Die Impfpflicht-Abweichler und ihre Motive
Wer fehlte bei der Abstimmung über die Impfpflicht? Und wer stimmte dagegen – und warum genau?
Wien. Am Ende ging die Impfpflicht mit 137 Pro-Stimmen aus den Reihen von ÖVP, Grünen und SPÖ durch. 33 Abgeordnete hatten in der Nationalratssitzung am Donnerstag dagegen gestimmt, die meisten davon Freiheitliche. 13 Mandatare waren entschuldigt – manche, weil sie krank waren; andere, weil sie die Abstimmung ganz bewusst vermeiden wollten. Wer sind die Abweichler und was waren ihre Motive?
Die grüne Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic wollte der Vorlage nicht zustimmen und blieb deshalb daheim. Wegen Grundrechtsbedenken, wie es hieß. Die anderen beiden Grünen, die fehlten, Ulrike Fischer und Martin Litschauer, hatten gesundheitliche Gründe. Die ÖVP blieb, nach vereinzelter Kritik im Vorfeld der Abstimmung, nach außen geschlossen. Im ÖVPKlub ließen sich am Donnerstag entschuldigen: Gudrun Kugler, Kira Grünberg, Carina Reiter und Johann Singer. Letzterer fehlte, weil er mit dem Coronavirus infiziert wurde – bereits zum zweiten Mal.
In der SPÖ hatte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ihren Parlamentsklub größtenteils auf Linie gebracht. Durchaus energisch, wie zu hören war. Zwei Abgeordnete aus Niederösterreich, die sich intern gegen die Impfpflicht ausgesprochen hatten, blieben daheim, nämlich Petra Vorderwinkler und Rudolf Silvan. Im Plenum stimmte nur Josef Muchitsch, Bau-Holz-Gewerkschafter und Sozialsprecher der SPÖ, dagegen.
Das Gesetz sei „nicht rund“, sagt er zur „Presse“. Vor allem drei Punkte seien für seine Ablehnung ausschlaggebend gewesen: Erstens erhalte der Gesundheitsminister mit diesem Gesetz die Möglichkeit, (dreifach) geimpfte Personen zu weiteren Impfungen zu verpflichten. „Unter Strafandrohung“, wie Muchitsch betont. Zweitens müsse man ab 15. März, wenn stichprobenartig kontrolliert werde, am Weg in die Arbeit geimpft sein – nicht aber in der Arbeit selbst, denn dort gelte 3-G. „Das passt nicht zusammen.“Drittens versteht Muchitsch nicht, warum diese Impfpflicht nur für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder Sozialversicherung in Österreich gilt. Auch Pendler aus dem benachbarten Ausland könnten die „Gesundheit unserer Gesellschaft“gefährden, argumentiert er. Zu befürchten sei eine „noch größere Spaltung unter den Beschäftigten auf dem Arbeitsplatz“.
Lercher zollt Muchitsch Respekt
Entschuldigt waren auch der Niederösterreicher Robert Laimer und der Steirer Max Lercher. Letzterer meldete sich via Facebook aus der Quarantäne: „Nach fast zwei Jahren hat mich jetzt doch noch Corona erwischt.“Er sei froh, dreimal geimpft zu sein, schrieb Lercher. Wäre er im Parlament gewesen, hätte er gegen das Gesetz gestimmt: „Nicht, weil ich nicht an die Impfung glaube (. . .) Nicht, weil ich nicht sicher bin, dass sich alle impfen lassen sollten (. . .) Aber das Gesetz halte ich nicht für gut genug.“Seinem „Freund“Josef Muchitsch zollte Lercher Respekt: „Ich weiß wie schwer das ist, wenn man anders abstimmt als alle anderen. Welchen Druck man da hat und wie es einem da geht.“
In den Reihen der Neos stimmten gleich vier Abgeordnete dagegen. Eine ist die U-Ausschuss-Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Die anderen drei sind ausgerechnet jene, die intern am meisten mit Corona befasst sind: Pandemiesprecher Gerald Loacker, Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler und Justizsprecher Johannes Margreiter.
Loacker begründete sein Nein damit, dass die Pflicht für Omikron zu spät komme. Margreiter sieht zwar einerseits „sehr wohl Argumente für die Impfpflicht“. So würde eine höhere Impfquote es erleichtern, Grundrechtseingriffe zurückzunehmen und Lockdowns zu verhindern. Doch er stößt sich prinzipiell am Zwang: „Schwarze Pädagogik ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Tiroler Rechtsanwalt. Dieses Gesetz sei „äußerst anfällig für eine Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof“. Dabei gehe es nicht nur um Normen, die von den Regeln im Verwaltungsstrafrecht abweichen (etwa, dass sich die Strafe bei Einsprüchen erhöhen kann). Margreiter meint, dass es in der aktuellen Situation (viele durch die Omikron-Variante bereits Immunisierte) auch gar nicht mehr verhältnismäßig sei, mit einer zwangsweisen Impfung in die körperliche Integrität einzugreifen. Der VfGH könnte das Gesetz daher sogar in seiner Gesamtheit kippen. Fiedler findet vor allem, dass „nicht alles getan wurde, um die Menschen zu erreichen“. Sie selbst etwa habe mehrfach beantragt, dass auch in den Apotheken geimpft werde solle.
Der FPÖ-Klub stimmte zwar geschlossen gegen die Impfpflicht. Wobei auch in den Reihen der Freiheitlichen zwei Mandatare fehlten. Darunter Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, die bei einer AntiCovid-Demo zuletzt gemeint hatte, dass „nicht die bösen Ungeimpften die Spitäler füllen, sondern „ganz ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschadens behandelt werden müssen“, saß am Donnerstag in behördlich verordneter Quarantäne.
Gefehlt hat auch der Salzburger Volker Reifenberger. Er war krank. Und hätte, wie es im FPÖ-Klub heißt, mit Sicherheit gegen das Gesetz gestimmt. (aich/ib/j. n./pri/uw)