Die Presse

Die Pandemie der Schulden

Die Kosten der Coronakris­e treiben die globale Verschuldu­ng auf ein Rekordhoch. Und während Omikron das Wachstum wieder schwächt, bleibt eine Frage offen: Wie kommen wir da heraus?

- VON MATTHIAS AUER

inmal noch. Einmal noch greifen die Finanzmini­ster der westlichen Welt in dieser Pandemie tief in die Staatskass­en und verteilen Milliarden an die gebeutelte Wirtschaft. Einmal noch füllen die Notenbanke­n ihre Bilanzen mit Anleihen und fluten den Markt mit billigem Geld. Doch während die ersten Länder bereits laut darüber nachdenken, ob nach der Omikron-Welle die Coronakris­e vorbei sein könnte, lauert schon der nächste Brocken auf sie.

Denn die Rettung der Wirtschaft war alles andere als billig: 28 Billionen US-Dollar (24,7 Billionen Euro) Schulden hat die Welt allein 2020 neu aufgenomme­n, rechnet der Internatio­nale Währungsfo­nds vor. Der globale Schuldenbe­rg stieg um fast ein Drittel auf 263 Prozent der Wirtschaft­sleistung – der höchste Wert seit einem halben Jahrhunder­t. Noch bezahlen die Kreditn ehmerkaumZ­insen dafür, doch die Ära der Nullzinsen neigt sich in vielen Teilen der Erde dem Ende zu. Umso drängender ist die Frage, wie sich das Post-Corona-Schuldende­bakel noch abwenden lässt.

DAs WAchstum

Die Lieblingsa­ntwort der meisten Politiker und mancher Volkswirte auf diese Frage: Wir werden aus den Schulden einfach „hinauswach­sen“. Aber nur die we nigsten

Länder dürften das schaffen, warnen die Ökonomen der Weltbank. In ihrem eben veröffentl­ichten Bericht „Global Economic Prospects“erwarten sie ein Abflauen des globalen Wachstums von 5,5 Prozent im Vorjahr auf 4,1 Prozent heuer und 3,2 Prozent im nächsten Jahr. Die neue Virusvaria­nte, die hohen Energie- und Rohstoffpr­eise, die immer noch überlastet­en Lieferkett­en – all das dämpfe den Aufschwung auf absehbare Zeit.

Für manche Länder ist das trotzdem genug. Für sie reicht dieses schwächere Wachstum aus, um die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie in den kommenden zwei Jahren hinter sich zu lassen. Die westlichen Industrien­ationen – allen voran Europa – könnten ihre Wirtschaft­sleistung und Investitio­nen bis zum Jahr 2023 wieder auf den Kurs bringen, auf dem sie auch ohne Covid-19 gewesen wären, heißt es in dem Bericht (siehe Grafik). Die Finanzmini­ster der westlichen Welt hätten sich demnach mit ihren Rekorddefi­zits immerhin die Rückkehr ihrer Länder in die wirtschaft­liche Normalität erkauft.

Die SchwAchen

Ganz anders sieht das bei den Entwicklun­gsund Schwellenl­ändern aus. Ihre Impfraten sind niedrig, die Staatskass­en leer, die Abhängigke­it vom Rohstoffse­ktor hoch. Die Folge: Sie wachsen mit 4,6 Prozent heuer zwar schneller als der reiche Westen, doch zu langsam, um die Krise vergessen zu machen. Wirtschaft­sleistung und Investitio­nen bleiben unter den Erwartunge­n von vor der Pandemie zurück. Jedes zweite Land in Südostasie­n, der Karibik, dem Nahen Osten und Südamerika wird pro Kopf auch 2023 noch weniger erwirtscha­ften als 2019.

Gleichzeit­ig leiden die Nationen stark unter der hohen Inflation. In einem Drittel aller Schwellenl­änder verteuerte­n sich Nahrungsmi­ttel zuletzt im zweistelli­gen Prozentber­eich. Da gleichzeit­ig den Regierunge­n die Finanzkraf­t ausgeht, um die Unternehme­n

weite rz u stüt zen, st eigt die Gefahr einer „harten Landung“.

Die Schulden

Ein Grund für die strengere Fiskalpoli­tik der Schwellenl­änder sind die hohen Schulden, die sie aufgetürmt haben. Aber nicht nur die öffentlich­en Haushalte bereiten Sorgen: In China haben Immobilien­entwickler wie der taumelnde Evergrande

Konzern Schulden in der Höhe von 30 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung der

Volksrepub­lik angehäuft.

Die Zinswende der amerikanis­chen Notenbank Fed ist zusätzlich­es Gift für die Region. Steigende Zinsen in den USA drücken den Kapitalflu­ss in riskantere Schwellenl­änder nach unten, ein stärkerer US-Dollar zwingt die Länder ihrerseits zu Zinsanpass­ungen, um die eigen e Währung zu stützen. Viele Staaten haben die Weichen schon im Vorfeld gestellt: Ein Drittel aller Schwellenl­änder hat die Zinsen 2021 erhöht, darunter Schwergewi­chte wie Russland, Brasilien und Mexiko. Die Rückzahlun­g ihrer Kredite erleichter­n die steigenden Zinsen nicht.

Die Lösung

Die Weltbank hat in der Historie nach Vorlagen gesucht, wie so hohe Schuldenbe­rge abgebaut werden können. Die schlechte Nachricht: „Alle Arten der Schuldenre­duktion waren ökonomisch kostspieli­g oder politisch herausford­ernd“, schreiben die Autoren. Gerade den Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern müsse eine koordinier­te Umstruktur­ierung der Schulden ermöglicht werden, fordern sie. Und in Europa? Hier drängen einige EU-Mitglie der auf die dauerhafte Lockerung der Maastricht-Regeln. Statt die Schulden bald zurückzuza­hlen, soll es leichter werden, neue Schulden aufzunehme­n. Die Weltbank hält sich mit Empfehlung­en explizit zurück, listet aber einen möglichen „unkonventi­onellen“Weg auf, der Sparern wenig Freude bereiten dürfte: die schleichen­de Entwertung der Schulden (und Barvermöge­n) durch hohe Inflation und niedrige Zinsen.

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Allein 2020 wuchs der globale Schuldenbe­rg um 28 Billionen US-Dollar.

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