Energie: Es kommt noch schlimmer
Gastkommentar. Die Preisspirale bei den Energiekosten hat gerade erst begonnen sich zu drehen. Mutiges Gegensteuern ist nötig.
Die Preiserhöhungen der Energieversorger in den vergangenen Wochen sind erst der Anfang, schlagen doch die auf den Großhandelsmärkten massiv gestiegenen Energiekosten bei den Verbrauchern erst ab dem zweiten Halbjahr 2022 so richtig durch. Das liegt daran, dass die zwischen Energieversorgern und Konsumenten vereinbarten Indizes der Entwicklung der Marktpreise um bis zu neun Monate hinterherhinken und somit die Rekordpreise vom Dezember 2021 erst in der zweiten Jahreshälfte voll weiterverrechnet werden dürfen. Ein durchschnittlicher Haushalt muss dann mit Mehrkosten für Strom und Gas von bis zu 1500 Euro im Jahr rechnen. Betriebe trifft es spätestens bei der nächsten Verlängerung ihrer Energieverträge.
Auf den Gasmärkten liegen die Gründe für diese Entwicklung in Verschiebungen der internationalen Lieferketten in Richtung Asien und im aktuellen Powerplay zwischen Europa, den USA und Russland. Die Folgen können hier kurzfristig nur mit Direktzuschüssen, weiteren Energiesteuersenkungen und Abschaltverzichten abgeschwächt werden. Mittelfristig ist eine Transformation weg von fossilem Erdgas hin zu erneuerbaren Wärmequellen dringend nötig. Der von der Regierung angekündigte Transformationsfonds, der Unternehmen den Umstieg erleichtern soll, kann dafür ein Schlüsselelement sein. Aber auch ein seit Langem von Arbeiterkammer und Sozialverbänden geforderter Fonds zur Bekämpfung von Energiearmut wird zur Abfederung benötigt.
Ganz anders stellt sich die Situation am Strommarkt dar. Die Gründe für die massiv gestiegenen Preise liegen dort vor allem im europäischen Strommarktdesign, das – wie man jetzt weiß – bei hohen Gaspreisen irrational übersteuert. Denn der Marktpreis bestimmt sich nach dem teuersten noch abgerufenen Kraftwerk – und das ist derzeit meistens ein Gaskraftwerk. Somit führt die Krise
auf dem Gasmarkt auch zur Krise auf dem Strommarkt. Die EU-Stromregulierungsbehörde Acer soll dafür nun bis April Lösungsvorschläge vorlegen.
Die Zeit drängt. Daher hat zum Beispiel Frankreich bereits massiv in den Markt eingegriffen und die Strom-Erzeugerpreise gedeckelt. Spanien und Rumänien haben die Profiteure von hohen Energiepreisen mit Sondersteuern belegt.
Mehr als Einmalzahlungen
Will man in Österreich solche drastischen Eingriffe in den Strommarkt vermeiden, benötigt es jetzt – zusätzlich zu den bereits beschlossenen Entlastungen bei der Ökostrompauschale und Einmalzahlungen – ein beherztes gemeinsames Vorgehen der österreichischen Energiewirtschaft, der erneuerbaren Energieverbände, der E-Control und der Regierung. Die möglichen Maßnahmen reichen von der Einrichtung eines Stromhilfsfonds durch die Energieversorger über Selbstbeschränkungen der Produzenten und Preisregulierung von Gaskraftwerken bis hin zu weiteren Abgabensenkungen. Gleichzeitig sollten bestehende Hürden (Raumordnung, Genehmigungsverfahren) für die erneuerbaren Energien abgebaut werden, um einen rascheren Ausbau zu ermöglichen.
Jedenfalls bleibt aber zu hoffen, dass diese Krise dazu führt, dass die seit Jahren überfälligen Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienzmaßnahmen und Energietechnologien nun rasch nachgeholt werden. Denn nur so kann die Abhängigkeit von fossilen Energien langfristig vermindert werden.
Mag. Lukas Stühlinger ist Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Fingreen, die im Bereich der Finanzierung von Energie- und Umweltprojekten tätig ist. Er verfügt über langjährige internationale Erfahrung in den Bereichen Finanzierung und Energie und war sieben Jahre lang Vorstand der oekostrom AG, einem rein erneuerbaren Stromversorger in Österreich.