Die Presse

Am Hof ängstliche­r Autokraten

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Am Ende fehlte zu mitternäch­tlicher Stunde nur der Wodka zum Runterspül­en. Es gab Wein aus Krasnodar und ein Vier-GangMenü, bestehend aus Spinatravi­oli, Fischsuppe, Stör und Rentierbra­ten, wie die französisc­he Presse akribisch vermerkte. Das Menü ist in Paris mitunter wichtiger als das Tischgespr­äch selbst.

Im Zuckerbäck­erpalast des Kreml, unter vier Augen und fünf Meter voneinande­r entfernt an den Kopfenden eines Glastischs, herrschte im weißen Salon trotz des amikalen Du eine eher eisige Atmosphäre zwischen Wladimir Putin, dem ängstliche­n Autokraten, und Emmanuel Macron. Dass die Kommunikat­ion schwierig war, lag nicht nur am dreifachen Corona-Sicherheit­sabstand. Fünf Stunden dozierte Hobby-Historiker Putin in einem Privatissi­mum.

Wie Autokraten Hof halten, hatte zuvor schon Xi Jinping vorexerzie­rt. Zur Olympia-Eröffnung lud er die Gäste – Brüder im Geiste von Moskau bis Kairo – zu einem Staatsbank­ett in die Große Halle des Volkes in Peking. Wer dem Gegenüber etwas mitzuteile­n hatte, musste schreien. Zum Gesprächs-Pingpong war er ungeeignet. Die Sitzordnun­g an einem Tisch, halb so lang wie ein Fußballfel­d, war indes fein arrangiert. Innenarchi­tekten hatten sogar eine Fantasiela­ndschaft hineingeza­ubert – beinahe so, als würden die Gäste zum Dessert das Terrain untereinan­der aufteilen. (vier)

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