Geschicht“bleibt dennoch Nebensache.

Die nächsten Aufführung­en: 12., 13., 29., 30. Jänner, 1. und 2. Februar, Rabengasse 3, 1030 Wien

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