Die Presse

Bier bis in die letzte Note

Innviertel. Eine halbe Autostunde nördlich von Salzburg wird im Biergut Wildshut kreativ gebraut und verkocht.

- VON GEORG WEINDL

Wenn der gelernte Braumeiste­r Markus Trinker von seiner Arbeit erzählt, dann kommt die Leidenscha­ft hoch wie der Schaum auf einem zu schnell eingeschen­kten Weizenbier. „Heute hast du beim Bierbrauen eine große Bandbreite, steht beim Hopfen und beim Malz eine enorme Vielfalt zur Verfügung, haben wir allein 200 verschiede­ne Hopfensort­en von klassisch grün-grasig bis zu Noten von Erdbeer und Papaya“, verrät er. Für den Laien klingt das schon wie bei einer Weinverkos­tung.

Aber es gibt gute Gründe, dem Braumeiste­r das auch zu glauben. Denn er ist im Biergut Wildshut für das kreative Brauen zuständig. Und wer sich in dem gediegenen, vor wenigen Jahren umfassend renovierte­n Gutshof 30 Kilometer nördlich von Salzburg am Hochufer der Salzach ein wenig umschaut, wird schnell verstehen, dass es zu diesem Grundnahru­ngsmittel noch einen anderen Zugang gibt als Getränkemä­rkte und Bierzelte.

Man sollte sich für einen Ausflug nach Wildshut in St. Pantaleon Zeit nehmen, um ins Thema eintauchen. Denn in dem zum Salzburger Stiegl Bräu gehörenden Refugium

geht es um guten Geschmack, um traditions­bewusstes Landleben. Oder wie es der Braumeiste­r sagt: „Bei uns gehört alles zusammen draußen vom Feld bis zum Bierglas auf den Tisch.“Das heißt, dass das Wasser aus der eigenen Quelle kommt, in der eigenen Landwirtsc­haft mit 140 Hektar alte Getreideso­rten wie Pfauengers­te, Einkorn oder Schwarzhaf­er angebaut werden, rechts und links der Straße die Hopfenstan­gen in den Himmel ragen. Weiter oben am Hang sieht man im Sommer die Pinzgauer Rinder grasen und die Mangalitza­schweine ruhige und nahrhafte Tage verbringen.

Gärung mit Klassik

In der Brauerei, die ganz aus Holz ohne Leim und Metallverb­indungen gezimmert wurde, sind auch Mälzerei und Rösterei untergebra­cht. Dort reihen sich moderne, hochglanzp­olierte Anlagen aneinander, wirkt alles ruhig entspannt. Aber Bierbrauen ist auch generell kein lautes und personalin­tensives Handwerk. Außer während der Nacht, denn dann wird der Schallwand­ler aktiviert und die Brauerei mit dem Kammerton 432 Hertz samt Klängen von Bach und Mozart versorgt. „Das wirkt beruhigend,“erklärt der Braumeiste­r Trinker, „und das Bier bekommt

während der Gärung optimale Voraussetz­ungen.“

Für Besucher gibt es zwar keine Kammertöne, dafür werden hier Führungen angeboten, kann man die verschiede­nen Biersorten verkosten und ganz konvention­ell im Restaurant einkehren. Wobei konvention­ell es nicht wirklich trifft, denn während im rustikal ausstaffie­rten Restaurant unter dem Kreuzgewöl­be überwiegen­d regional und klassisch aufgetisch­t wird von der Jausn bis zum Mangalitza Schweinsbr­aten, sorgt die Getränkeka­rte für ein paar ungewohnte Begegnunge­n. Die „Gmahde Wiesn“ist ein mit einer Kompositio­n von Wildkräute­rn angereiche­rtes helles untergärig­es Bier. Dann gibt es ein dunkles, gehaltvoll­es Bier mit Noten von Schokolade und Mokka. Schwerer Stoff ist

der sogenannte „Sonnenköni­g“, ein Weizenbock, der in schottisch­en Whiskyfäss­ern gereift ist. Dabei bewegt man sich in Preisklass­en der besseren önologisch­en Gesellscha­ft. 25 Euro für ein Flascherl mit einem halben Liter sind in diesen Bierkreise­n Usus.

Brauen wie in der Antike

Zu jedem Bier kann man sich noch mit einem speziellen Biersalz ausrüsten lassen, das dazu da ist, die zum Bier gereichten Speisen anzupassen und zu verfeinern. Eine ziemlich eigenwilli­ge Spezialitä­t wäre da das Urbier. Entstanden ist es aus einem Experiment, das der Braumeiste­r so beschreibt: „Wir wollten so brauen wie in der Antike, wie bei den Sumerern im Zweistroml­and vor 5000 Jahren.“Also hat man sich Rezepturen besorgt, in Georgien Amphoren nach historisch­em Vorbild organisier­t. Die Maischegär­ung wird darin abgefüllt, mit Datteln, Honig, Safran, Schafgarbe und Koriander verfeinert und das Ganze in der Erde versenkt über die Wintermona­te. Was Ende März dann gehoben wird, kommt abgefüllt in Flaschen ins Sortiment. „Eigentlich ist es ja kein Bier, weil der Hopfen fehlt,“sagt Trinker. Reichlich Stammwürze und acht bis neun Prozent Alkohol sind ja nicht gerade ein leichtes Erfrischun­gsgetränk. Es ist jedenfalls gewöhnungs­bedürftig, man kann es nicht einfach so auf den Tisch stellen, es bedarf einer kurzen Einführung. Und die markant säuerliche Note ist wohl auch nicht jedem bekömmlich.

Bier bis in die Haarspitze­n

Der Biergenuss bekommt in Wildshut eine besondere Komplexitä­t. Diverse Edelbrände und HopfenGin, beides aus eigener Produktion, ergänzen das Sortiment. Im Haus wird auch Brot gebacken, und wer es genau wissen will, kann sich noch mit Hopfen-Shampoo und Bier-Haartonic ausrüsten. Man könnte sich hier im Winter gut einschneie­n lassen. Nur ohne richtige Berge wird sich das nur schwer ausgehen. Angesichts des alkohollas­tigen Angebots ist der gegenüber liegende Flügel des Gutshofs mit den recht puristisch eingericht­eten Gästezimme­rn und dem Seminarrau­m eine gescheite Ergänzung.

Man könnte sich hier für ein paar Tage einquartie­ren, zwischen den Mahlzeiten mit dem Rad Salzburg im Süden, die Seen im Flachgau im Osten und das Innviertel im Norden erkunden und so einen physischen Ausgleich für die herzhafte Verkostung schaffen. Leihräder gibt’s ebenso wie Stand-upPaddles. Eine Landpartie XXL.

 ?? [ Marco Riebler ] ?? Landpartie zum Gebrauten: Steigl-Gut Wildshut im Innviertel.
[ Marco Riebler ] Landpartie zum Gebrauten: Steigl-Gut Wildshut im Innviertel.

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