Die Presse

Die Tücken der Bitcoin-Verwahrung

Schlüssel. Wer Bitcoin erworben hat, steht vor einem Dilemma: Soll er sie quasi bei den Börsen liegen lassen und Fremden den Zugang überlassen? Oder soll er die Schlüssel selbst verwahren, mit dem Risiko, sie unwiederbr­inglich zu verlieren?

- VON BEATE LAMMER BITCOIN & BLOCKCHAIN VON BEATE LAMMER

Wien. Wer will schon zu jenen Leuten gehören, die auf Mülldeponi­en nach ihren alten Festplatte­n suchen, um den Zugang zu ihren Bitcoin wiederzufi­nden? Da lässt man seine Zugangscod­es lieber in den Händen anderer. Viele Anleger, die Bitcoin (oder andere Kryptowähr­ungen) auf einer Kryptobörs­e wie Bitpanda, Coinbase, Binance oder Kraken erwerben, lassen sie gleich dort liegen, wie es salopp heißt. Denn streng genommen sind die

Bitcoin immer auf der Blockchain gespeicher­t, es geht um die Verwahrung der Zugangssch­lüssel.

Diese den Börsen zu überlassen hat zweifellos viele Vorteile: Wenn man die digitalen Münzen wieder verkaufen will, sind sie bereits am richtigen Ort. Verliert man seine Zugangsdat­en, kann einem die Börse helfen, wieder an seine Bitcoin zu kommen. Verstirbt man plötzlich, ohne Vorkehrung­en getroffen zu haben, können die Erben Zugang erhalten.

Wem gehört der Schlüssel?

Die Sache hat jedoch einen entscheide­nden Nachteil: „Not your keys, not your coins“, heißt es in der Kryptowelt. Wenn du nicht selbst den Schlüssel hast, sind es auch nicht deine Münzen. Wenn die Börse gehackt wird oder sich die Betreiber aus dem Staub machen (was in der Vergangenh­eit durchaus passiert ist), können die Bitcoin weg sein. Nun sind renommiert­e Börsen heute meist gut geund versichert. Und auch Privatpers­onen können bestohlen werden. Doch lohnt es sich wohl weniger, ein Privatkont­o zu hacken, als eine Börse. „Private sind auch nicht so leicht angreifbar“, meint Florian Wimmer, Chef des Unternehme­ns Blockpit, das Kryptoanle­gern beim Steuerrepo­rting hilft. Will etwa der Staat die Bitcoin beschlagna­hmen, kann er die Börsen zur Herausgabe zwingen. Es widerspric­ht auch der Idee einer dezentrale­n Währung, wenn Börsen Zugriff auf so viele Bitcoin haben.

Natürlich sei es kein Problem, kleine Mengen bei der Börse liegen zu lassen, sagt Bitcoin-Experte Nikolaus Jilch. „Wenn man aber mehr als nur Kleingeld in Bitcoin hält, sollte man über Self-Storage nachdenken.“Er fügt hinzu: „Es geht auch darum, die Technologi­e besser zu verstehen. Dazu muss man sie nutzen.“

Verstecken, nicht verlieren

Der Private-Key ist der Schlüssel, der einem Zugang zu seinen Bitcoin auf der Blockchain gewährt. Der Private-Key (eine zufällig generierte Abfolge von Buchstaben und Ziffern) ist nicht zur verwechsel­n mit dem Public-Key, der öffentlich­en Adresse, mit der man Bitcoin versenden oder empfangen kann und die man natürlich weitergebe­n kann. Beim Private-Key sollte man das nicht tun. Verlieren darf ihn auch nicht. Das ist das Dilemma: Der Vorteil von Bitcoin (es gibt keine zentrale Instanz und keine Mittelsmän­ner) wird dann schnell zum Nachteil.

Verwahren kann man seine Schlüssel auch auf Handy-Wallets und Hardware-Wallets. Erstere kann man sich als App auf das Handy lagen und kleine Zahlungen im Alltag tätigen – überall, wo Bitcoin akzeptiert werden. Doch sollten die Anbieter auch vertrauens­würdig sein, sagt Wimmer.

Noch ein Risiko gibt es: Wenn jemand das Handy stiehlt und entsperrt, kommt er leicht an die Bitcoin heran. Große Summen sollte man daher lieber auf HardwareGe­räten aufbewahre­n, die vom Internet getrennt sind (außer man will gerade Coins versenden). Trezor und Ledger zählen zu den größten Anbietern. Wimmer rät, die Geräte jedenfalls bei den Hersteller­n und keinesfall­s gebraucht zu kaufen. Nur so sei man sicher, dass man der Einzige sei, der Zugang habe. Um auf die Bitcoin zuzugreife­n, benötigt man neben dem Gerät auch einen PIN-Code. Getrennt davon sollte man den Private-Key aufbewahre­n. Mit diesem kann man auf seine Münzen zugreifen, wenn das Gerät verloren geht oder kaputt wird. Wenn man eine Wallet einrichtet (auf dem Handy oder einem Hardware-Gerät), werden Seed-Wörter (zwölf oder 24 englische Wörter, die man sich in der richtigen Reihenfolg­e merken oder notieren muss) generiert. Auch mit diesen kann man auf sein Vermögen zugreifen.

Notar oder Schnitzelj­agd

Das Problem: Verliert man SeedWörter und Private-Key, kann einem niemand helfen, wieder Zugang zu seinen Bitcoin zu erhalten. Speichert man sie aber auf dem Handy oder notiert sie auf einem Zettel und findet sie jemand anderer, kann dieser sich problemlos die digitalen Münzen aneignen. Manche legen ihre Codes in ein Bankschlie­ßfach, andere bringen sie zu einem Notar, der dann hoffentlic­h nicht korrupt ist.

Man könne auch zehn der zwölf Seed-Wörter notieren und sich zwei merken, sagt Wimmer. Für seine Erben habe er eine Art Schnitzelj­agd vorbereite­t, über die sie vollständi­gen Zugang erhalten können. Ein zufriedens­tellende Lösung für das Bitcoin-VerwahrPro­blem gebe es noch nicht. Am besten sei es, seine Bitcoin aufzuteile­n, kleine Mengen auf dem Handy-Wallet zu haben, jene Münzen, die man handeln will, bei den Börsen – und den Rest auf einem Hardware-Wallet. „Irgendwann werden klassische Banken diese Dienstleis­tung anbieten“, sagt Jilch. Die Zukunft von Bitcoin werde sich zwischen Self-Storage und Trusted-Storage abspielen, wie bei Gold, das man teils im Banktresor lagere, teils zu

Hause vergrabe.

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