Die Presse

Im unterirdis­chen Gestein will man Stau vermeiden

Gasspeiche­r. Alte Erdgasfeld­er sind gute Lagerstätt­en für Wasserstof­f und Biomethan aus erneuerbar­er Energie. Ein Leobener Team erforscht, wie Bakterien, die Methan produziere­n, die Poren im Sandgestei­n verändern. Wo können sie gut arbeiten, wo verstopfen

- VON VERONIKA SCHMIDT

Ich vergleiche diese Poren im Sandgestei­n gern mit Stadtgeogr­afie“, sagt Holger Ott, der das Department „Petroleum Engineerin­g“an der Montan-Uni Leoben leitet. „Eine Stadt braucht eine Autobahn, um die Menschen zu versorgen. Die Geschwindi­gkeit direkt auf der Autobahn ist aber so hoch, dass dort keiner wohnen kann. Doch die Menschen brauchen die Nähe zur Autobahn und siedeln sich dort verstärkt an. So ähnlich kann man sich Bakterien in den Poren von Gaslagerst­ätten vorstellen“, beschreibt Ott. Sein Team erforscht derzeit, wie sich Mikroorgan­ismen in porösem Untergrund verhalten: Wo wachsen sie gut, in welchen Ecken bekommen sie genug Gas als Nahrung, an welchen Abzweigung­en wuchern sie übermäßig und verstopfen Wege?

Diese Fragen sind wichtig, wenn es um die Speicherun­g von erneuerbar­er Energie geht. Sonne und Wind liefern bekanntlic­h nicht gleichmäßi­g Strom, sondern erzeugen oft einen Überschuss an Energie, die es für wolkige oder windstille Tage zu speichern gilt. Das von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG geförderte Projekt „Undergroun­d Sun Storage“zeigte bereits, dass unterirdis­che Gesteine gute Lagerstätt­en sind:

Den überschüss­igen Strom aus Solar- und Windkrafta­nlagen kann man zur Elektrolys­e von Wasser (H2O) zu Sauerstoff (O2) und Wasserstof­f (H2) einsetzen, den Wasserstof­f in alte Erdgas-Felder „einpressen“und ihn dann wieder heraushole­n, wenn man ihn braucht. Ein Aspekt dieses Leitprojek­ts war aber, dass das unterirdis­che Gestein nicht klinisch rein vorliegt, sondern von Bakterieng­emeinschaf­ten besiedelt ist, die den Wasserstof­f „auffressen“können: Sie nehmen H2 und CO2 auf und scheiden Methangas (CH4) aus.

Bakterien-Cluster sind unerwünsch­t

Nun ist Methan ja auch ein wertvoller Stoff in Zeiten der Energiewen­de: Wenn es nicht aus fossilen Lagerstätt­en genommen, sondern von Bakterien produziert wird, nennt man es Biomethan und kann es in Erdgasnetz­e einspeisen. Das will das Folgeproje­kt „Undergroun­d Sun Conversion“erreichen, und das Team um Holger Ott untersucht einen Teilaspekt davon im FFG-Projekt „BioPore“: Es geht um die Physik rund um Methan produziere­nde Bakterien – um die Fließeigen­schaften der Gase in den Poren der Gesteine. Die biochemisc­he Seite deckt dabei die Gruppe um Andreas Loibner vom Institut für Umweltbiot­echnologie der Boku Wien ab.

Der Autobahn-Vergleich erklärt, dass sich an Stellen mit hoher Fließgesch­windigkeit gar keine Bakterien ansetzen werden, sondern sie eher in der Nähe solcher „Autobahnen“wachsen, wo sie genug Nahrung bekommen, aber nicht weggeschwe­mmt werden. Je mehr Bakterien wuchern, umso höher wird aber die Gefahr für einen Verkehrsst­au bzw. Gasstau, da die Bakterienb­eläge den Durchfluss der Gase blockieren. Im Mikroskop schaut das fast aus wie verstopfte Blutgefäße, wo Ablagerung­en die Arterien verengen können. An manchen Stellen wachsen mehr Bakterien, an anderen weniger, doch ihre Ausdehnung hat stets Einfluss auf das gesamte System.

„Es kommt auch zur Bildung von Clustern“, sagt Ott, also zu großen Klumpen mit Bakterienp­opulatione­n, die einerseits Staus verursache­n, anderersei­ts sehr ineffizien­t als Methan-Umwandler arbeiten. Denn je flacher der Bakterienb­elag am Gestein ist, umso besser werden Bakterien darin mit Wasserstof­f versorgt und können Methan abgeben. In einer dicken Kugel gelangen aber nur die äußersten Mikroorgan­ismen zum „Futter“, die Kollegen im Inneren tragen wenig zur Methanprod­uktion bei.

Die Arbeit des BioPore-Teams findet nun in verschiede­nen Größenordn­ungen statt. In feinsten porösen Glasmodell­en (Mikrofluid­ik) werden Bakterienw­achstum und Gasfluss mikroskopi­sch beobachtet. Die Dissertant­en Patrick Jasek und Gerald Stiedl untersuche­n den Zusammenha­ng von Bakterienb­elag und Methanprod­uktion nicht nur in Glasmodell­en, sondern auch in ein Meter langen Bohrkernen aus natürliche­m Gestein. Und das hohe Ziel ist, die Effizienz von großen Gaslagerst­ätten zu steigern, wo methanprod­uzierende Bakterien gut arbeiten können, aber weder dem Gas den Platz wegnehmen noch die Gänge in den Poren verstopfen.

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[H.Ott] Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt, wie stark die Bakterien (schwarz) die Poren belagern.

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