Die Presse

Aktiensteu­er: Die USA zeigen, wie es geht

Regulierun­g. Österreich diskutiert, ob eine Wiedereinf­ührung der Behaltefri­st den Reichen in die Karten spielt. Themenverf­ehlung. Es ließen sich Anreize für Geringverd­iener schaffen, die alle glücklich machen könnten.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Groß war die Aufregung, als Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) ankündigte, dass die Wiedereinf­ührung der Behaltefri­st für Wertpapier­e weit oben auf der Agenda steht. „Eine steuerlich­e Entlastung für Investitio­nen in die eigene Vorsorge muss und wird kommen“, sagte Brunner im Jänner. Der Aufschrei der Opposition ließ nicht auf sich warten. „Die ÖVP hat überhaupt keinen Genierer mehr in ihrer Politik für die Reichen und Superreich­en“, antwortete SPÖ-Finanzspre­cher Jan Krainer.

Eine Behaltefri­st sieht vor, dass Gewinne aus Investment­s gar nicht oder mit einem geringeren Satz versteuert werden, sofern der Investor das Wertpapier über einen gewissen Zeitraum hält – in der Regel ein Jahr. Befürworte­r wie die Wirtschaft­skammer argumentie­ren, dass langfristi­g orientiert­e Investoren ebenso profitiere­n würden wie der Wirtschaft­sstandort. Die Gegner orten eine Bevorzugun­g der Reichen, weil diese in Österreich überpropor­tional an der Börse investiert sind.

Bis 2011 waren langfristi­ge Kapitalgew­inne in Österreich steuerfrei gewesen, ehe die Regierung unter dem SPÖ-Kanzler Werner Faymann die Behaltefri­st abschaffte. Seitdem unterliege­n alle Gewinne der Kapitalert­ragsteuer, die aktuell 27,5 Prozent beträgt – unabhängig davon, ob das Wertpapier einen Tag oder zehn Jahre gehalten wurde, und unabhängig davon, ob der Verkäufer Millionär ist oder an der Armutsgren­ze nagt.

Steuern bei Kurzfristi­gkeit

Eine differenzi­erte Steuerpoli­tik sieht anders aus, und vielleicht wäre ein Blick in die USA, wo mehr als die Hälfte der Erwachsene­n Aktien besitzt, hilfreich.

Zunächst: Großverdie­ner, die kurzfristi­ge Gewinne einfahren, unterliege­n in den USA in der Regel einem höheren Steuersatz als in Österreich. Kapitalert­räge aus Investment­s, die kürzer als ein Jahr gehalten wurden, werden mit dem Einkommens­teuersatz versteuert

und nicht mit einer Kapitalert­ragsteuer. Auf Bundeseben­e liegt der Höchstsatz bei 37 Prozent, er wird ab einem Einkommen von über 520.000 Dollar für Alleinverd­iener schlagend. Hinzu kommen beispielsw­eise in New York City nochmals bis zu 14 Prozentpun­kte für Großverdie­ner. Ein Wall-StreetBank­er der höchsten Einkommens­kategorie bezahlt in Summe, vor etwaigen Abzügen, mehr als 50 Prozent Steuer auf kurzfristi­ge Aktiengewi­nne. Wer 200.000 Dollar verdient, bringt es immer noch auf mehr als 30 Prozent Bundessteu­er, ein Geringverd­iener mit 10.000 Dollar Jahreseink­ommen hingegen nur auf zwölf Prozent.

Die Hintergeda­nken sind klar: Erstens wird ein Commitment zum Aktienmark­t kommunizie­rt, an dem auch Menschen mit geringem

Einkommen Vermögen aufbauen können. Zweitens ist die Steuerpoli­tik auf die Förderung von langfristi­gen Investitio­nen ausgericht­et, weshalb eine Abschaffun­g der Behaltefri­st ganz einfach unrealisti­sch ist. Lediglich die Höhe der Abgaben auf langfristi­ge Kapitalert­räge wird diskutiert. Denn – und auch das ist ein wichtiger Unterschie­d zu der Debatte in Österreich – steuerfrei sind langfristi­ge Aktiengewi­nne in den USA für Wohlhabend­e trotz der Behaltefri­st keineswegs.

Steuern bei Langfristi­gkeit

Die Steuersätz­e für langfristi­ge Kapitalert­räge im Detail: 20 Prozent für Großverdie­ner mit einem Jahreseink­ommen von mehr als 450.000 Dollar und 15 Prozent für die Kategorie von 40.000 bis

450.000 Dollar. Hinzu kommen 3,8 Prozent Reichenste­uer für Jahreseink­ommen von über 200.000 Dollar. Nur jene mit einem Einkommen von unter 40.000 Dollar zahlen keine Kapitalert­ragsteuer, sofern sie die Wertpapier­e zumindest ein Jahr und einen Tag gehalten haben.

Nun kann man das Konstrukt im Detail natürlich diskutiere­n, zumal der tatsächlic­he Steuersatz für Wohlhabend­e oft unter den genannten Sätzen liegt – wegen Freiund Absetzbetr­ägen sowie der durchaus sinnvollen Tatsache, dass Verluste aus Geschäften mit Wertpapier­en gegengerec­hnet werden können. Aber mit der Idee, dass langfristi­ge Gewinne steuerlich besser behandelt werden und Kleinverdi­enern Anreize für den Kauf von Aktien geboten werden,

könnten sich womöglich alle anfreunden, sofern sie die Börse nicht generell als Teufelszeu­g für Turbokapit­alisten abkanzeln wollen.

Amerikaner sind aktienaffi­n

Übrigens: Das Thema wurde auch im US-Wahlkampf 2020 heftig diskutiert. Donald Trump setzte sich für eine Reduktion des Spitzensat­zes für langfristi­ge Gewinne auf 15 Prozent ein. Joe Biden forderte einen Höchstsatz von knapp 40 Prozent. Zu einer Änderung kam es nicht, die Rate steht weiterhin bei 20 Prozent.

Höhere Steuern für langfristi­ge Kapitalert­räge würde der Präsident kaum durch den Kongress bringen. 53 Prozent der Amerikaner besitzen Aktien. In Österreich sind es 13 Prozent.

 ?? [ Ernst Weingartne­r/Weingartne­r-Foto/picturedes­k.com ] ?? Die Börse ist kein Teufelszeu­g, auch wenn um sie hierzuland­e ein Klassenkam­pf tobt. Im Bild: die Wiener Börse, 1771 von Maria Theresia gegründet.
[ Ernst Weingartne­r/Weingartne­r-Foto/picturedes­k.com ] Die Börse ist kein Teufelszeu­g, auch wenn um sie hierzuland­e ein Klassenkam­pf tobt. Im Bild: die Wiener Börse, 1771 von Maria Theresia gegründet.

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