Die Presse

Baerbocks Verspreche­n an Israel und die Kritik am Siedlungsb­au

Diplomatie. Die deutsche Außenminis­terin ist zu ihrem Antrittsbe­such nach Israel gereist. Das Treffen mit Israels Außenminis­ter Lapid verlief in freundscha­ftlicher Atmosphäre. Baerbock bekräftigt­e Deutschlan­ds unverbrüch­liche Unterstütz­ung für Israel – tr

- V on unserer Korrespond­entin MAREIKE ENGHUSEN

Jerusalem. Es herrschte sichtbar gute Stimmung zwischen der deutschen Außenminis­terin, Annalena Baerbock, und Israels Außenminis­ter, Yair Lapid. Nach ihrem Treffen gaben die beiden am Donnerstag eine gemeinsame Pressekonf­erenz. Sie hätten noch „Stunden weiterrede­n können“, schwärmte Baerbock dabei über Lapid. Der wiederum lobte die „sehr intelligen­te“deutsche Außenminis­terin.

Vor allem ums Kennenlern­en, diplomatis­che Höflichkei­ten und die Bestätigun­g alter Gewissheit­en ging es in den vergangene­n beiden Tagen beim Antrittsbe­such der Außenminis­terin in Israel, Formalität­en also, und doch kann ein Besuch in Israel für deutsche Politiker nie ganz gewöhnlich­er diplomatis­cher Alltag sein. Der Schatten der deutschen Geschichte, die Schwere der historisch­en Verantwort­ung und die allgemeine Erwartung, all das angemessen anzusprech­en begleitet sie auf jedem Schritt. Auch Annalena Baerbock dürfte das gespürt haben, nachdem sie am Mittwochab­end in Tel Aviv gelandet war. Verunsiche­rn ließ sich die neue deutsche Außenminis­terin davon aber offenbar nicht. Auf der Pressekonf­erenz mit Lapid wirkte sie gelassen.

Baerbock sprach von dem „Horror, den mein Land über die Welt und vor allem über die sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden gebracht hat“, aus dem sich für Deutschlan­d aber auch ein „Auftrag für die Gegenwart und für die Zukunft“ergebe. Sie verwies auf ihren Besuch in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem am selben Morgen, beschwor den „gemeinsame­n Kampf gegen Antisemiti­smus“und zitierte Kurt Tucholsky: „Ein Land ist nicht nur das, was es tut – es ist auch das, was es verträgt, was es duldet.“

Später kam sie auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern zu sprechen – und den Prozess, der einmal zur Gründung eines palästinen­sischen Staates an der Seite Israels hätte führen sollen, aber seit etlichen Jahren auf Eis liegt. „Ich weiß, dass dieses Wort allein bei manchen ein leichtes, manchmal mitleidige­s Lächeln auslöst“, sagte Baerbock über den Friedenspr­ozess, der längst keiner mehr ist. Dennoch sei auch die jetzige Regierung Deutschlan­ds davon überzeugt, dass nur eine ausverhand­elte Zwei-StaatenLös­ung dauerhaft Frieden schaffen könne. Dort, wo Deutschlan­d diesen Prozess unterstütz­en könne, „sind wir jederzeit nicht nur bereit, sondern immer auch vor Ort“. Auf Nachfrage baute sie schließlic­h auch eine kleine Spitze gegen den Gastgeber ein: Die israelisch­en Siedlungen im Westjordan­land seien „schädlich“und unvereinba­r mit internatio­nalem Recht.

Israels Außenminis­ter ließ die Kritik äußerlich unberührt an sich abperlen. „Es ist okay, unterschie­dlicher Meinung zu sein“, sagte er anschließe­nd betont gelassen. „Wenn ich nur mir selbst zuhören will, kann ich zu Hause bleiben.“

Auch zum Atomprogra­mm des Iran vertreten die Regierunge­n beider Länder unterschie­dliche Haltungen. Berlin befürworte­t die Rückkehr zum Abkommen, das die USA unter Barack Obama sowie Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Russland und China 2015 mit dem Iran ausgehande­lt hatten, um Teherans Atomprogra­mm zu begrenzen. 2018 kündigte US-Präsident Donald Trump das Abkommen auf. Seither gilt es als faktisch tot; Teheran hat seitdem sein Atomprogra­mm noch intensiver vorangetri­eben. Jetzt wird in Wien über eine Neuauflage des Abkommens verhandelt.

Israels Sicherheit ist und bleibt deutsche Staatsräso­n. Hinter diese Linie werden wir nicht zurückfall­en.

„Atomvertra­g macht Israel sicherer“

Israels Regierung hält eine Wiederaufl­age des Abkommens für unzulängli­ch, um die Bedrohung durch den Iran aus der Welt zu schaffen. Berlin dagegen sei überzeugt, dass die Rückkehr zum Vertrag den Nahen Osten sicherer machen würde, „auch für Israel“, sagte Baerbock während der Pressekonf­erenz. „Israels Sicherheit ist und bleibt deutsche Staatsräso­n“, fügte sie hinzu. „Hinter diese Linie werden wir nicht zurückfall­en.“

Annalena Baerbock

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