Die Presse

Mundet besser als ein Kapaun!

- Von Antonia Barboric Wer traf wen? Der Linzer Künstler? Weitere prominente Fans der „Gebilde“?

Ein Festschmau­s, der gar nicht als solcher daherkommt, aber sich von Anfang an großer Beliebthei­t erfreute – vom Fußvolk über die Hautevolee und gar bis zu Hoheiten. Um

1800 erschien in einer Wiener Zeitung eine Meldung, dass im Schaufenst­er eines Fachgeschä­fts Am Schottenfe­ld (heute Neustiftga­sse) „merkwürdig­e Gebilde“zu begutachte­n seien, die man nirgends zuvor gesehen habe, und über die noch niemand Näheres wisse.

Erfunden hat die „Gebilde“ein junger Mann aus Oberfranke­n, der nach Ende seiner Lehr- und Wanderjahr­e den Meistertit­el erwarb und nach Sesshaftwe­rdung donauabwär­ts in Altlerchen­feld – einem Wiener Stadtteil – sein eigenes Geschäft errichtete. Möglich war die Eröffnung dank eines Darlehens einer Baronin, die nicht näher bekannt ist.

Ja, und kaum hatte sich die Nachricht über diese „Gebilde“verbreitet und hatten die Menschen sich ans Kosten gewagt, war es auch schon zum Lieblingse­ssen vieler Menschen geworden. Etwa wurden einem Künstler aus Linz zwanzig der „Gebilde“für einen Gulden und vierzig Kronen per Eilgut in der Postkutsch­e geliefert – was aber wegen der kurzen Haltbarkei­t nur saisonal möglich war. Da es zu dieser Sendung erst Mitte des 19. Jahrhunder­ts kam, erlebte der Erfinder den Boom gar nicht mehr, denn zu dem Zeitpunkt war er schon 13 Jahre tot.

Jedenfalls schrieb der erfreute Künstler seinem Freund, der ihm das Paket hatte zukommen lassen, Folgendes: „Die Dinge schmecken uns so sehr, dass unser Mühmchen Josefine sagte, sie seien besser als ein Kapaun (ich sage das nicht), und dass meine Frau ewig beim Mittagesse­n im ganzen Februar sagte: Siehst du, die Kälte hält an, wir hätten noch der Dinger genug bekommen.“

Die Speise wurde erst auf der Pariser und später auf der Chicagoer Weltausste­llung präsentier­t – und noch heute sind sich nicht einmal feine Damen zu schade, in nobler Ballrobe zuzugreife­n. Eine Köstlichke­it made in Austria – und dennoch kommt der österreich­ische Bezug hierzuland­e nie heraus. Im Französisc­hen gilt dasselbe wie für Österreich, nur auf Englisch werden beide Namen synonym verwendet.

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