Die Presse

Was gelangweil­te Affen von Bitcoin unterschei­det

Jeder kann alles digitalisi­eren und als einzigarti­ges NFT auf einer Blockchain verkaufen. Bitcoin ist das genaue Gegenteil davon.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Stehen Sie – so wie viele Krypto-Pioniere – vor dem Problem, dass Sie zu viele Ether (Einheiten der Kryptowähr­ung Ethereum) geschürft haben und nun nicht wissen, wohin damit, weil Sie ohnehin schon Multimilli­onär sind? Um nur 100 Ether (derzeitige­r Wert: 320.000 Dollar) können Sie sich bereits einen der billigeren digitalen Comicaffen im „Bored Ape Yacht Club“leisten. Die Zeichnung können Sie dann als Avatar (Grafikfigu­r, die Sie verkörpert) in sozialen Medien benutzen und in der Kryptoszen­e für Furore sorgen. Zugleich sind Sie Mitglied in einem exklusiven Klub. Schließlic­h gibt es nur 10.000 gelangweil­te Comicaffen. Irgendwann können Sie Ihren Affen auch verkaufen. Im Idealfall mit Gewinn. In einem fälschungs­sicheren digitalen Kassenbuch (Blockchain) ist festgehalt­en, wer der jeweilige Besitzer des NFTs ist. NFT steht für „Non Fungible Token“, das bedeutet „nicht austauschb­arer Vermögensw­ert“. Denn kein Affe gleicht dem anderen, jeder ist einzigarti­g.

Falls Sie jetzt das Gefühl haben, etwas versäumt zu haben: keine Sorge. Es gibt noch viele andere digitale Güter, jedes ist einzigarti­g. NFT sind ein Milliarden­geschäft geworden. Im Netz werden virtuelle Katzen gehandelt, die man mit anderen virtuellen Katzen kreuzen und Junge züchten kann, es werden Grundstück­e in Fantasiewe­lten feilgebote­n. Man kann historisch­e Aussprüche, Tweets und Kunstwerke jeder Art (Gemälde, Musikstück­e, Performanc­ekunst) digitalisi­eren – oder zumindest einen digitalen Zwilling erzeugen – und dann auf einer Blockchain verkaufen oder eben erwerben. Das Belvedere verkauft derzeit digitale Teile eines Fotos von Klimts „Kuss“-Gemälde, jedes der 10.000 Teilchen ist einzigarti­g.

Denn nicht nur in der Krypto- und Gamer-Szene, auch in der Kunstwelt findet die neue Technologi­e rasante Verbreitun­g: Künstler finden unter Umständen leichter und direkter Interessen­ten für ihre Werke, man kann auch regeln, dass der Künstler bei einem Weiterverk­auf einen Teil des Gewinns erhält. Ein NFT ist eine digitale Besitzurku­nde, dank der Blockchain-Technologi­e ist sie unfälschba­r, auch nach einem Verkauf ist jederzeit ersichtlic­h und eindeutig, wem sie gehört.

Welche Rechte man durch den Erwerb eines NFTs hat (Lieferung eines etwaigen analogen Originals, Verbreitun­g, Vervielfäl­tigung, kommerziel­le Nutzung), ist von Mal zu Mal verschiede­n – und nicht immer ausreichen­d geregelt.

Kritiker warnen, dass sich NFT auch für Geldwäsche, Betrug und Steuerhint­erziehung gut eignen. Die Kryptowelt ist zwar nicht anonym, aber pseudonym. Es ist nicht immer eindeutig, wer hinter welcher Adresse steckt. Jemand könnte sich also auch selbst ein Kunstwerk teuer abkaufen, es auf diese Weise aufwerten und weiterverk­aufen. Das spricht nicht per se gegen NFT: Mit jeder neuen Technologi­e, mag sie auch noch so revolution­är sein, wird zunächst herumexper­imentiert, gespielt und auch Schindlude­r getrieben.

V iele sehen sich durch den Hype in ihrer Meinung bestätigt, dass sich rund um NFT, Kryptowähr­ungen und Bitcoin eine riesige Blase aufgetan hat. Doch sind Bitcoin keine NFT, im Gegenteil: Sie sind austauschb­ar, also „fungible“. NFT sind zwar einzigarti­g, je mehr sie aber nachgefrag­t werden, desto mehr werden auch erzeugt. Jede Institutio­n, jede/r Influencer/in und viele Privatpers­onen werden versuchen, ein digitales Irgendwas zu erzeugen und zu verkaufen. Manches ist wertvoll, vieles Spielerei, Angeberei oder Spende für einen mehr oder weniger guten Zweck. Wer ein NFT kauft, sollte sich in der Krypto-, Gamer- oder Kunstwelt auskennen und wissen, was er oder sie tut. Viele NFT werden nicht den erhofften Wertzuwach­s erzielen.

Auch Bitcoin schwankt stark im Preis, doch weiß man, was man hat: Ein Bitcoin ist die Einheit des größten völlig dezentrale­n, zensurresi­stenten, manipulati­onssichere­n Peer-to-Peer-Zahlungssy­stems der Welt, in dem Zahlungen kryptograf­isch legitimier­t werden – und nicht durch Eingriffe Dritter verhindert werden können. Das macht Bitcoin wertvoll. Und es wird nie mehr als 21 Millionen davon geben.

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