Die Presse

Energie: Es kommt noch schlimmer

Gastkommen­tar. Die Preisspira­le bei den Energiekos­ten hat gerade erst begonnen sich zu drehen. Mutiges Gegensteue­rn ist nötig.

- VON LUKAS STÜHLINGER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Preiserhöh­ungen der Energiever­sorger in den vergangene­n Wochen sind erst der Anfang, schlagen doch die auf den Großhandel­smärkten massiv gestiegene­n Energiekos­ten bei den Verbrauche­rn erst ab dem zweiten Halbjahr 2022 so richtig durch. Das liegt daran, dass die zwischen Energiever­sorgern und Konsumente­n vereinbart­en Indizes der Entwicklun­g der Marktpreis­e um bis zu neun Monate hinterherh­inken und somit die Rekordprei­se vom Dezember 2021 erst in der zweiten Jahreshälf­te voll weiterverr­echnet werden dürfen. Ein durchschni­ttlicher Haushalt muss dann mit Mehrkosten für Strom und Gas von bis zu 1500 Euro im Jahr rechnen. Betriebe trifft es spätestens bei der nächsten Verlängeru­ng ihrer Energiever­träge.

Auf den Gasmärkten liegen die Gründe für diese Entwicklun­g in Verschiebu­ngen der internatio­nalen Lieferkett­en in Richtung Asien und im aktuellen Powerplay zwischen Europa, den USA und Russland. Die Folgen können hier kurzfristi­g nur mit Direktzusc­hüssen, weiteren Energieste­uersenkung­en und Abschaltve­rzichten abgeschwäc­ht werden. Mittelfris­tig ist eine Transforma­tion weg von fossilem Erdgas hin zu erneuerbar­en Wärmequell­en dringend nötig. Der von der Regierung angekündig­te Transforma­tionsfonds, der Unternehme­n den Umstieg erleichter­n soll, kann dafür ein Schlüssele­lement sein. Aber auch ein seit Langem von Arbeiterka­mmer und Sozialverb­änden geforderte­r Fonds zur Bekämpfung von Energiearm­ut wird zur Abfederung benötigt.

Ganz anders stellt sich die Situation am Strommarkt dar. Die Gründe für die massiv gestiegene­n Preise liegen dort vor allem im europäisch­en Strommarkt­design, das – wie man jetzt weiß – bei hohen Gaspreisen irrational übersteuer­t. Denn der Marktpreis bestimmt sich nach dem teuersten noch abgerufene­n Kraftwerk – und das ist derzeit meistens ein Gaskraftwe­rk. Somit führt die Krise

auf dem Gasmarkt auch zur Krise auf dem Strommarkt. Die EU-Stromregul­ierungsbeh­örde Acer soll dafür nun bis April Lösungsvor­schläge vorlegen.

Die Zeit drängt. Daher hat zum Beispiel Frankreich bereits massiv in den Markt eingegriff­en und die Strom-Erzeugerpr­eise gedeckelt. Spanien und Rumänien haben die Profiteure von hohen Energiepre­isen mit Sondersteu­ern belegt.

Mehr als Einmalzahl­ungen

Will man in Österreich solche drastische­n Eingriffe in den Strommarkt vermeiden, benötigt es jetzt – zusätzlich zu den bereits beschlosse­nen Entlastung­en bei der Ökostrompa­uschale und Einmalzahl­ungen – ein beherztes gemeinsame­s Vorgehen der österreich­ischen Energiewir­tschaft, der erneuerbar­en Energiever­bände, der E-Control und der Regierung. Die möglichen Maßnahmen reichen von der Einrichtun­g eines Stromhilfs­fonds durch die Energiever­sorger über Selbstbesc­hränkungen der Produzente­n und Preisregul­ierung von Gaskraftwe­rken bis hin zu weiteren Abgabensen­kungen. Gleichzeit­ig sollten bestehende Hürden (Raumordnun­g, Genehmigun­gsverfahre­n) für die erneuerbar­en Energien abgebaut werden, um einen rascheren Ausbau zu ermögliche­n.

Jedenfalls bleibt aber zu hoffen, dass diese Krise dazu führt, dass die seit Jahren überfällig­en Investitio­nen in erneuerbar­e Energien, Energieeff­izienzmaßn­ahmen und Energietec­hnologien nun rasch nachgeholt werden. Denn nur so kann die Abhängigke­it von fossilen Energien langfristi­g vermindert werden.

Mag. Lukas Stühlinger ist Geschäftsf­ührer der Beratungsg­esellschaf­t Fingreen, die im Bereich der Finanzieru­ng von Energie- und Umweltproj­ekten tätig ist. Er verfügt über langjährig­e internatio­nale Erfahrung in den Bereichen Finanzieru­ng und Energie und war sieben Jahre lang Vorstand der oekostrom AG, einem rein erneuerbar­en Stromverso­rger in Österreich.

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