Parkpickerl setzt Kindergärten zu
Wiens Kindergärten geraten durch die Parkpickerl-Ausweitung im März massiv unter Druck – weil Pädagoginnen kündigen, während die Situation ohnehin schon kritisch ist.
Wien. Zu Risken und Nebenwirkungen fragen Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker, sondern Ihre Kindergärtnerin. So müsste der Beipackzettel für die Ausweitung der Parkpickerlzonen per März auf ganz Wien lauten. Denn einschneidende Maßnahmen haben oft Nebenwirkungen, an die zuvor kaum jemand gedacht hat, oder die nicht im Fokus standen: Durch die Parkpickerl-Ausweitung, die jenseits der Stadtgrenze heftig kritisiert wird, gibt es massive Effekte auf Wiener Kindergärten. Zumindest manifestiert sich das gerade bei den großen, privaten Trägerorganisationen.
Viele auf das Auto angewiesen
„Wir haben schon einige Mitarbeiterinnen, die wegen der Ausweitung des Parkpickerls gekündigt haben“, erzählt Thomas-Peter Gerold-Siegl der „Presse“. Er ist wirtschaftlicher Geschäftsführer von Kiwi (Kinder in Wien), das an 93 Standorten Kindergärten betreibt: „Ich habe mit zwei Mitarbeiterinnen gesprochen, die nach Wien pendeln“, erzählt Gerold-Siegl: „Die haben mir gesagt, sie können sich 100 Euro zusätzlich pro Monat für einen Parkplatz in Wien nicht leisten.“Eine andere Kindergärtnerin habe ihm offen gesagt: „Wenn ich 100 Euro im Monat zahlen muss, bleibe ich gleich im Burgenland und arbeite dort.“
Im Klartext: Viele Kindergärtnerinnen und Betreuerinnen, die in Wien arbeiten, pendeln von Niederösterreich oder dem Burgenland zur Arbeit in jene Wiener Gebiete, die ab 1. März zur Parkpickerlzone werden. Viele davon sind auf das Auto angewiesen, weil es nur schlechte öffentliche Verkehrsmittel von ihrem Wohnort nach Wien gibt. Damit stehen diese Kindergärtnerinnen vor der Wahl: Entweder 1200 Euro pro Jahr für einen privaten Parkplatz nahe der Arbeitsstelle
zu zahlen – oder sich einen neuen Job in ihrem Heimatbundesland Niederösterreich, Burgenland oder der Steiermark zu suchen. „Ich kann nicht für 1500 Mitarbeiterinnen in Wien Parkplätze zur Verfügung stellen“, meint Gerold-Siegl. Bei der St. Nikolausstiftung der Erzdiözese Wien (90 Kindergärten und Horte) zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Zahl der Parkpickerl-bedingten Abgänge kann man dort nicht nennen, meint Susanna Haas, die pädagogische Leiterin der St. Nikolausstiftung. Man rechne aber damit, dass sich die Situation verschärfen wird.
In anderen Bundesländern wie Niederösterreich, Burgenland und Steiermark werden wechselwillige Pädagoginnen mit Handkuss genommen. Grund ist der massive Fachkräftemangel. Laut Nikolausstiftung kommen auf eine Kindergartenpädagogin durchschnittlich acht bis zehn Jobangebote. Die Folge ist ein harter Kampf der Bundesländer
um Pädagoginnen mit dieser Ausbildung. Und hier ist Wien grundsätzlich im Nachteil, weil andere Länder meist deutlich bessere Rahmenbedingungen bieten. Beispielsweise bessere Bezahlung. Oder Kindergärten, die (im Gegensatz zu Wien) im Sommer geschlossen sind – was für Eltern nicht angenehm ist, die Work-LifeBalance der Pädagoginnen aber enorm erhöht. Dazu ist die Arbeit als Kindergärtnerin in einer Großstadt deutlich herausfordernder: Integrationsarbeit, größere Gruppen etc. Als Folge arbeiten viele Wiener Kindergärtnerinnen jenseits der Stadtgrenze. Von der Politik fordern die privaten Betreiber deshalb eine Ausnahmegenehmigung für die dringend benötigten Pädagoginnen.
Warum sind Kindergartenpädagoginnen so rar? „Wir haben kein Ausbildungsproblem. Es gehen viele nach der Ausbildung nicht in den Beruf“, meint GeroldSiegl.
Valide Zahlen habe er nicht, aber von Lehrern höre er, dass es etwa rund ein Drittel sei. Viele würden studieren wollen, viele würden nach ein paar Jahren „mal was anderes machen“.
Stadt will keine Ausnahmen
Was sagt Wien zu der Forderung nach einer Ausnahmeregelung? „Noch bei jeder Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung kamen Forderungen nach Ausnahmen für gewisse Berufsgruppen“, heißt es bei der MA 46 (Verkehrsorganisation). Ausnahmen für Berufsgruppen könne es nicht geben: „Denn wo fängt man an, wo hört man auf?“Wien baue ohnehin den öffentlichen Verkehr aus und errichte Park-and-Ride-Anlagen.
Apropos Arbeitsbedingungen für Kindergartenpädagoginnen. Am 29. März protestieren sie in Wien (in Form einer öffentlichen Betriebsversammlung) für bessere Rahmenbedingungen.