Die Tech-Firmen haben sich nicht geändert, aber die Anleger
Die Probleme, die Meta, Netflix oder Delivery Hero so stark abstürzen ließen, sind nicht neu. Man schenkt ihnen jetzt aber wieder Beachtung.
Meta erlebte in absoluten Zahlen den stärksten BörsenwertVerlust, den je ein Konzern an einem Tag erlitten hat.
Die Serie von vor Kurzem noch erfolgreichen Technologieaktien, die nach enttäuschenden Quartalszahlen tief abstürzen, reißt nicht ab. Nachdem in den vergangenen Wochen etwa der Zahlungsdienstleister PayPal, die Facebook-Mutter Meta oder der Videostreaming-Anbieter Netflix mit Kursabstürzen von je mehr als 20 Prozent auf ihre Quartalsberichte reagiert haben, hat es am vorigen Donnerstag Delivery Hero erwischt: Die Aktie des Essenslieferanten rasselte um mehr als 30 Prozent in die Tiefe, es war einer der größten prozentuellen Tagesverluste, den je ein DAX-Konzern erlebt hat; am Freitag ging es weiter hinunter.
Auch die Meta-Aktie konnte mit einem negativen Rekord aufwarten. Sie erlebte in absoluten Zahlen den stärksten Börsenwert-Verlust, den je ein Unternehmen an einem einzigen Tag erlitten hat: Der Marktwert von
Facebook sank am Tag der Zahlenvorlage um 230 Mrd. Dollar. Gut, immerhin handelt es sich – noch – um einen der größten Konzerne der Welt.
Doch was hat die Marktteilnehmer so erschreckt, dass sie den Unternehmen, die sie während der Pandemie noch so geliebt hatten, so plötzlich den Rücken kehrten? Im Nachhinein wird nach Gründen gesucht, so richtig überzeugend ist keiner. Delivery Hero etwa enttäuschte mit seinem Ausblick und dürfte vorerst nicht aus der Verlustzone kommen. Das Unternehmen schreibt aber schon seit Jahren rote Zahlen, bisher hat das die Anleger nicht gestört. Nun wollen sie für die Aktie nicht einmal ein Drittel dessen zahlen, was sie vor 13 Monaten zu zahlen bereit waren.
Netflix hat seit Jahren mit dem Problem zu kämpfen, dass die Konkurrenz durch Disney+, Amazon Prime oder Apple TV wächst und dass man daher viel Geld für neue Blockbuster-Serien in die Hand nehmen muss. Dass die Nutzerzahlen nicht mehr so stark wachsen wie während der Pandemie, kam auch nicht wirklich überraschend. Dass die Facebook-Plattform, auf der fast zwei Milliarden Menschen aktiv sind, nicht mehr viele neue Nutzer anzieht, die noch dazu täglich aktiv sind, sollte auch kaum jemanden verwundern. Auch das Problem mit den strengeren Datenschutz-Regeln von Apple, die es schwieriger machen, iPhone-Nutzern Facebook-Werbung zu zeigen, ist schon seit Monaten bekannt.
Die extrem steilen Abstürze haben viele Analysten kalt erwischt. Sie kommen mit dem Kursziel-Senken kaum nach. Ihre durchschnittlichen Kursziele (das, was sie für faire Preise halten) liegen nun weit über den gegenwärtigen Kursen. Bei Delivery Hero sind sie fast drei Mal so hoch, bei Meta und PayPal liegen sie um die Hälfte über dem jüngsten Kurs, bei Netflix um 30 Prozent. Als häufige Erklärung für die Abstürze muss die veränderte AnlegerStimmung herhalten. Der jüngste Meta-Quartalsbericht habe die Anleger der Facebook-Mutter an die Mischung aus Plattform-Umstellung,
Margenrückgang und ausgeprägter Kursvolatilität erinnert, die sie bereits im Sommer 2018 angetroffen hätten, schrieben etwa die Analysten von Goldman Sachs. Von Juli bis Dezember 2018 hatte die Meta-Aktie 43 Prozent ihres Werts verloren – in etwa so viel wie auch diesmal seit dem Rekordhoch vom vorigen September.
Delivery Hero wiederum agiere in einem Umfeld, in welchem „der Markt stark wachsende, aber verlustreiche Anlagen nicht mehr liebt“, erklären die Barclays-Experten. Die Probleme von Delivery Hero sind nicht neu, ebenso wenig wie die von Meta, Netflix oder PayPal. Doch schenken ihnen die Anleger nun – in Zeiten steigender Zinsen, von Kriegsangst und abflauender Digitalisierungsfantasie – Beachtung. Das Angst-undGier-Barometer von CNN Money steht auf Angst. Das ist kein ausschließlich schlechtes Zeichen. Wenn die Euphorie abgeebbt ist, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die nächsten Überraschungen positiv ausfallen.