Bier bis in die letzte Note
Innviertel. Eine halbe Autostunde nördlich von Salzburg wird im Biergut Wildshut kreativ gebraut und verkocht.
Wenn der gelernte Braumeister Markus Trinker von seiner Arbeit erzählt, dann kommt die Leidenschaft hoch wie der Schaum auf einem zu schnell eingeschenkten Weizenbier. „Heute hast du beim Bierbrauen eine große Bandbreite, steht beim Hopfen und beim Malz eine enorme Vielfalt zur Verfügung, haben wir allein 200 verschiedene Hopfensorten von klassisch grün-grasig bis zu Noten von Erdbeer und Papaya“, verrät er. Für den Laien klingt das schon wie bei einer Weinverkostung.
Aber es gibt gute Gründe, dem Braumeister das auch zu glauben. Denn er ist im Biergut Wildshut für das kreative Brauen zuständig. Und wer sich in dem gediegenen, vor wenigen Jahren umfassend renovierten Gutshof 30 Kilometer nördlich von Salzburg am Hochufer der Salzach ein wenig umschaut, wird schnell verstehen, dass es zu diesem Grundnahrungsmittel noch einen anderen Zugang gibt als Getränkemärkte und Bierzelte.
Man sollte sich für einen Ausflug nach Wildshut in St. Pantaleon Zeit nehmen, um ins Thema eintauchen. Denn in dem zum Salzburger Stiegl Bräu gehörenden Refugium
geht es um guten Geschmack, um traditionsbewusstes Landleben. Oder wie es der Braumeister sagt: „Bei uns gehört alles zusammen draußen vom Feld bis zum Bierglas auf den Tisch.“Das heißt, dass das Wasser aus der eigenen Quelle kommt, in der eigenen Landwirtschaft mit 140 Hektar alte Getreidesorten wie Pfauengerste, Einkorn oder Schwarzhafer angebaut werden, rechts und links der Straße die Hopfenstangen in den Himmel ragen. Weiter oben am Hang sieht man im Sommer die Pinzgauer Rinder grasen und die Mangalitzaschweine ruhige und nahrhafte Tage verbringen.
Gärung mit Klassik
In der Brauerei, die ganz aus Holz ohne Leim und Metallverbindungen gezimmert wurde, sind auch Mälzerei und Rösterei untergebracht. Dort reihen sich moderne, hochglanzpolierte Anlagen aneinander, wirkt alles ruhig entspannt. Aber Bierbrauen ist auch generell kein lautes und personalintensives Handwerk. Außer während der Nacht, denn dann wird der Schallwandler aktiviert und die Brauerei mit dem Kammerton 432 Hertz samt Klängen von Bach und Mozart versorgt. „Das wirkt beruhigend,“erklärt der Braumeister Trinker, „und das Bier bekommt
während der Gärung optimale Voraussetzungen.“
Für Besucher gibt es zwar keine Kammertöne, dafür werden hier Führungen angeboten, kann man die verschiedenen Biersorten verkosten und ganz konventionell im Restaurant einkehren. Wobei konventionell es nicht wirklich trifft, denn während im rustikal ausstaffierten Restaurant unter dem Kreuzgewölbe überwiegend regional und klassisch aufgetischt wird von der Jausn bis zum Mangalitza Schweinsbraten, sorgt die Getränkekarte für ein paar ungewohnte Begegnungen. Die „Gmahde Wiesn“ist ein mit einer Komposition von Wildkräutern angereichertes helles untergäriges Bier. Dann gibt es ein dunkles, gehaltvolles Bier mit Noten von Schokolade und Mokka. Schwerer Stoff ist
der sogenannte „Sonnenkönig“, ein Weizenbock, der in schottischen Whiskyfässern gereift ist. Dabei bewegt man sich in Preisklassen der besseren önologischen Gesellschaft. 25 Euro für ein Flascherl mit einem halben Liter sind in diesen Bierkreisen Usus.
Brauen wie in der Antike
Zu jedem Bier kann man sich noch mit einem speziellen Biersalz ausrüsten lassen, das dazu da ist, die zum Bier gereichten Speisen anzupassen und zu verfeinern. Eine ziemlich eigenwillige Spezialität wäre da das Urbier. Entstanden ist es aus einem Experiment, das der Braumeister so beschreibt: „Wir wollten so brauen wie in der Antike, wie bei den Sumerern im Zweistromland vor 5000 Jahren.“Also hat man sich Rezepturen besorgt, in Georgien Amphoren nach historischem Vorbild organisiert. Die Maischegärung wird darin abgefüllt, mit Datteln, Honig, Safran, Schafgarbe und Koriander verfeinert und das Ganze in der Erde versenkt über die Wintermonate. Was Ende März dann gehoben wird, kommt abgefüllt in Flaschen ins Sortiment. „Eigentlich ist es ja kein Bier, weil der Hopfen fehlt,“sagt Trinker. Reichlich Stammwürze und acht bis neun Prozent Alkohol sind ja nicht gerade ein leichtes Erfrischungsgetränk. Es ist jedenfalls gewöhnungsbedürftig, man kann es nicht einfach so auf den Tisch stellen, es bedarf einer kurzen Einführung. Und die markant säuerliche Note ist wohl auch nicht jedem bekömmlich.
Bier bis in die Haarspitzen
Der Biergenuss bekommt in Wildshut eine besondere Komplexität. Diverse Edelbrände und HopfenGin, beides aus eigener Produktion, ergänzen das Sortiment. Im Haus wird auch Brot gebacken, und wer es genau wissen will, kann sich noch mit Hopfen-Shampoo und Bier-Haartonic ausrüsten. Man könnte sich hier im Winter gut einschneien lassen. Nur ohne richtige Berge wird sich das nur schwer ausgehen. Angesichts des alkohollastigen Angebots ist der gegenüber liegende Flügel des Gutshofs mit den recht puristisch eingerichteten Gästezimmern und dem Seminarraum eine gescheite Ergänzung.
Man könnte sich hier für ein paar Tage einquartieren, zwischen den Mahlzeiten mit dem Rad Salzburg im Süden, die Seen im Flachgau im Osten und das Innviertel im Norden erkunden und so einen physischen Ausgleich für die herzhafte Verkostung schaffen. Leihräder gibt’s ebenso wie Stand-upPaddles. Eine Landpartie XXL.