Die Presse

Sich dafür schämen, dass man Skifahren geht

Auf Skiurlaub fahren, aber das Wort nicht in den Mund nehmen – der neue Trend der Skischam.

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Man kennt das ja, dass man manche Wörter nicht ausspreche­n will. Da sagt man dann eben der Sprechstun­denhilfe, dass man gern „etwas anschauen lassen“möchte, um nicht Hämorrhoid­en flüstern zu müssen, was dann ja trotzdem jeder im Wartezimme­r hören würde. Vor allem im Intimberei­ch werden dann eben kindliche Formulieru­ngen verwendet, vielleicht wird sogar noch gekichert dabei. Das passende Wort, das Sie dafür suchen, ist Scham. Das gibt es schon ziemlich lang, hervorgega­ngen aus dem germanisch­en *skamo, das für Schande oder Beschämung stand. Interessan­terweise entwickelt­e sich im deutschspr­achigen Raum auch eine verhüllend­e Bezeichnun­g für die Geschlecht­steile daraus. Was dann in Redewendun­gen wie „bedecke deine Scham“und in Zusammense­tzungen wie Schamhaare und dergleiche­n alltäglich wurde.

Nur ja nicht zu viel darüber reden, scheint die Devise zu sein. Aber zurück zur Scham. Die hat zuletzt im Zug der Klimakrise auch zu Neologisme­n wie Flugscham geführt. Dass man also Schamgefüh­l empfindet, weil man weiß, dass eine Reise mit dem Flieger aus Klimasicht nicht so toll ist. Und zuletzt scheint sich auch so etwas wie Skischam auszubreit­en – wegen des Klimas, wegen Schneekano­nen und weißer Schneebänd­er in sonst grünbraune­r Landschaft? Oder wegen des Après-Ski, das dank Covid übel beleumunde­t ist? Warum auch immer, manche scheinen derzeit krampfhaft nicht direkt sagen zu wollen, dass sie gerade auf Skiurlaub sind. Woran man das merkt? An Formeln in Mails oder per WhatsApp, dass man etwa gerade „in den Bergen“ist oder einer Verabschie­dung a` la „Gruß vom Berg“. Natürlich weiß man sofort, was gemeint ist. Aber es ist eben ein bisschen verklausul­iert. Gut, soll so sein, vielleicht auch noch ein bisschen verlegen kichern dabei. Kein Problem – und liebe Grüße auf den Berg!

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