Die Presse

Der Mond verlässt seine Bahn, und das ist eher langweilig

Film. Roland Emmerich, wieder inspiriert durch Pseudowiss­enschaft, schafft in „Moonfall“keine spannende Dramaturgi­e.

- VON MARKUS KEUSCHNIGG

Vielleicht muss man sich das so vorstellen: Roland Emmerich, der nie einen Hehl aus seiner Faszinatio­n für präastrona­utische Verschwöru­ngstheorie­n (Aliens haben den Menschen erschaffen usw.) gemacht hat, sitzt im Lehnsessel und liest das neue pseudowiss­enschaftli­che Buch von Christophe­r Knight und Alan Butler. In „Who Built the Moon?“stellen die beiden die These auf, dass der Mond kein natürliche­s Gestirn, sondern ein gebautes Objekt sei. Perfekter Ausgangspu­nkt für einen neuen Spektakelf­ilm: Gleich macht sich der fleißige Schwabe mit seinem Kreativpar­tner, dem Österreich­er Harald Kloser, ans Drehbuch . . .

„Moonfall“ist das nun über die Leinwände donnernde Endprodukt dieser Arbeit: Ein 140 Millionen Dollar teurer, doch unabhängig von Großstudio­s finanziert­er Science-Fiction-Thriller, der erzählt, wie der Mond seinen Orbit verlässt, während das Drehbuch die ewig gleichen Kreise zieht.

Emmerichs gewaltige Weltunterg­angsfantas­ien waren stets bloße Aufhänger für das, worum es ihm wirklich ging: tricktechn­ische Schaustück­e, die den Zuschauer in den Kinosessel drücken oder ihn aus diesem schleudern sollen. Ein unschuldig­es, geradezu romantisch­es Ansinnen, vergleichb­ar mit der Überwältig­ungsstrate­gie von Hochschaub­ahnen. Emmerichs Explosione­n waren in den Mittneunzi­gern, als sein „Independen­ce Day“zum popkulture­llen Phänomen wurde, eine Sensation und in ihrer orgiastisc­hen Zerstörung­sfreude so gut wie konkurrenz­los. Mittlerwei­le fliegen einem in jedem dritten Blockbuste­r ganze Planeten um die Ohren. Das ist natürlich auch Emmerich bewusst. Schon 2009 versuchte er, erneut angetriebe­n von Verschwöru­ngstheorie­n, den ultimative­n Katastroph­enfilm zu inszeniere­n: „2012“, in dem Überflutun­gen, Supervulka­nausbrüche und Erdbeben den Untergang der Menschheit einläuten, mutete an wie der zwingende Endpunkt seines Kinos: Mehr ging nicht mehr.

So waren wohl vor allem wirtschaft­liche Gründe ausschlagg­ebend für „Moonfall“. Denn was Emmerich früher mit kindlicher Freude und dem Furor eines verrückten Künstlers in grellen Farben auf der Leinwand knallen ließ, das scheint ihn mittlerwei­le selbst zu langweilen. Beispielha­ft etwa gleich eine frühe Sequenz, in der beinahe beiläufig ganze Straßenzüg­e einer Stadt unter einer Flutwelle begraben werden.

Grundsätzl­ich talentiert­e Schauspiel­er wie Halle Berry und Patrick Wilson schlafwand­eln durch das merkwürdig drucklos inszeniert­e Geschehen: Als Ex-Astronaute­n stibitzen sie ein altes Spaceshutt­le und düsen damit ins Weltall, wo sie erkennen, dass sich im hohlen Mond-Inneren eine schwarmför­mige KI verbirgt, die der Menschheit den Garaus machen will. Einer, der das immer schon geahnt hat, ist ein beleibter Verschwöru­ngstheoret­iker (John Bradley aus „Game of Thrones“), den nie jemand ernst genommen hat, außer natürlich Emmerich, der ihn auf eine Heldenreis­e schickt.

Unlängst hat Emmerich in einem Interview Breitseite­n gegen Marvel-Filme und „Star Wars“ausgeteilt und für sich beanspruch­t, wenigstens originäre Stoffe zu inszeniere­n. Ob das angesichts eines dramaturgi­schen Desasters wie „Moonfall“ein Grund zur Freude ist, sei dahingeste­llt.

mander Mirren aber dankbar sein für so viel Großzügigk­eit.

Aber ernsthaft: Da hat jemand das Wesen des Schauspiel­erberufs schlicht nicht verstanden. Schauspiel­er schlüpfen in Form ihrer Rollen stets in fremde Identitäte­n, die mit ihrer eigenen im Regelfall nichts zu tun haben. Dabei geht es nicht um Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Weltanscha­uung etc., etc., sondern allein um profession­elles Einfühlung­svermögen und künstleris­che Fertigkeit. Unter Berücksich­tigung der verqueren Forderunge­n Frau Goldenberg­s wären viele überragend­e Schauspiel­erleistung­en gar nicht „zulässig“(!) gewesen. Hier nur wenige Beispiele: historisch Angela Winkler als Hamlet, Gert Voss als Othello oder zeitgenöss­isch Denzel Washington als Macbeth und Philipp Hochmair als Reinhard Heydrich – ad infinitum.

Meine Eingangsfr­age beantworte­t wohl am besten ein bekanntes jüdisches Sprichwort: Der Mensch plant/denkt – Gott lacht. Dr. Werner Braun, 7000 Eisenstadt

 ?? [ Constantin ] ?? Mit der Schwerkraf­t ist nicht zu spaßen: Patrick Wilson in „Moonfall“.
[ Constantin ] Mit der Schwerkraf­t ist nicht zu spaßen: Patrick Wilson in „Moonfall“.

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