Drastische Warnungen vor drohendem Krieg
Ukraine. USA und Nato äußern die Sorge, Moskau könnte jederzeit losschlagen. Neben militärischen Muskelspielen gibt es aber auch Botschaften der Deeskalation.
Wien/Washington. Es war eine deutliche Warnung, dass ein Krieg kurz bevorstehen könnte. Doch in sie war zugleich eine deeskalierende Botschaft verpackt: die Rückversicherung an Moskau, dass US-Soldaten in der Ukraine nicht zum Einsatz kommen werden. „Wir haben es mit einer der größten Armeen der Welt zu tun“, sagte USPräsident Joe Biden dem Sender NBC über Russlands Streitkräfte, die an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren. Die Lage könne rasch außer Kontrolle geraten. Biden rief alle US-Bürger dazu auf, die Ukraine „jetzt“zu verlassen.
Diesen Appell versah er mit dem Hinweis, dass keine US-Soldaten zur Rettung von Amerikanern in das osteuropäische Land entsandt würden. Ein direktes Aufeinandertreffen mit russischen Truppen berge die Gefahr „eines Weltkriegs“in sich. „Wenn Amerikaner und Russen anfangen, aufeinander zu schießen, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt.“
Außerhalb der Ukraine verstärken die USA und die Nato aber zugleich ihre Truppenpräsenz. Die Ukraine erhält Waffen aus dem Westen. Und Washington und seine Verbündeten haben Wirtschaftssanktionen vorbereitet, sollte Russland die Ukraine angreifen.
Der russische Aufmarsch
Dennoch baut Moskau weiter an seiner Drohkulisse. Mehr als 100.000 russische Soldaten stehen bereits an der Grenze zur Ukraine. Zugleich lässt die russische Militärführung ihre Truppen den Ernstfall proben. Russlands Marine trainiert im Schwarzen Meer „das Aufspüren und Zerstören“feindlicher Schiffe. Seit Donnerstag läuft ein Großmanöver in Belarus, an dem neben den belarussischen Streitkräften auch 30.000 russische Soldaten teilnehmen. Die baltischen Nato- und EU-Staaten Estland, Lettland und Litauen forderten am Freitag von Belarus Informationen zur Übung ein – unter Berufung auf ein Abkommen im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Einige Beobachter warnten zuletzt, dass das umfangreiche Manöver in Belarus gleichsam die Tarnung für direkte Angriffsvorbereitungen gegen die benachbarte Ukraine sein könnte. Moskau weist diesen Vorwurf zurück.
Der Nato-Truppenaufbau
Die Vertreter der USA und der Nato wählen bei der Beschreibung der Drohszenarien unterdessen immer drastischere Worte: Ein russischer Einmarsch in die Ukraine sei jederzeit möglich, warnte USAußenminister Antony Blinken. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Freitag in Rumänien, das Risiko einer „totalen Invasion der Ukraine“durch Russland sei „hoch, sehr hoch“.
Kurz zuvor waren in Rumänien erste US-Einheiten eingetroffen, die bisher in Deutschland stationiert waren. Insgesamt sollen zusätzliche 1000 US-Soldaten in den osteuropäischen Nato-Staat verlegt werden. Am Freitag landeten auch in Bulgarien vier spanische Kampfflugzeuge, die bei der Überwachung des Luftraums über dem Schwarzen Meer helfen sollen.
All das ist offenbar Teil umfassenderer Anstrengungen der Nato, ihre Ostflanke zu stärken. Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) berichtet, dass sich die Mitgliedstaaten der Allianz bereits auf den Ausbau der Nato-Präsenz in der Region verständigt hätten. Der Beschluss dazu soll am Mittwoch bei einem Treffen der Verteidigungsminister bestätigt und dann auch offiziell verkündet werden.
Zudem haben die USA nach eigenen Angaben B-52-Langstreckenbomber auf den britischen Luftwaffenstützpunkt Fairford verlegt – als Teil einer „seit Langem geplanten“Nato-Übung.
Diplomatische Versuche
Parallel zu den militärischen Muskelspielen dreht sich das diplomatische Besuchskarussell weiter. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz wird am Montag in die Ukraine und dann weiter nach Moskau reisen. Dort soll er auch Präsident Wladimir Putin treffen. Putin hatte zuletzt Besuch vom französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, erhalten. Und Macron war in der Ukraine – ebenso wie die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock, und Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg im Gespann mit den Außenministern Tschechiens und der Slowakei. Am Freitag hielt Biden eine Telefonkonferenz mit westlichen Staatsund Regierungschefs ab.
Putin hat in der Vergangenheit bereits klargestellt, dass er für einen Deal vor allem einen direkten Ansprechpartner sieht – den US-Präsidenten. Er will von Biden als gleichwertiges Gegenüber im strategischen Spiel um Osteuropa akzeptiert werden. Von den USA will er Zugeständnisse dazu, wo der Einfluss der Nato endet und der Russlands beginnt.