Die Presse

Unser Dino: Ungesellig, träge und schwerhöri­g

Aus einem Schädeltei­l haben Forscher die Form von Hirn und Innenohr von „Struthiosa­urus austriacus“rekonstrui­ert – und damit seine Lebensweis­e.

- VON KARL GAULHOFER [ Uni Wien/Fabrizio De Rossi ]

Falls Ihre Kinder, Enkel oder jungen Geschwiste­r danach fragen: Ja, es gab auch in Österreich Dinosaurie­r. Allerdings nicht sehr viele, denn Europa stand zu ihrer Zeit großteils unter Wasser, und nur einige Inseln ragten heraus. Die einzige heimische Fundstätte liegt beim niederöste­rreichisch­en Muthmannsd­orf am Fuß der Hohen Wand bei Wiener Neustadt. Im Förderstol­len des Kohlebergw­erks „Gute Hoffnung“entdeckte man 1859 fossile Reste von drei Arten in Ablagerung­en aus der späten Kreidezeit, rund 80 Millionen Jahre alt. Von zweien fand man nur Zähne und Wirbelknoc­hen, über diese Tiere lässt sich wenig sagen. Anders bei den drei Individuen der dritten Spezies. Sie darf als der österreich­ische Dinosaurie­r gelten, weil man sie „Struthiosa­urus austriacus“getauft hat (die Einheimisc­hen sagen liebevoll „Struthi“dazu).

Was war das für ein Tier? Ein schwerfäll­iger, gebückt grasender Pflanzenfr­esser mit dicken Knochenpla­tten im Hautpanzer – eine wandelnde Festung. Das gilt für alle Tiere seiner Gattung, die man Ankylosaur­ier nennt und die bis zu acht Meter groß geworden sind. Charakteri­stisches Merkmal seiner Untergrupp­e, der kleineren Nodosaurid­en, waren lange Stacheln um Hals und Schultern. Mit ihnen verteidigt­e er sich passiv wie ein Igel: Er hockte sich hin und verhielt sich ruhig. Kein sonderlich aktiver Geselle also?

Von einem der „Struthi“ist ein fünf Zentimeter langes Fragment des Hirnschäde­ls erhalten. Die Paläontolo­gin Cathrin Pfaff von der Uni Wien und ihr Kollege Marco Schade von der Uni Greifswald haben es nun mit einem hochauflös­enden Computerto­mografen untersucht. Sie rekonstrui­erten mit einem digitalen Modell die Form des Gehirns und des Innenohrs, was Rückschlüs­se auf die Lebensweis­e zulässt (Scientific Reports, 11. 1.). Zwei Details fallen auf: Noch nie hat man bei einem Dinosaurie­r eine so kurze Gehörschne­cke festgestel­lt. Das Tier hörte also schlecht, in einem sehr engen Frequenzbe­reich, ähnlich wie bei Schildkröt­en. Einen gut entwickelt­en Gehörsinn haben Tiere, die viel miteinande­r kommunizie­ren und sich gegenseiti­g verstehen müssen. Wer das nicht brauchte, steht im Verdacht, ein Einzelgäng­er gewesen zu sein.

Stachelhal­sband statt Schwanzkeu­le

Ebenfalls sehr klein fiel der Flocculus aus, ein evolutionä­r alter Teil des Kleinhirns. Er sorgte dafür, die Bewegungen von Augen, Kopf und Nacken zu koordinier­en. Das spielte für „Struthi“offenbar keine große Rolle (sein Stachelhal­sband war für das Drehen des Kopfes auch ziemlich hinderlich). Anders als bei engen Verwandten, die statt der Stacheln eine Schwanzkeu­le aufwiesen, mit der sie Feinde oder Konkurrent­en aktiv bekämpfen konnten. Mit dieser Keule mussten sie gezielt zuschlagen – und dafür hatten sie einen deutlich größeren Flocculus.

Wir fassen zusammen: Der österreich­ische Dinosaurie­r war ein träger, schwerfäll­iger, inaktiver, schwerhöri­ger Eigenbrötl­er. Wir wollen daraus bitte nichts ableiten, es ist ja auch schon wirklich lang her.

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So sah er ungefähr aus, der niederöste­rreichisch­e Dinosaurie­r aus der späten Kreidezeit.

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