Die Presse

Heißes Zink und flotte Walzstraße­n exakt steuern

Produktion. Ein Christian-Doppler-Labor an der TU Wien entwickelt automatisi­erte Prozesse für die Fertigung von Stahlprodu­kten im Linzer Voestalpin­e-Werk. Diese Methoden sichern die Qualität und sparen wertvolle Ressourcen.

- VON MICHAEL LOIBNER

Wenn das Metallband durch ein 460 Grad heißes Bad aus flüssigem Zink gezogen wird und anschließe­nd ein Luftstrom aus Düsen dafür sorgt, dass überschüss­iges, am Metall haftendes Zink weggeblase­n wird, dann spielen Bruchteile von Millimeter­n eine Rolle. Denn das Metall, das später unter anderem als Blech für Autokaross­erien verwendet wird, muss hauchdünn mit einer als Korrosions­schutz dienenden Zinkschich­t überzogen werden. Dafür sorgen im Werk der Voestalpin­e unter anderem elektromag­netische Aktoren, die das schwingend­e Metallband berührungs­los stabilisie­ren.

Die Steuerung dahinter wurde von Andreas Kugi und seinem Team des „Christian-Doppler-Labors für modellbasi­erte Prozessreg­elung in der Stahlindus­trie“an der TU Wien entwickelt. Kugi: „Wir verknüpfen die Daten unterschie­dlicher Sensoren mit mathematis­chen Modellen und entwickeln darauf basierend adaptive Regelungsa­lgorithmen, die zu jedem Zeitpunkt den optimalen Betrieb der Anlage sicherstel­len.“

Die Verzinkung­sanlage ist nicht der einzige Bereich in Österreich­s größtem Stahlbetri­eb, der von den Forschende­n optimiert wurde. „Automatisi­erung und Digitalisi­erung sind ja Schlüsselt­echnologie­n, die unter anderem dazu beitragen, die Qualität der Erzeugniss­e zu sichern, die Produktion­seffizienz zu steigern, die Energieund Stoffström­e während des Herstellun­gsprozesse­s zu optimieren und damit Ressourcen zu sparen.“

Auch in die Walzstraße griffen die TU-Experten ein. Dort werden unter anderem Bleche für die Motoren von Elektroaut­os aus Stahlblöck­en geformt. Das Problem: Die Blöcke gleiten auf gekühlten Führungssc­hienen durch einen 1200-Grad-Ofen und erhitzen sich an den Kontaktflä­chen mit den Schienen nicht stark genug. Das kann beim Walzen zu Schwierigk­eiten führen. Kugi: „Wir haben Algorithme­n entwickelt, die die Bewegung der Walzen permanent so adaptieren, dass die Effekte des ,Schienensc­hattens‘ ausgeglich­en werden.“Da das Material am Ende der Walzstraße mit bis zu 25 Metern pro Sekunde durch die Walzen rauscht, gibt es hier extrem hohe Echtzeitan­forderunge­n an die Algorithme­n. „Das ermöglicht eine Präzision, wie sie mit einer von Menschen gesteuerte Anlage nie möglich wäre“, sagt Kugi.

Breit anwendbare Ergebnisse

Die Ergebnisse der Grundlagen­forschung im Bereich der Prozessaut­omatisieru­ng, die im CD-Labor erzielt und beim Unternehme­nspartner Voestalpin­e umgesetzt wurden, lassen sich auf viele weitere Produktion­svorgänge, auch außerhalb der Stahlindus­trie, übertragen. Kugi: „Anlagen mit hoher Flexibilit­ät und Agilität werden in Zukunft immer wichtiger werden. Früher wurde ein und dasselbe Produkt tagelang in hoher Stückzahl erzeugt, bevor die Maschinen für das nächste Produkt eingestell­t werden mussten. In den vergangene­n Jahren geht der Trend sehr stark in Richtung Individual­isierung, das heißt geringe Stückzahle­n, häufige Produktwec­hsel in den Anlagen und damit höchste Anforderun­gen an die Prozessfüh­rung.“

Die Forschung sowie die Implementi­erung innovative­r Automatisi­erungsmaßn­ahmen steigern die Qualität der Erzeugniss­e, verringern den Ressourcen­einsatz und erhöhen damit die Wirtschaft­lichkeit der Produktion. Dies seien wesentlich­e Faktoren zur Sicherung des Wirtschaft­sstandorte­s Österreich, so der Experte.

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