Gesetze, mit Füßen getreten – weil es eh nur um die Natur geht
Die Wolfs-Abschussgenehmigungen durch Salzburg, Tirol und nun auch Kärnten sind präpotenter Gesetzesbruch, der ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung der Länder zu Rechtsstaat, Natur- und Artenschutz wirft.
Man darf sich Sorgen um den Rechtsstaat machen, wenn höchste Richterämter politisch besetzt werden oder der Gesetzgeber offenbar bewusst rechtswidrige Erlässe und Verordnungen verabschiedet. Negativbeispiel Wolf: Statt wie überall anders die Weidetiere vor Wölfen zu schützen, setzt man hierzulande auf illegalen Abschuss – weswegen Wolf, Bär, Luchs und Co., obwohl gesetzlich streng geschützt, im Gegensatz zu den Nachbarländern noch nicht Fuß fassen konnten. Die Landesregierungen von Tirol und Salzburg machten sich im Vorjahr zu Komplizen dieser Wildtierkriminalität, indem sie sehenden Auges klar EU-rechtswidrige Verordnungen beschlossen, welche den Abschuss von Wölfen auch dann erlauben, wenn die von ihnen erbeuteten Weidetiere nicht fachgerecht geschützt waren. Das kritisierte ich bereits in meinen Kommentaren vom 2.8., 11.10. und 8.11.2021.
Die Probleme mit diesen Verordnungen werden nun durch ein offizielles „Auskunftersuchen“der EU-Kommission (EC) an die Bundesregierung vom 21.12.21 bestätigt (2021/10086 – zur FFHRichtlinie 92/43 – Schutz des Wolfes). Das Schreiben kann ich Ihnen auf Anfrage gern mailen. Es handelt sich um den Beginn eines Vertragsverletzungsverfahrens der EC wegen der Tiroler und Salzburger Erlässe. Dazu stellt die EC 13 Fragen: Etwa, warum der Truppenübungsplatz Allentsteig, wo seit 2016 das einzige heimische Rudel lebt, noch immer nicht zum Natura 2000 Gebiet erklärt wurde (Österreich ist bezüglich solcher Schutzgebiete schon lang sehr säumig). Oder warum trotz nicht vorhandenen „günstigen Erhaltungszustands“des Wolfs Genehmigungen zu dessen Abschuss erlassen werden. Und aufgrund welcher Erkenntnisse die vielen Almgebiete bestimmt wurden, in denen Herdenschutz angeblich nicht möglich sei – weswegen man dort auf den Wolf schießen darf. Die EC fragt, wie man sicherstellen will, dass sich die Lage des Wolfes durch den unkoordinierten Abschuss in unterschiedlichen Bundesländern nicht noch weiter verschlechtert. Oder warum es im Gegensatz zu Frankreich oder Italien weder Hirtenausbildung, noch geförderten Herdenschutz gibt. Und wie man in Tirol und Salzburg darauf kommt, entgegen dem Übereinkommen von A˚ rhus und der Rechtsprechung des EuGH der Öffentlichkeit und den NGOs die Mitwirkung an der Gesetzwerdung zu verwehren.
Nun setzte die Kärntner Landesregierung noch eins drauf: In Kenntnis der Gesetzeslage und des Schreibens der EC wurde in der Sitzung vom 25.1.22 ein zu Tirol und Salzburg analoger Beschluss gefasst – dass nämlich ein Wolf dann geschossen werden darf, wenn er in einer Woche 20 oder in drei Wochen 35 Weidetiere verletzt oder tötet, egal ob diese geschützt waren, oder nicht. Damit widerspricht auch der Kärntner Erlass klar bindendem Recht.
Die Abschussgenehmigungen sind präpotenter Gesetzesbruch, der ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung der Länder zu Rechtsstaat, Natur- und Artenschutz wirft. Es ist schon eine besondere Chuzpe, mitten in der größten Biodiversitätskatastrophe der Menschheitsgeschichte den Abschuss geschützter Tiere zu verordnen. Sind wir schon so weit, dass man keine Hemmungen mehr hat, per gesetzlich verordnetem Gesetzesbruch Rechtsstaat und Artenschutz zu schädigen – weil der Ruf der Politik eh schon ruiniert ist?