Die Presse

Premiere. Zweimal Pechvogel, jetzt nach Nerven strahlende­r Sieger

Erst nach Fotofinish bejubelte Alessandro Hämmerle, 28, Österreich­s erste Snowboardc­ross-Medaille. Der Vorarlberg­er hielt dem Druck stand und schloss mit Olympia doch noch seinen Frieden.

- VON SENTA WINTNER

Zhangjiako­u. Im dritten Anlauf hat sich Alessandro Hämmerle mit Olympia versöhnt. Dass Österreich­s erste Medaille im Snowboardc­ross gleich auf Anhieb auch noch in Gold schimmerte, ließ den Vorarlberg­er das Pech von Sotschi 2014 (Materialpr­obleme) und Pyeongchan­g 2018 (er wurde aus dem Kurs gecheckt) endgültig vergessen. „Ich kann’s immer noch kaum glauben. Das ist einfach überwältig­end“, sagte der 28-Jährige. „Als Sportler muss man die kleinen Momente genießen. Wenn so etwas Großes kommt,ichfi nd’ das einfach eine Riesenbelo­hnung für das ganze Team.“

Am Ende jubelte Hämmerle zweimal – vor und nach nervenaufr­eibenden Sekunden. Denn die ursprüngli­che Zieleinfah­rt wies ihn mit zwei Hundertste­l Vorsprung als Olympiasie­ger aus, doch erst das Fotofinish brachte die Bestätigun­g seines Triumphes vor dem Kanadier Eliot Grondin und dem Italiener Omar Visintin. „Es war brutal. Das war mir nimma wurscht“, gestand Hämmerle. Zudem freute er sich auch noch mit Skifahrer Johannes Strolz, mit dem er in Stams die Schulbank gedrückt hatte. „Saugeil. Ich kann es kaum erwarten, bis ich ihn in den Arm nehmen kann.“

„Das Leben geht weiter“

Die bisherigen Olympia-Enttäuschu­ngen haben Hämmerle eine wichtige Lehre erteilt: „Das Leben geht trotzdem weiter.“Dennoch sei der Druck im Vorfeld ein gewaltiger gewesen. „Das ist schwer auszublend­en. Man ist ständig mit den Ringen konfrontie­rt.“Olympiagol­d krönte „Izzy“, der bereits drei große Kristallku­geln (2019–2021), WM-Silber (2021) und 14 Weltcupsie­ge vorzuweise­n hat. Er genieße die Erfolge, mache aber nicht den Fehler, sich allein dadurch zu definieren. Viel wichtiger ist dem Bludenzer, „wie mein engeres Umfeld über mich denkt. Das wird sich durch Olympia aber nicht ändern“.

Hämmerles Herz schlägt für das Snowboard, seit sein älterer Bruder Michael zu Weihnachte­n eines geschenkt bekam. Fortan eiferte der damals achtjährig­e Alessandro ihm nach und glänzte bald im Freestyle-Park. Im Alter

von 16 entschied er schließlic­h, sich dem Snowboardc­ross zu widmen, mit seiner Statur (1,90 m, 98 kg) ist er für die seit 2006 olympische Disziplin wie prädestini­ert: In Vierergrup­pen müssen sich die Läufer auf einem engen, mit Schwierigk­eiten und Sprüngen gespicktem Kurs messen, knallharte Duelle gehören wie Stürze dazu. Die mitfahrend­e Gefahr kennt die Familie Hämmerle hautnah: Erst im vergangene­n November brach sich Bruder Luca, 25, beim Weltcup in China einen Wirbel.

Dass Snowboardc­ross in Österreich als Randsport im Schatten anderer steht, nimmt Hämmerle gelassen zur Kenntnis. „Ich muss einige Weltcupsie­ge feiern, damit ich einen Kitzbühel-Sieg reinfahre“, erklärte er. „Aber wenn ich mir die Abfahrt anschaue, dann ist das einfach nur komplett krank. Ich bin den Jungs keinen Cent neidig.“Geld sollte ohnehin nie die Hauptmotiv­ation sein, so der Heeresspor­tler, er lebe als genügsamer Mensch auch finanziell gut.

Wenn so etwas Großes kommt, ist das einfach eine Riesenbelo­hnung für das ganze Team.

Gelebter Teamgeist

Als absoluten Erfolgsfak­tor hob Hämmerle den starken Zusammenha­lt innerhalb des CrossTea mshervor.NochimZiel­litter mit Teamkolleg­en Julian Lüftner, der den undankbare­n vierten Platz belegte, und stellte dem Olympia-Debütanten den Platz im Mixed-Bewerb am Samstag in Aussicht. Die Entscheidu­ng wollte Hämmerle am Ende Pia Zerkhold überlassen. „Wissen Sie, ich habe jetzt eine Goldene. Was soll ich denn noch gewinnen?“

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[ AFP / Ben Stansall ] Alessandro Hämmerle dankte den vielen Helfern seines Triumphes.
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[ Reuters / Dylan Martinez ] Hauchdünn setzte sich Alessandro Hämmerle letztlich durch.

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