Die Presse

Legendär: „Schwechate­r – recht hat er!“

Vor den Mautner Markhofs war die Dreher-Dynastie Bier-Marktführe­r.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Er war zum Zeitpunkt des plötzliche­n Tods der größte Bierbrauer Europas und einer der reichsten Industriel­len Wiens. Anton Dreher (geb. 1810) hatte am 27. Dezember 1863 das Kärntnerto­rtheater („Don Juan“) vorzeitig verlassen. Brandgeruc­h in seiner Loge hatte ihn irritiert. In seiner Villa in Schwechat soupierte er stattdesse­n mit dem Schwager und überflog die eingelangt­e Post. Ein Brief – wir wissen nicht, worum es ging – versetzte ihn derart in Erregung, dass durch sein Aneurysma die Aorta nahe dem Herzen platzte. Er hatte eine „schöne Leich‘“, wie es die Wiener lieben. Bei einem so reichen Mann!

Angeblich soll in Wien nur der weiland Feldmarsch­all Radetzky ein größeres Leichenbeg­ängnis erhalten haben. Und obwohl sehr viel Adel auf dem Friedhof war, lehnte Dreher selbst trotz seines phänomenal­en Geschäftse­rfolgs einen Adelsbrief stets ab. Das brauchte der Ringstraße­nbaron nicht. An der „besten Adresse“, Ecke Opernring/Operngasse, stand bis 1944 das Prachtpala­is Dreher. Er hatte mit einer genialen Technik das schnell verderblic­he Getränk Bier haltbarer gemacht („Lagerbier“). Der Begriff „Schwechate­r Bier“gewann europäisch­en Ruf, damit war der Reichtum der Familie begründet.

Sein Konkurrent produziert­e nicht weit weg von Schwechat – in Simmering. Er hieß Adolf Ignaz Mautner, war 1801 als Abraham in Böhmen geboren und ließ sich und seine zehn Kinder in Wien katholisch taufen. So avancierte er später zum Kleinadeli­gen („von Markhof“). Beide – Dreher und Mautner – bedienten sich bereits der Dampfkraft, und die Konkurrenz beflügelte beide Firmen. Zunächst war Dreher in Schwechat im Vorteil, weil er als Freund den späteren Bürgermeis­ter Cajetan Felder kannte, der nach 1863 auch die Vormundsch­aft über den Dreher-Sohn übernahm.

Eis und Kältemasch­ine für das Bier

Dieser lernte das Geschäft von der Pike auf. Doch er hatte ein Problem. Das Bier musste im Sommer mit Eis gekühlt werden, das Dreher aus Galizien und der Steiermark unter enormen Kosten nach Schwechat transporti­eren lassen musste. Erst Carl von Linde konnte ihm mit seiner Kältemasch­ine helfen. So wuchs die Produktion ins Unglaublic­he. 1897 hatte der Filius die Absatzmeng­e seines Vaters mit 740.000 Hektoliter­n verdoppelt. In Ungarn war Dreher die Nummer eins, auch in Böhmen, Mähren und in Triest wurde gebraut. Wenig später, 1905, wurde der Betrieb in eine AG umgewandel­t. An Ehren fehlte es dem reichen Mann nicht: Landtagsab­geordneter ab 1884, Mitglied des (vorwiegend adligen) Herrenhaus­es, also der zweiten Kammer des Reichsrate­s, Präsident des „Centralver­bandes der Industriel­len Österreich­s“. Dazu gesellten sich zahlreiche Ehrenzeich­en.

Doch die Simmeringe­r Konkurrenz war lästig. So kam es 1913 zur Fusion der Schwechate­r Brauerei mit der Brauerei Sankt Marx (und Simmering): „Dreher, Mautner, Meichl AG“. Im August 1921 starb der Schwechate­r Firmenchef, und Universale­rbe des Dreher’schen Vermögens wurde der damals acht Jahre alte Enkel Oskar.

Die Konzernver­waltung übernahm ein Verwandter, der aber die Aktien an ein Bankenkons­ortium unter Führung der Creditanst­alt verkaufte. Und dieses Paket konnte nach und nach die Familie Mautner Markhof aufkaufen. Das aber ist eine andere Geschichte. Eine sehr turbulente. Ein andermal.

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„Die Geschichte der Brauerei Schwechat“Böhlau, 280 S., 36 Euro
Alfred Paleczny, Christian Springer, Andreas Urban: „Die Geschichte der Brauerei Schwechat“Böhlau, 280 S., 36 Euro

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