Junge Anleger sind gar nicht so risikobereit
Anlegerstudie. 30 Prozent der Erstanleger gehören zur unteren Hälfte der Einkommensverteilung, zeigt eine Umfrage im Auftrag des Neobrokers Trade Republic. Zudem sind Neuanleger viel risikoscheuer als erfahrene Investoren.
Wien. Im Zuge der Corona-Lockdowns haben viele junge Menschen den Aktienmarkt entdeckt und sich erstmals mit Börsenhandel versucht – häufig online über einen Neobroker. Einer davon, Trade Republic, hat bei DIW Econ eine Studie („Hype or New Normal? Einblicke in Motivation und Verhalten einer neuen Generation von Anleger:innen“) in Auftrag gegeben, um Aufschluss zu erhalten, wer diese neuen Anleger eigentlich sind. 216.000 Nutzer haben sich beteiligt. Nachdem jene ausgeschlossen wurden, die noch nie gehandelt haben oder weniger als 100 Euro auf ihrem Konto hatten, blieben 200.000 übrig.
47 Prozent davon waren Erstanleger, die im Schnitt 37 Prozent ihres Vermögens auf dem Kapitalmarkt investieren. „Die Untersuchungen zeigen, dass eine neue Generation von Anlegern heranwächst, die einen signifikanten Teil ihres Vermögens auf dem Kapitalmarkt investiert“, stellte Alexander
Kritikos, Ökonom und Senior Research Associate bei DIW Econ, fest.
70 Prozent der Umfrageteilnehmer waren jünger als 35 Jahre. Während bei den erfahrenen Anlegern die höchsten beiden Einkommensdezile am stärksten vertreten sind und Geringverdiener seltener mit Aktien handeln, zeigte sich bei den Neueinsteigern ein anderes Bild: 30 Prozent gehörten zur unteren Hälfte der Einkommensverteilung, nicht einmal ein Drittel zu den oberen 20 Prozent. Damit unterscheiden sich Nutzer von Neobrokern deutlich von allen Kapitalanlegern in Deutschland, mit denen die Studie ebenfalls verglichen hat: Letztere sind im Schnitt älter und gehören zu den oberen Einkommensschichten.
Weniger überraschend ist die Motivation der Anleger: 77 Prozent investieren, weil es keine lukrative Alternative gibt, um zu sparen. 72 Prozent wollen einen langfristigen Beitrag zu ihrer Altersvorsorge leisten. Kurzfristig Gewinne machen wollen 34 Prozent, während 37 Prozent das ablehnen. Nur einer Minderheit von 20 Prozent macht der Nervenkitzel Spaß, bei 56 Prozent ist das nicht der Fall.
„Mit dieser Studie wollen wir auch einen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten. Immer wieder wird gemutmaßt, dass vor allem junge Menschen ihr Geld blind und riskant anlegen, mit einem hohen Risiko, es zu verlieren. Die mit der Studie erhobenen Daten widerlegen diese These klar“, meint Christian Hecker, Mitgründer von Trade Republic.
Im Schnitt 7,1 Prozent Rendite
Sowohl Erstanleger als auch erfahrene Investoren kaufen bevorzugt Aktien. Bei den Erfahrenen ist das mit 63 Prozent aber noch stärker der Fall als bei den Neuanlegern (56 Prozent). ETFs – die Abkürzung steht für „Exchange Traded Funds“, dabei handelt es sich um börsegehandelte Fonds ohne Fondsmanager, die meist einfach einen Index nachbilden – sind bei Erstanlegern (31 Prozent) beliebter als bei erfahrenen Anlegern (22 Prozent). Jeweils etwa zwölf Prozent halten Bargeld, Derivate machen nur zwei Prozent der Portfolios aus. Kryptowährungen konnten erst nach der Umfrage gehandelt werden und waren daher nicht Gegenstand der Studie, die im Sommer 2021 durchgeführt wurde.
Die Umfrage zeigte auch, dass Erstanleger weniger bereit sind, für eine höhere Rendite ein erhöhtes Risiko einzugehen, als erfahrene Anleger. Dementsprechend investierten sie stärker in ETFs.
Jeder zweite Befragte schaffte eine jährliche Rendite von 7,1 Prozent. Wer schon länger als zwölf Monate investierte, brachte es auf einen Wert von 11,1 Prozent. Es zeigte sich auch, dass Anleger, die angaben, längerfristig orientiert zu sein, mit 8,7 Prozent einen höheren Ertrag erzielten als Anleger, die auf kurzfristige Gewinne fokussiert waren (zwei Prozent). Die Verteilung war jedoch sehr breit: Während fünf Prozent der Anleger mehr als 90 Prozent verloren, konnten etwa zwölf Prozent ihr Kapital mehr als verdoppeln.