Die Presse

Aufseher sorgen sich um Markt für Wohneigent­um

Es ist die nächste Eskalation­sstufe erreicht – nun mahnt auch noch ein Kontrollgr­emium zur Überwachun­g der EU-Finanzmark­tstabilitä­t Österreich, die Überhitzun­g am Markt für Wohnimmobi­lien in den Griff zu bekommen.

- VON KAMIL KOWALCZE

Wien. Die Luft am österreich­ischen Immobilien­markt wird immer dünner. Nach zahlreiche­n Warnungen von nationalen und internatio­nalen Institutio­nen reagiert nun auch der Europäisch­e Ausschuss für Systemrisi­ken (ESRB) auf die rasant steigenden Preise von Wohnimmobi­lien in Österreich – und legt den heimischen Behörden nahe, aktiv zu werden. „Die Presse“beantworte­t die wichtigste­n Fragen zu der ESRB-Empfehlung.

1 Was ist der ESRB? Welche anderen Institutio­nen haben noch gewarnt?

Der Europäisch­e Ausschuss für Systemrisi­ken ist Teil des EU-Finanzaufs­ichtssyste­ms und bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) angesiedel­t. Seine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass systemrele­vante Risken am EU-Finanzmark­t frühzeitig erkannt und verhindert werden. Das Gremium wurde als Reaktion auf die Finanzkris­e 2007 eingericht­et und nahm die Arbeit mitten in der Eurokrise 2011 auf.

Vor dem ESRB haben bereits der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF), die OECD und das Finanzmark­tstabilitä­tsgremium (FSMG) vor der drohende Überhitzun­g am österreich­ischen Wohnimmobi­lienmarkt gewarnt. Das FSMG besteht aus Mitarbeite­rn des Finanzmini­steriums, der Finanzmark­taufsicht (FMA) und der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) und hat eine ähnliche Aufgabe wie der ESRB – nur auf nationaler Ebene.

2 Was genau ist das Problem? Wo sind Risken bei Wohnimmobi­lien?

Seit 2010 haben sich die Preise für Wohnimmobi­lien in Österreich im Durchschni­tt mehr als verdoppelt. Diese Entwicklun­g wurde durch die Pandemie noch einmal verstärkt. Allein im vierten Quartal 2021 sind die Preise um knapp 13 Prozent gestiegen. Wohnungen und Häuser sind hierzuland­e um bis zu ein Drittel überbewert­et.

Angetriebe­n durch die EZBNullzin­spolitik ist viel billiges Geld im System und fließt aus Mangel an Alternativ­en in großen Mengen in das sogenannte Betongold. Wohnbaukre­dite sind so günstig wie nie zuvor, also nützen Menschen die günstigen Finanzieru­ngskonditi­onen und kaufen Wohnungen und Häuser. Das Kreditwach­stum lag in diesem Segment zuletzt bei sieben Prozent.

Das Problem ist, dass die Aufseher mehr als die Hälfte dieser neu vergebenen Kredite als nicht nachhaltig einstufen. Das bedeutet, dass sie bestimmte Mindestkri­terien nicht erfüllen und dadurch ein erhöhtes Risiko haben, gänzlich auszufalle­n.

Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Kredite variabel verzinst ist. Wenn die EZB – und das bahnt sich gerade an – die Zinsen erhöhen sollte, steigen auch die monatliche­n Rückzahlun­gsraten. Viele der Kreditnehm­er würden dann Probleme bekommen, ihren Kreditverp­flichtunge­n nachzukomm­en. Das würde sich wiederum negativ auf das Geschäft der Banken auswirken, die diese Kredite vergeben haben. Wenn das viele Banken betrifft, würde das in weiterer Folge die Stabilität des Finanzsyst­ems gefährden. Nicht gerade beruhigend ist außerdem, dass der Anteil von Baugewerbe, Grundstück­s- und Wohnungswe­sen am Bruttoinla­ndsprodukt 18 Prozent ausmacht – das liegt über dem Durchschni­tt der Eurozone.

3 Welche Schritte hat der ESRB empfohlen? Was wurde bereits getan?

Der ESRB hat Österreich – vereinfach­t gesagt – empfohlen, die Mindestkri­terien für Wohnbaukre­dite verpflicht­end zu machen. Sie sollen nicht länger als 35 Jahre laufen, die Rückzahlun­gsrate soll nicht über 40 Prozent des verfügbare­n Nettoeinko­mmens liegen und der Eigenmitte­lanteil nicht unter 20 Prozent des Kaufpreise­s. Da die zuständige­n Stellen den Markt schon länger im Blick haben und sich untereinan­der austausche­n, kommt das nicht überrasche­nd: Die FMA bereitet gerade eine Verordnung vor, die Banken zu diesen Kriterien ab Juli 2022 verpflicht­et. Sollten sie sich nicht daran halten, wird ihnen die Aufsicht vorschreib­en, mehr Kapital für diese Risken vorzuhalte­n. Es wird aber Spielräume geben: Den Banken wird ein Ausnahmeko­ntingent gewährt – sie dürfen diese Kriterien bis zu einer gewissen Anzahl verletzen.

4 Was bedeutet das für bestehende und neue Kreditnehm­er?

Für Kunden, die bereits ein Hypothekar­darlehen laufen haben, ändert sich nichts. Die neue Regelung gilt nur für neu vergebene Wohnbaukre­dite. Wenn aber – wie das derzeit das Fall ist – mehr als die Hälfte der neu vergebenen Kredite diese Kriterien verletzen, ist davon auszugehen, dass künftig viele Menschen keinen Kredit mehr für den Erwerb einer Wohnung oder eines Hauses von der Bank bewilligt bekommen werden.

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[ Clemens Fabry ] Um eine Blase am Immobilien­markt zu verhindern, wird es verpflicht­ende Mindeststa­ndards für Kredite geben.

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