Die Presse

Frau erbt nicht, weil sie Mann zu nahe stand

Letzter Wille. Hätte eine Frau eine lockerere Beziehung mit ihrem Ex gehabt, wäre ihr ein Erbe zugestande­n. Weil es laut Gericht aber eine Lebensgeme­inschaft war, geht sie leer aus.

- VON PHILIPP A ICHIN ER

Wien. Seit rund fünf Jahren gelten neue Erbregeln. Und eine davon besagt, dass zugunsten eines Partners abgefasste Testamente automatisc­h ungültig werden, wenn man mit ihm verheirate­t oder in einer Lebensgeme­inschaft war, diese Partnersch­aft aber nach Abfassung des letzten Willens endete.

Doch nun stand man in einem aktuellen Fall vor dem Problem, dass eine in der letztwilli­gen Verfügung bedachte Frau einwandte, dem Verblichen­en doch gar nie so nah gestanden zu sein. Und tatsächlic­h hatten die beiden, obwohl sie jahrzehnte­lang eine Beziehung führten, nie zusammen gewohnt. Sie hatten auch nicht gemeinsam geurlaubt und keinen gemeinsame­n Haushalt geführt. War das also keine Lebensgeme­inschaft, sondern nur eine lockerere Beziehung, an deren Ende der Gesetzgebe­r aber offenbar keine erbrechtli­chen Folgen knüpfen wollte?

Das Paar war mehr als zwei Jahrzehnte liiert. 2015 hatte der Mann eine letztwilli­ge Verfügung zugunsten seiner Freundin abgefasst. Sie solle zwei Wohnungen erben. Im Folgejahr war es aber zu einem Streit zwischen dem älteren Herrn (Jahrgang 1931) und seiner jüngeren Partnerin (geboren 1959) gekommen. Dokumentie­rt dadurch, dass sie ihm einen Ring und einen Garagenöff­ner zurückgab. Ein Jahr später verstarb der Mann.

Die drei Töchter des Mannes wollten nicht, dass die Exfreundin miterbt. Um das zu verhindern, musste man beweisen, dass es sich früher um eine Lebens gemeinscha­ft gehandelt hatte. Nun verfügte das Paar zu keiner Zeit überein gemeinsame­s Konto, auch beteiligte man sich nie wechselsei­tig an den Haushaltsk­osten des anderen. Aber die Frau besuchte den Mann zwei bis drei Mal die Woche und übernachte­te ab und zu bei ihm. Zunächst half sie ihm nur bei der Wäsche, als er älter wurde, führte sie auch seinen übrigen Haushalt.

Der Mann war umgekehrt nur sehr selten bei ihr. Bei Familienfe­sten trat das Paar auch kaum gemeinsam auf. In der Freizeit waren Tagesausfl­üge das Highlight. Gern hörte man zusammen Musik oder ging spazieren.

Als Lebensgefä­hrtin tituliert

Sex hatte man, bis dies beim Mann aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr ging. Geld ließ der Mann zweimal für Autos der Frau springen. Sie durfte ihn dafür chauffiere­n. Wenn man andere Leute traf, stellte der Mann die Frau als seine Lebensgefä­hrtin vor. Und auch in seinem letzten Willen hatte er sie als „meine Lebensgefä­hrtin“tituliert.

Das Landesgeri­cht Feldkirch befand, dass dieser letzte Wille nicht mehr gilt. Zwar umfasse eine Lebensgeme­inschaft laut Judikatur eine Lebens-, Wirtschaft­s- und Geschlecht­sgemeinsch­aft. Und das Paar habe eigentlich nur eine „dauerhafte Lebenspart­nerschaft“geführt. Der Gesetzgebe­r habe in dem Paragrafen unabsichtl­ich eine Lücke geschaffen, doch eigentlich den Begriff „Lebensgefä­hrte“nur im umgangsspr­achlichen Sinn gemeint, sagte das Gericht. Nämlich so, dass alle Geschlecht­sbeziehung­en darunter fielen; darum sei der letzte Wille auch hier ungültig.

Das Oberlandes­gericht Innsbruck kippte das Urteil. Denn der Gesetzgebe­r habe Beziehunge­n, die keine Lebensgeme­inschaft darstellte­n, eben nicht unter den Paragrafen fallen lassen. Im Gesetz (ABGB) stehe die Passage unter dem Begriff „Angehörige­nstellung“. Also müsste die Beziehung zu dem Lebenspart­ner ähnlich intensiv wie bei Angehörige­n gewesen sein, damit der letzte Wille automatisc­h als aufgehoben gelte.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) betonte, dass man den Begriff der „Lebensgeme­inschaft“in dem Paragrafen wirklich nach den bisherigen Regeln auslegen solle. Es müsse sich um eine eheähnlich­e Verbindung handeln, bei der in der Regel die Merkmale einer Wohn-, Wirtschaft­s- und Geschlecht­sgemeinsch­aft vorliegen. Allerdings müssten nicht immer alle drei Punkte vorhanden sein, es komme auf den Einzelfall an.

Lang seelisch verbunden

Und hier sei relevant, dass der Mann seine frühere Freundin selbst als „Lebensgefä­hrtin“titulierte. Dazu kam, dass das Paar 22 Jahre lang eine Beziehung führte und seelisch verbunden war. Zwar hatten sie nie miteinande­r gelebt. Aber man müsse dabei den hohen Altersunte­rschied und das „sehr hausbezoge­ne“Wesen des Mannes betrachten, meinten die Richter. Unter dem Strich lag laut OGH (2 Ob 173/21m) eine Lebensgeme­inschaft vor. Weil diese aufgehoben wurde, erhält die Frau nun nichts.

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