Die Pandemie der Schulden
Die Kosten der Coronakrise treiben die globale Verschuldung auf ein Rekordhoch. Und während Omikron das Wachstum wieder schwächt, bleibt eine Frage offen: Wie kommen wir da heraus?
inmal noch. Einmal noch greifen die Finanzminister der westlichen Welt in dieser Pandemie tief in die Staatskassen und verteilen Milliarden an die gebeutelte Wirtschaft. Einmal noch füllen die Notenbanken ihre Bilanzen mit Anleihen und fluten den Markt mit billigem Geld. Doch während die ersten Länder bereits laut darüber nachdenken, ob nach der Omikron-Welle die Coronakrise vorbei sein könnte, lauert schon der nächste Brocken auf sie.
Denn die Rettung der Wirtschaft war alles andere als billig: 28 Billionen US-Dollar (24,7 Billionen Euro) Schulden hat die Welt allein 2020 neu aufgenommen, rechnet der Internationale Währungsfonds vor. Der globale Schuldenberg stieg um fast ein Drittel auf 263 Prozent der Wirtschaftsleistung – der höchste Wert seit einem halben Jahrhundert. Noch bezahlen die Kreditn ehmerkaumZinsen dafür, doch die Ära der Nullzinsen neigt sich in vielen Teilen der Erde dem Ende zu. Umso drängender ist die Frage, wie sich das Post-Corona-Schuldendebakel noch abwenden lässt.
DAs WAchstum
Die Lieblingsantwort der meisten Politiker und mancher Volkswirte auf diese Frage: Wir werden aus den Schulden einfach „hinauswachsen“. Aber nur die we nigsten
Länder dürften das schaffen, warnen die Ökonomen der Weltbank. In ihrem eben veröffentlichten Bericht „Global Economic Prospects“erwarten sie ein Abflauen des globalen Wachstums von 5,5 Prozent im Vorjahr auf 4,1 Prozent heuer und 3,2 Prozent im nächsten Jahr. Die neue Virusvariante, die hohen Energie- und Rohstoffpreise, die immer noch überlasteten Lieferketten – all das dämpfe den Aufschwung auf absehbare Zeit.
Für manche Länder ist das trotzdem genug. Für sie reicht dieses schwächere Wachstum aus, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den kommenden zwei Jahren hinter sich zu lassen. Die westlichen Industrienationen – allen voran Europa – könnten ihre Wirtschaftsleistung und Investitionen bis zum Jahr 2023 wieder auf den Kurs bringen, auf dem sie auch ohne Covid-19 gewesen wären, heißt es in dem Bericht (siehe Grafik). Die Finanzminister der westlichen Welt hätten sich demnach mit ihren Rekorddefizits immerhin die Rückkehr ihrer Länder in die wirtschaftliche Normalität erkauft.
Die SchwAchen
Ganz anders sieht das bei den Entwicklungsund Schwellenländern aus. Ihre Impfraten sind niedrig, die Staatskassen leer, die Abhängigkeit vom Rohstoffsektor hoch. Die Folge: Sie wachsen mit 4,6 Prozent heuer zwar schneller als der reiche Westen, doch zu langsam, um die Krise vergessen zu machen. Wirtschaftsleistung und Investitionen bleiben unter den Erwartungen von vor der Pandemie zurück. Jedes zweite Land in Südostasien, der Karibik, dem Nahen Osten und Südamerika wird pro Kopf auch 2023 noch weniger erwirtschaften als 2019.
Gleichzeitig leiden die Nationen stark unter der hohen Inflation. In einem Drittel aller Schwellenländer verteuerten sich Nahrungsmittel zuletzt im zweistelligen Prozentbereich. Da gleichzeitig den Regierungen die Finanzkraft ausgeht, um die Unternehmen
weite rz u stüt zen, st eigt die Gefahr einer „harten Landung“.
Die Schulden
Ein Grund für die strengere Fiskalpolitik der Schwellenländer sind die hohen Schulden, die sie aufgetürmt haben. Aber nicht nur die öffentlichen Haushalte bereiten Sorgen: In China haben Immobilienentwickler wie der taumelnde Evergrande
Konzern Schulden in der Höhe von 30 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der
Volksrepublik angehäuft.
Die Zinswende der amerikanischen Notenbank Fed ist zusätzliches Gift für die Region. Steigende Zinsen in den USA drücken den Kapitalfluss in riskantere Schwellenländer nach unten, ein stärkerer US-Dollar zwingt die Länder ihrerseits zu Zinsanpassungen, um die eigen e Währung zu stützen. Viele Staaten haben die Weichen schon im Vorfeld gestellt: Ein Drittel aller Schwellenländer hat die Zinsen 2021 erhöht, darunter Schwergewichte wie Russland, Brasilien und Mexiko. Die Rückzahlung ihrer Kredite erleichtern die steigenden Zinsen nicht.
Die Lösung
Die Weltbank hat in der Historie nach Vorlagen gesucht, wie so hohe Schuldenberge abgebaut werden können. Die schlechte Nachricht: „Alle Arten der Schuldenreduktion waren ökonomisch kostspielig oder politisch herausfordernd“, schreiben die Autoren. Gerade den Entwicklungs- und Schwellenländern müsse eine koordinierte Umstrukturierung der Schulden ermöglicht werden, fordern sie. Und in Europa? Hier drängen einige EU-Mitglie der auf die dauerhafte Lockerung der Maastricht-Regeln. Statt die Schulden bald zurückzuzahlen, soll es leichter werden, neue Schulden aufzunehmen. Die Weltbank hält sich mit Empfehlungen explizit zurück, listet aber einen möglichen „unkonventionellen“Weg auf, der Sparern wenig Freude bereiten dürfte: die schleichende Entwertung der Schulden (und Barvermögen) durch hohe Inflation und niedrige Zinsen.