Der Unmut unter den Händlern wird lauter
Die Branche fordert eine raschere Auszahlung offener Entschädigungszahlungen.
Wien. Die Angst vieler Händler vor den 2-G-Kontrollen, die seit Dienstag verpflichten d sin d, war groß. Eine Überprüfung beim Geschäftseingang würde viele Kunden abschrecken, befürchteten die Handelsvertreter und warnten vor weiteren Umsatzverlusten. Allein durch den Lockdown für Ungeimpfte, der seit Mitte November gilt, sei die Besucherfrequenz um ein Viertel eingebrochen. Mehr als zwei Millionen Menschen sind derzeit vom stationären Handel ausgeschlossen, von einem Normalbetrieb kön ne also keine Rede sein. Die neuen Kontrollen seien nun ein weiterer Dolchstoß, Kunden würden sich nachhaltig von den Geschäften abwenden.
Wie so oft zeichnet die Realität ein anderes Bild. Händler berichten gegenüber der „Presse“, dass die Kontrollen von allen Seiten gut aufgenommen werden. Die allermeisten Kunden zeigen Verständnis für das obligatorische Zeigen des Grünen Passes, die befürchteten Schlangen vor den Geschäften blieben aus.
„Problematische Kunden dürfen ohnehin schon länger nicht mehr herei n“, sagt Ernst Mayr, Chef von Fussl Modestraße. Das reduziere Ärgernisse und mache den zusätzlichen Aufwand für das kontrollierende Verkaufspersonal in den meisten Fällen überschaubar. Kritik gab es aber am späten Zeitpunkt, zu dem die Politik die neuen Spielregeln festgelegt hat. Die Verordnung zu den Kontrollen wurde erst am Montagabend veröffentlicht – wenige Stunden, bevor diese umzusetzen waren.
Diese Vorgangsweise sorgt im Handel für enormen Ärger. Das Verständnis gegenüber den neuen Auflagen schwindet, der Ton gegenüber den politisch Verantwortlichen wird rauer. „Die gesamte Branche erfüllt seit Beginn der
Pandemie sämtliche Hygienevorgaben“, sagt C&A-Österreich-Chef Norbert Scheele. „Im Gegenzug erwarten wir uns aber zumindest faire und treffsichere Entschädigungen.“
Branche wartet auf Hilfsgelder
Diese kommen mit Ausnahme der Kurzarbeitsgelder aber offenbar kaum dort an, wo sie gebraucht werden, berichteten mehrere Händl erbeieinemPr essegespräch am Mittwoch. HandelsverbandChef Rainer Will fürchtet, dass angesichts der ausstehenden Entschädigungszahlungen eine Insolvenzwelle auf die Branc he zur ollt. Zieht man die Neueröffnungen von den Schließungen ab, hätten allein im Jahr 2020 mehr als 4000 Geschäfte schließen müssen. Das entspricht rund fünf Prozent der gesamten heimischen Handelslandschaft. Für 2021 gibt es noch keine genauen Daten, die Entwicklung dürfte aber anhalten.
„Wir haben keine Goldesel in den Filialen stehen. Selbst große Traditionshäuser existieren teils nur noch auf dem Papier“, so Will. Auf Fussl Modestraße treffe das nicht zu, sagt Geschäftsführer Ernst Mayr. Die Ausfälle der vergangenen beiden Jahre konnte der Kleiderhändler durch Rücklagen abfedern, für 2022 rechnet Mayr gar mit einem Umsatzplus von drei bis vier Prozent im Vergleich zu vor der Krise.
Im November und Dezember schrieb der Modehändler mit einem Umsatzrückgang von 30 Prozent jedoch tiefrote Zahlen. Entschädigungsgelder werde er aber trotz Lockdown keine bekommen, weil er die Kriterien nicht erfülle, so Mayr. Sein Unternehmen warte zudem immer noch auf Beihilfen aus der Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020. Insgesamt seien noch 2,7 Millionen Euro an beantragten Ausgleichszahlungen ausständig. Dem Modemanager schwinde inzwischen das Verständnis für die langsame Abwicklung der zuständigen Cofag-Finanzierungsagentur. Die „leeren Versprechungen der Politik“habe er mittlerweile satt.
Damit ist er nicht allein. Auch bei C&A warte man immer noch auf Hilfsgelder in Millionenhöhe aus dem ersten Coronajahr. Das gelte vor allem für den Fixkostenzuschuss 1 sowie den Verlustersatz, erklärt Norbert Scheele.
Der Handelsverband drängt auf eine rasche Auszahlung der Hilfsgelder und warnt vor einem „Financial Long Covid“für die gesamte Branche.