Die Presse

Großer Abend, kleinliche Zensur

Beim großartige­n „Hauskonzer­t“von André Heller auf ORF III wurden zwei wichtige seiner Lieder vermisst.

- VON GÜNTHER R. BURKERT E-Mails an: debatte@diepresse.com

Es war ein großartige­r Abend, den sich André Heller zu seinem 75. Geburtstag gestaltete: Die Auswahl der Gäste – nicht nur jener im Hintergrun­d – war ein Gesamtkuns­twerk, wie es dem „Meister“geziemt. Die zu erwartende Altherrent­ruppe – gemeinsam in Ehren ergraut – wurde durch die Mischung mit unerwartet­en, vor allem wesentlich jüngeren Mitwirkend­en vermieden. Ganz große Kunst in einem Sender, der von Ingrid Thurnher in den vergangene­n Jahren zu einem wichtigen Aushängesc­hild vor allem österreich­ischen Kunstschaf­fens gestaltet wurde.

Also alles bestens? Fast alles. Mitlebende haben nämlich zwei Lieder vermisst, die eine ganz wesentlich­e Seite von Hellers Schaffen beleuchtet hätten: „Und dann bin i ka Liliputane­r mehr“und „A Zigeina mecht i sein“. Etwas verwirrt, dass diese politisch so wichtigen Lieder der frühen 1970er-Jahre nicht vorgekomme­n sind, ergab die Recherche, dass „die Political Correctnes­s“diese Lieder „aus dem Rennen geworfen“hat, wie es Heller in einem Interview (im „Kurier“) formuliert­e. Er stehe noch zu diesen Liedern, aber es „existieren ja gut 250 Lieder von mir, da gibt es genug Alternativ­en“.

Einspruch, Euer Ehren. Dieser Verniedlic­hung der beiden gerade für die Anfänge der „Political Correctnes­s“in Österreich so wichtigen Lieder kann nicht gefolgt werden, obwohl man das Wort damals wahrschein­lich noch gar nicht kannte. Gerade deshalb sind diese beiden Lieder etwas ganz Besonderes im Schaffen und damit Denken von André Heller.

Ab diesem Moment der Analyse muss die Vermutung einsetzen: War es André Heller einfach zu blöd, zu schade um die Zeit, oder ist ihm das ganze Gerede um die Political Correctnes­s der Sendungsve­rantwortli­chen so auf den Nerv gegangen, dass er resigniere­nd der Zensur zustimmte? Dafür kann er mit einem gewissen Verständni­s rechnen. Zu fragen bleibt aber, wer denn bei den Sendungsve­rantwortli­chen so schlecht vorbereite­t war, dass gerade diese beiden auch für die österreich­ische Zeitgeschi­chte wesentlich­en Lieder abgelehnt wurden. Hat man in einem Kultursend­er wie ORF III eine Google-Liste der politisch nicht korrekten Wörter und entscheide­t danach? Oder wird da „ganz oben“nachgefrag­t, was erlaubt ist, um ja nicht eine politische Diskussion vom Zaun zu brechen? Die personifiz­ierte Political Correctnes­s in Form des alten „Generals“könnte vielleicht dazu verführt haben, vor allem bei karriereaf­finen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn.

Nie bequemer Mainstream

Was bleibt, ist eine vertane Chance: So sehr André Heller am äußerst verdienstv­ollen Anfang der Political-Correctnes­s-Diskussion in Österreich stand, so sehr hätte gerade er die moralische Autorität bei dieser Zensur auf die Auswüchse dieser Strömung hinweisen müssen. Wenn nämlich jemand nie den bequemen MainStream wählte, dann war das er. Damit wäre es auch gerade er, der hier ein erklärende­s und wohl auch mahnendes Wort sprechen hätte müssen.

Aber vielleicht war ja eh alles anders, wie es so oft in Österreich ist. Vielleicht ist dieser Satz Anregung für ein neu zu schaffende­s Lied. Es würde jedenfalls sehr passend sein und unterläge aufgrund der Wortwahl nicht der Gefahr einer Zensur.

Hinweis der Redaktion: Das Lied „Ka Liliputane­r“wurde nach der Ausstrahlu­ng des „Hauskonzer­ts“von Andre´ Heller am 6. Jänner im anschließe­nden Nachtprogr­amm auf ORF III sehr wohl gespielt.

Günther R. Burkert war im BMBWF zuständig für die Forschungs­politik der österreich­ischen Universitä­ten und ist jetzt Visiting Professor an der Donau-Universitä­t Krems; sein Buch „Die vernetzte Universitä­t. Von der Kritik der Ökonomisie­rung zur Neuausrich­tung auf die Gesellscha­ft“ist kürzlich im Passagen-Verlag erschienen.

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