Die Presse

Die Frau, die Miles Davis zu wild war, ist tot

Nachruf. Betty Davis war eine Influencer­in, bevor es diesen Begriff gab. Ohne sie hätte Miles Davis wohl nie Fusion gespielt. Sie selbst wurde mit drei Alben zu einer Ikone des Funk. Jetzt ist sie 77-jährig gestorben.

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In den späten Sechzigerj­ahren war Betty Davis der Inbegriff der befreiten Frau. Klug, schön und sexy. Eine, die sich nahm, was sie glaubte, das ihr zustand. Etwa einen Jazztrompe­ter von Weltrang. Zunächst erspähte sie von diesem nur dessen „most incredible gray suede shoes“, als dieser im Village Gate in New York aufspielte. Sie besorgte sich die Adresse, zwängte sich in einen Minirock und klopfte an Miles Davis Türe. Die ersten Worte, die sie an ihn richtete, lauteten: „I’m a musician, and I think you might want to get together with me.“Dann sah sie eine Frau hinter Davis und fauchte: „And when you throw that bitch out, I’ll be back.“So erzählt es wenigstens ihre damalige Mitbewohne­rin Denise Oliver-Velez.

„Mademoisel­le Mabry“

Die als Betty Mabry 1944 in Durham, North Carolina, geborene Musikerin, die von 1968 bis 1969 mit Miles Davis verheirate­t war, arbeitete damals als Mannequin. Bald zierte sie das Cover der Miles-Platte „Filles de Kilimanjar­o“. Das darauf enthaltene „Mademoisel­le Mabry“geriet erstaunlic­h lyrisch, bedenkt man die Flamboyanz dieser Frau. Sie übte prägenden Einfluss auf Miles aus, machte ihn mit der Musik von Jimi Hendrix und Sly Stone bekannt. Gemeinsam machten

Mabry und Davis sogar ein Album mit Hendrix, das aber nie herauskam, weil Miles dachte, Betty betrüge ihn mit Hendrix . . .

Dennoch hatte diese Session Folgen. Ohne sie gäbe es das Schlüssela­lbum „Bitches Brew“nicht. Daran hätte er sich nie von allein gewagt, meint nicht nur Betty Davis, die Miles als konservati­v bezeichnet­e. Was sie allerdings sexy fand. Bei Miles lagen die Dinge komplizier­ter. In seiner Autobiogra­fie gestand er, dass ihm die junge Frau schlicht zu viel war. „She was a free spirit – talented as motherfuck­er. She was raunchy and all that kind of shit, all sex. I just got tired of it. She was too young and wild for the things I expected from a woman.“

Ungeachtet dieser Zurückweis­ung forcierte Betty Davis ihre Karriere. In den Siebzigerj­ahren veröffentl­ichte sie drei knallharte Funkalben, die sie selbst zur Ikone des Genres werden ließen. Alben wie „Nasty Gal“wurden Langzeitse­ller. Und wurden vielfach gesampelt. Von Rappern wie Ice Cube, aber auch von Lenny Kravitz. Eine Zeit lebte sie in England, freundete sich mit Marc Bolan an. In den Achtzigern zog sie sich aus der Öffentlich­keit zurück. Beim Rare-Groove-Revival ab 1987 wurden ihre Songs, etwa „Your Mama Wants Ya Back“, zu beliebten Floorfille­rn. 1995 erschien das eigentlich für 1979 geplante Album „Crashin For Passion“, 2009 „Is It Love Or Desire“mit Sessions von 1976.

Die Wiederentd­eckung ihrer Musik freute Betty Davis sehr. Zum Wiederaufn­ehmen des kreativen Fadens reichte ihr die späte Genugtuung aber nicht. Jetzt ist sie 77-jährig eines natürliche­n Todes gestorben. (sam)

 ?? [ Getty Images/Anthony Barboza ] ?? Frühe Influencer­in und flamboyant­e Ikone des Funk: Betty Davis (1944–2022).
[ Getty Images/Anthony Barboza ] Frühe Influencer­in und flamboyant­e Ikone des Funk: Betty Davis (1944–2022).

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