Die Presse

Nach dem Schmerz kam die Medaille

Super-G. Mirjam Puchner, 29, krönte ihr Olympia-Debüt mit Edelmetall. Silber wirkt für die jahrelang von Schmerzen geplagte Pongauerin ungeheuer befreiend.

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Lang litt sie unter Verletzung­en, doch spätestens mit der Silbermeda­ille im olympische­n Super-G ließ Mirjam Puchner dieses Kapitel hinter sich. Die Salzburger­in musste sich nur der Schweizeri­n Lara Gut-Behrami geschlagen geben. Wirklich glauben konnte sie den Erfolg allerdings erst, als sie die Medaille um den Hals hängen hatte.

„Es hat sich für mich gar nicht wie das erste Olympiaren­nen angefühlt“, meinte die 29-Jährige, „weil ich doch schon so alt bin“.

Es tut gut, ich war beim Warten so nervös. Es ist unglaublic­h, dass mir das so aufgegange­n ist, das macht mich richtig stolz.“

Mirjam Puchner Silber im Super-G

kifahren ist nicht immer lustig und kann mitunter extrem schmerzhaf­t sein. Vor allem für Pro fis wie Mirjam Puchner kann sich das zu einer handfesten Krise auswachsen, und wer auf ihre Leidensges­chichte zurückblic­kt, der versteht umso besser, warum sich die Pongauerin, 29, so über dieses sensatione­lle Super-G-Silber hinter der Schweizeri­n Lara Gut-Behrami gefreut hat.

Seit 2013 ist Puchner im alpinen Weltcup-Zirkus unterwegs. Zwei Abfahrtssi­ege (2016, 2019) stehen zu Buche, im Super-G war sie nie besser als Dritte. Das bereitete ihr Freude, Skifahren ist für sie ein Lebensinha­lt. Doch die Schmerzen und Ungewisshe­it, die drohten sie beinahe aufzureibe­n.

Puchner hatte sich 2016 im Training zur WM-Abfahrt eine Unterschen­kelfraktur zugezogen. Und die verheilte partout nicht so, wie sich das alle erhofft hatten. Die erste Operation fand im Februar 2017 in St. Moritz statt. Danach und während der ersten Reha in Igls wurde eine 13-gradige Rotation des Beines festgestel­lt. In Innsbruck folgte die nächste OP. Im November 2017 gab es wieder eine, weil der Knochen nicht zusammenge­wachsen war.

Nervenstar­k, aber „Wahnsinn“

Es blieb ein Hickhack bis Februar 2020. Dann hatte sie genug. „Das Gewebe war gereizt, es gab Entzündung­en, Hämatome“, sagte sie damals. Der Fuß passte auch nicht mehr in den engen Skischuh – sie ließ ihn sich, quasi, freiwillig brechen, um die richtige Heilung zu gewährleis­ten. In der fünften OP wurde ein 34 Zentimeter langer Nagel entfernt – und das war der Beginn einer langsamen Aufwärtsfa­hrt, die jetzt, drei Jahre später, mit Silber dekoriert wurde.

Die Salzburger­in, 1,80 Meter groß und aus St. Johann, strahlt. Die Medaille löschte jeden Zweifel, man müsse das Leben eben mehr genießen, lachen, alles rundum wahrnehmen. Kraft gab ihr dabei stets ihr Bruder Joachim, der als ORF-Kameramann auch in Yanqing vor Ort dabei war. Weil sie gestärkt aus all diesen Rückschläg­en hervorgega­ngen ist, warf sie auch die Corona-Infektion im vergangene­n Dezember nicht aus der Spur. Sie landete in diesem Winter drei Speed-Podestplät­ze, hatte begonnen, an sich, den Erfolg und den Spaß – bei ihren ersten Winterspie­len mit ihrem ersten Edelmetall überhaupt – zu glauben.

Super-G-Silber hatte es auch vor vier Jahren durch Anna Veith gegeben. Die Salzburger­in ist neben Sigrid Wolf (1988), Michaela Dorfmeiste­r (2006) und Andrea Fischbache­r (2010) eine von vier österreich­ischen Super-G-Olympiasie­gerinnen (2014). Puchner: „Dass ich jetzt mit einer Silbernen heimfahre, ist ein Wahnsinn.“

Tränen im Schlusstei­l

Die Schweizer Weltmeiste­rin Lara Gut-Behrami, die nach Bronze im Riesentorl­auf über ihren ersten Olympiasie­g jubelte, war um 0,22 Sekunden, das sind 5,90 Meter, schneller. Auch das zeigt, wie nah Freude und Leid beieinande­r liegen. Das konnte auch die Steirerin Tamara Tippler bestens nachvollzi­ehen, ihr kullerten dicke

Tränen über die Wangen. Sie verpasste Bronze um drei Hundertste­l. Die 30-Jährige hatte ihre Chance im Flachstück vergeben, da, wo Puchner just Zeit gutgemacht hatte. Für Cornelia Hütter, die Gewinnerin der Olympia-Generalpro­be in Garmisch, als Achte (+0,68) und Ariane Rädler als 20. (+1,82) erfüllten sich die Hoffnungen nicht.

Dass Gut-Behrami mit Gold glänzte, konnte jede nachvollzi­ehen. Aber, sie und Puchner sollten Lehrbeispi­ele sein für Tippler. Vor allem in puncto Zeit, deren Wertigkeit. 2010 in Vancouver hatte die Tessinerin wegen einer Hüftverlet­zung verpasst. 2014 in Sotschi gab es Abfahrts-Bronze, eine Zehntelsek­unde fehlte auf Gold. 2018 in Pyeongchan­g wurde die Schweizeri­n Vierte in ihrer Paradedisz­iplin Super-G. Auf Bronze fehlte ein Hundertste­l. Und all die Jahre, die Puchner Schmerzen hatte? Sie waren in China vergessen. Nach ihrer Fahrt in 1:13,73 Minuten.

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Mirjam Puchner strahlte, die Salzburger­in wirkte befreit durch Silber im Olympia-Super-G.
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