Aus für Impfpflicht und Tests?
Coronavirus. Die angekündigte Impflotterie ist abgesagt. Auch die Impfpflicht könnte es bald sein, sollten es Experten empfehlen, sagt Kanzler Nehammer (ÖVP). Deren Gegenrede wird täglich lauter.
Im November für 1. Februar verkündet, vor zehn Tagen in Kraft getreten und nun womöglich schon wieder obsolet: Die umstrittene Corona-Impfpflicht inklusive Kontrollen ab Mitte März wird angesichts der Omikron-Welle von immer mehr Experten und Politikern infrage gestellt – nun auch vom Regierungschef höchstpersönlich.
Impfpflicht wackelt
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) räumte am Wochenende in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ein, dass man die Impfpflicht womöglich aussetzen werde. Auf die Frage, ob sie bald schon Geschichte sein könnte, lautete seine Antwort: „Wenn es die Expertinnen und Experten so beurteilen und der Regierung vorschlagen, dann ja.“Die Kommission, die das Impfpflichtgesetz laufend evaluieren soll, existiert allerdings noch gar nicht. Sie soll sich erst in den kommenden Tagen formieren, heißt es.
Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer schrieb unterdessen am Sonntag in einem Kommentar in der „Kleinen Zeitung“, dass „wir unsere Entscheidungen weiterhin auf Basis wissenschaftlicher Evidenz treff en und langfristig planen“. Inhaltlich sei das ident zu Nehammer, heißt es aus ihrem Umfeld.
Zwei Tage vor dem Öffnungsgipfel am Mittwoch zeichnet sich damit ab, wohin die Reise gehen könnte: Trotz anhaltender Neuinfektionen von rund 30.000 Fällen pro Tag und 200 Patienten auf den Intensivstationen stehen die Zeichen auf Lockerung – und einer möglichen Abkehr vom „Scharfstellen“der Impfpflicht. Die politische Debatte, ob ein Festhalten an der Impfpflicht noch Sinn ergebe, war in der Vorwoche von den Landeshauptleuten Peter Kaiser (SPÖ) und Wilfried Haslauer (ÖVP) angestoßen worden. „Sollte die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen kommen, dass es die Impfpflicht nicht mehr braucht, bin ich die Erste, die dafür eintritt, sie auszusetzen“, sagte Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Donnerstag. Thomas Stelzer (ÖVP) reihte sich mit plakativer Skepsis ein.
Zur Erinnerung: Als ÖVP-Ex-Kanzler Alexander Schallenberg, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und die Landeshauptleute im November Lockdown inklusive Impfpflicht paktierten, war Letztere ein zentraler Wunsch der Landeshauptleute. Nun sind wiederum sie die Ersten, die sie – angesichts bevorstehender Landtagswahlen – öffentlich anzweifeln. Lediglich Vorarlbergs Markus Wallner (ÖVP), derzeit Chef der Landeshauptleutekonferenz, trat im ORF auf die Bremse. Vor einem „generellen Abschaffen“würde er „warnen“, sagte er am Samstag. SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, mit der man – wie auch mit den Neos – das Gesetz verhandelt und beschlossen hat, spricht sich weiterhin für ein Festhalten aus.
Für eine Abkehr spricht unterdessen, dass viele von Nehammer ins Treffen geführte Experten immer lauter ein Aussetzen fordern – am Sonntag war es etwa Tirols Ärztekammerpräsident, Artur Wechselberger. Man müsse sich die Frage stellen, ob es „noch unbedingt notwendig ist, diese Spaltung der Gesellschaft in Kauf zu nehmen“, sagte er. Darüber hinaus forderte er das Aus sämtlicher Coronamaßnahmen und eine „vollkommene Rückkehr zur Normalität“, sobald die Omikron-Welle vorbei ist.
Impflotterie abgesagt
Fix ist, dass die von der SPÖ angeregte Impflotterie nicht kommt. Die Idee, sie über den ORF abzuwickeln, sei nicht machbar, sagte Nehammer in der „Krone“. „Das ist schade, aber kein Beinbruch.“Das Geld solle betroffenen Berufsgruppen, etwa Pflegepersonal oder Polizei, zugutekommen. Die SPÖ wies die Aussage daraufhin als falsch zurück. Nehammer verbreite „dreist Unwahrheiten“, twitterte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Die Idee mit dem ORF sei von der Regierung gekommen. Tatsächli ch sei das ein Kompromissvorschlag gewesen, heißt es aus dem grünen Klub zur „Presse“.
PCR-Tests infrage gestellt
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sprach sich am Sonntag unterdessen für ein Ende der kostenlosen PCRTests aus. Es gebe eine Gratis-Im pfung für alle, und „man wird der Mehrheit auf Dauer nicht erklären können, warum sie die Tests für die Minderheit zahlen soll“, sagte sie in der ORF-„Pressestunde“. In Hinblick auf den Öffnungsgipfel plädierte sie für ein Überdenken der unübersichtlichen 2-G-Regeln. Sie wolle mehr auf die Impfung und auf FFP2Masken setzen.